Fingerknacken
EXPLOSION VON INNEN
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Die Gelenke verbinden die Knochen untereinander – ohne sie wäre unser Skelett nur ein unbewegliches Gerüst. Jeder Skelettabschnitt ist mit speziellen Gelenken in seinen Mobilitätsachsen perfekt auf den anderen abgestimmt, um dem Körper maximale Bewegungsfreiheit bei gleichzeitig maximaler Körperkontrolle zu gewähren. Und damit sind unsere Gelenke hohen Belastungen ausgesetzt.
Damit nicht Knochen auf Knochen reibt, befindet sich zwischen den Gelenkköpfen immer ein kleiner Spalt, der mit Gelenkflüssigkeit, der Synovia, gefüllt ist. Zudem sind die Gelenkflächen mit Knorpel überzogen, der ebenfalls reibungsmindernd und wie ein Stoßdämpfer wirkt. Das ganze Konstrukt wird von einer Gelenkkapsel aus Bindegewebe umschlossen und zusammengehalten.
Warum knackt es in den Fingergelenken? Vielfach wird die Synovialflüssigkeit, also die Gelenkschmiere, als Ursache für das unangenehme Fingerknacken angegeben. Danach entsteht durch das Überdehnen der Finger in der Gelenkkapsel ein Unterdruck. Ähnlich wie beim Öffnen einer Mineralwasserflasche, können die in der Gelenkschmiere gelösten Gase dann Blasen bilden, die beim Zerplatzen die typischen Knackgeräusche erzeugen. Nimmt der Druck im Gelenk danach wieder zu, gehen die Gase erneut in Lösung – bis zum nächsten Fingerknacken.
Allerdings ist die Gasbläschenexplosion nicht der einzige Erklärungsansatz für das Gelenkgeräusch. Eine andere Theorie lautet, dass die Knochenflächen manchmal so uneben sind, dass der Gelenkspalt nicht durchgehend verläuft, die Knochen mit einem Knacken übereinandergezogen werden. Tatsache ist, dass die Ursache bis heute nicht einwandfrei geklärt ist.
KEINE SPEZIELLE VORBEUGUNG
Einem schmerzfreien, unfreiwilligen Gelenkknacken kann man nicht vorbeugen. Gegen ein durch degenerative Prozesse ausgelöstes schmerzhaftes Gelenkknacken kann man jedoch etwas tun, indem man sich moderat und regelmäßig bewegt, gesund ernährt und auf sein Gewicht achtet.
Da das Knacken jedoch nicht schmerzhaft ist und auch erwiesenermaßen langfristig keine Arthritis auslöst, scheint die Gasbläschentheorie eher wahrscheinlich als die der unebenen Knochenflächen. Denn bei letzterer müsste die ständige Reizung nach einiger Zeit zu entzündlichen Prozessen führen.
Es scheint aber zumindest für jahrelanges und exzessives Fingerknacken ein gesundheitliches Risiko zu geben, denn eine kleine Studie von 1990 wies nach, dass 84 Prozent derjenigen, die mit den Fingern knackten, eine Handschwellung entwickelten. Bei der Kontrollgruppe, die nicht knackte, waren es nur sechs Prozent. Zudem war bei jedem zweiten Fingerknacker auch die Griffstärke vermindert.
In allen Gelenken möglich Fingergelenke sind nicht die einzigen Gelenke, die knacken können. Manche Menschen kennen das unangenehme Geräusch auch, wenn sie in die Knie gehen oder den Kopf ruckartig von einer Seite auf die andere bewegen. Wenn dieses Knacken ohne Schmerzen vonstatten geht, kann man davon ausgehen, dass es prinzipiell ebenso ungefährlich ist wie das Fingerknacken.
Frauen sind häufiger von unwillkürlichem Gelenkknacken betroffen als Männer, möglicherweise weil das Bindegewebe bei ihnen schwächer ist, was daher zu einer geringeren Stabilisierung der Gelenke führt.
Vorsicht bei Schmerzen! Ganz anders stellt sich es sich dar, wenn das Gelenkknacken von Schmerzen begleitet wird. Dann kann die Ursache durchaus eine Degeneration des Gelenks durch Beeinträchtigungen der Gelenkanteile wie schwindender Knorpel, geschädigte Bänder oder Sehnen sein. In diesem Fall ist eine Behandlung unerlässlich. Kommen Ihre Kunden mit Gelenkknacken zu Ihnen, erfragen Sie also zuerst, ob das Geräusch von Schmerzen begleitet wird.
Ist das der Fall, sollten Sie nach einer zurückliegenden Verletzung im betreffenden Gelenk fragen. Liegt eine solche vor, muss Ihr Kunde die Ursache unbedingt, am besten durch bildgebende Verfahren, abklären lassen. Gab es keine akute Verletzung, sollte das Gelenk trotzdem orthopädisch untersucht werden. Vor allen Dingen ein Knacken in stark belasteten Gelenken wie Knien kann auf eine Abnutzung hinweisen. Schmerzmittel sollten nur übergangsweise eingenommen werden, bis die Ursache diagnostiziert werden kann.
Es gibt einige alternativmedizinische Mittel, welche die Gelenkarchitektur unterstützen sollen, wie etwa Schüßler Salze oder Grünlippmuschelextrakt. Die Grünlippmuschel verfügt über Polysaccharide, die auch in der Gelenkschmiere vorkommen. Ob die Zufuhr dieser Polysaccharide jedoch die fehlende Gelenkschmiere ersetzen kann, konnte bisher durch wissenschaftliche Studien nicht ausreichend belegt werden.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 09/14 ab Seite 90.
Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist