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Blasenschwäche

EIN REINES FRAUENTHEMA?

Unwillkürlicher Urinabgang beim Husten und Niesen – es sind überwiegend Frauen, die damit zu Ihnen in die Apotheke kommen. Aber auch Männer sind von Inkontinenz betroffen, nur anders.

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In Deutschland leiden mehr als vier Millionen Menschen unter unwillkürlichem Harn- und/oder Stuhlverlust. Etwa ein Drittel der über 80-Jährigen können den Urin nicht mehr vollständig halten. Inkontinenz tritt zwar in hohem Maße – aber nicht nur – bei alten Menschen auf. Auch chronische Erkrankungen wie Morbus Parkinson, Multiple Sklerose, Querschnittslähmungen und neuronale Erkrankungen zählen zu den Ursachen, und die können alte und junge Menschen treffen. Dass Frauen häufiger an Inkontinenz leiden als Männer ist wahr und hat etwas mit ihrer Anatomie, der hormonellen Voraussetzung und der Belastung durch Geburten zu tun. Frauen trifft es etwa doppelt so häufig wie Männer.

Beckenbodenschwäche und Belastungsinkontinenz Viele Frauen erleben das erste Mal nach einer Entbindung, was es bedeutet, beim Husten oder Lachen kleine Tröpfchen Urin zu verlieren. Nicht umsonst empfehlen Hebammen den jungen Müttern Rückbildungskurse zu machen, um zu lernen, wie die Beckenbodenmuskulatur gestärkt werden kann. Wer das in jungen Jahren lernt und immer wieder solche Übungen zum Training durchführt, der profitiert auch im Alter davon. Die Belastungsinkontinenz zählt mit der Dranginkontinenz zu den häufigsten Inkontinenzformen. Nach der Menopause sinkt der Estrogenspiegel und die Elastizität der Beckenbodenmuskulatur nimmt ab.

Parallel erleben viele Frauen eine Senkung der Blase, wenn die Bänder, die diese halten, langsam nachlassen. Unter Belastung oder Druck können die Blase und der Schließmuskel die Urinmengen nicht mehr vollständig zurückhalten und es kommt zum Harnabgang. Das A und O der Behandlung ist die physiotherapeutische Stärkung der Beckenbodenmuskulatur. Alternativ oder begleitend kann der Wirkstoff Duloxetin Besserung erzielen.

Der selektive Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer wirkt alpha-​adrenerg und anticholinerg und stärkt die glatte Muskulatur des Schließmuskels. Die übliche Dosis beträgt zweimal täglich 40 Milligramm. Bei älteren Menschen ist ein langsames Einschleichen zu empfehlen, um anfängliche Nebenwirkungen wie Übelkeit und Mundtrockenheit zu reduzieren. Bei schweren Verlaufsformen mit einer deutlichen Senkung, können Unterleibsnetze operativ eingesetzt werden. Auch Stützpessare dienen der Stabilisierung.

Dranginkontinenz Im Gegensatz zur Belastungsinkontinenz verspürt jemand, der an einer Dranginkontinenz leidet, bereits bei geringer Füllung der Blase einen übermäßigen Harndrang. Der Schließmuskel reagiert sofort, die Blasenmuskulatur kontrahiert sich und die Entleerung findet sofort statt. Für die Betroffenen bedeutet das, dass sie es häufig nicht mehr zur Toilette schaffen. Diese Form der Inkontinenz ist besonders bei alten Frauen, aber auch Männern zu finden. Chronische Erkrankungen wie Blasentumoren und neurodegenerative Erkrankungen, zum Beispiel Morbus Parkinson oder Morbus Alzheimer begünstigen die Entstehung einer Dranginkontinenz. Die übermäßige Aktivität des Schließmuskels liegt an einer erhöhten Empfindlichkeit von Muskarinrezeptoren und andererseits an einer mangelhaften Hemmung von Harndrangimpulsen.

Therapeutisch sind Anticholinergika die Mittel der Wahl. Sie hemmen die Muskarinrezeptoren, senken nachweislich die Miktionsfrequenz und steigern das Urinvolumen bei der Entleerung. Problematisch sind die anticholinergen Nebenwirkungen. Für die Besserung der Inkontinenz mussten die Patienten lange Zeit Mundtrockenheit, Obstipation, Unruhe und Tachykardien in Kauf nehmen. Die neueren Wirkstoffe Solifenacin und Darifenacin blockieren selektiv M3-Rezeptoren und wirken deshalb spezifisch auf die glatte Muskulatur im Gastrointestinal- und Urogenitaltrakt. Die sonstigen anticholinergen Nebenwirkungen sind daher geringer ausgeprägt. Aber auch andere Anticholinergika wie Oxybutynin, Toterodin und Propiverin werden immer noch verordnet. Grundsätzlich sollten Sie bei einer Neuverordnung auf die möglichen anticholinergen Nebenwirkungen hinweisen. Außerdem lohnt sich ein Blick auf die Gesamtmedikation und Beurteilung der anticholinergen Last.

Geriatrische Patienten mit Polymedikation können auch mit Kognitionseinschränkungen bis hin zum Delir reagieren. Bei Menschen mit Engwinkelglaukom, Leber-, Nierenfunktionsstörungen, Miktionsstörungen und Myasthenia gravis sind Anticholinergika kontraindiziert. Wird mit Arzneimitteln kein Therapieerfolg erzielt, kann auch die Behandlung des Schließmuskels mit Botulinum-A-Toxin eine Option sein. Das Toxin hemmt die Freisetzung von Acetylcholin und vermindert den ständigen Drang. Da auch neuronale Störungen für die Blasenfunktionsstörung verantwortlich sein können, kommt bei therapieresistenten Patienten die Implantation eines Beckenbodenschrittmachers als Reservebehandlung infrage.

Broschüren und Tagebücher

Unterstützung bietet ein Miktionstagebuch, in das die Uhrzeiten der Toilettengänge, unwillkürliche Abgänge, Trinkmenge und Urinmenge eingetragen werden. Vordrucke zur Dokumentation gibt es von der Deutschen Kontinenz Gesellschaft.

Abfluss behindert: Überlaufinkontinenz Bei der Überlaufinkontinenz ist der Blasenausgang verengt. Zum Beispiel Tumoren oder Blasensteine und Harngrieß können eine Behinderung der normalen Harnentleerung hervorrufen. Bei Männern ist es häufig eine vergrößerte Prostata. Deshalb ist diese Form überwiegend bei Männern zu finden. Gefährlich wird es, wenn ein Rückstau in das Nierenbecken droht. In diesem Fall muss zunächst die Ursache unverzüglich, möglicherweise auch operativ, behandelt werden.

Auch die Kontraktionsschwäche des Schließmuskels kann Grund für diese Inkontinenz sein. Ist das der Fall, sind alpha-Rezeptorenblocker, zum Beispiel Alfuzosin, Doxazosin und Terazosin Mittel der Wahl. Sie relaxieren die glatte Muskulatur in der Blase. So erfolgt eine Verbesserung der Entleerung und die Restharnmenge sinkt. Zu beachten sind die blutdrucksenkenden Effekte. Ältere Menschen sollten auf Schwindel und Blutdruckabfall zu Therapiebeginn hingewiesen werden.

Tipps für die BeratungApotheker und PTA sind die richtige Anlaufstelle für von Inkontinenz Betroffene. Sie haben einen Blick auf die Arzneimittel, können auf mögliche Nebenwirkungen hinweisen und unterstützend zu Inkontinenzprodukten beraten. Hierzu bieten die Firmen Fragebögen an, um die Situation des Patienten zu erfassen. Sehr hilfreich ist ein Online-Tool, das durch das Beratungsgespräch führt und das passende Produkt findet. So gibt es Inkontinenzvorlagen mit unterschiedlicher Saugstärke. Aber auch Windeln oder Einmalhöschen geben Schutz bei fortgeschrittener Erkrankung.

Sinnvoll ist es, dem Patienten zunächst Probepackungen zum Ausprobieren mitzugeben und dann einige Tage später zu besprechen, ob der Schutz ausreicht und wie hoch der Bedarf an Inkontinenzprodukten pro Tag ist. Viele Krankenkassen haben Verträge mit Firmen geschlossen, die die Patienten direkt versorgen. Dennoch gilt die öffentliche Apotheke mit der persönlichen und individuellen Beratung als wichtige Säule für die Versorgung. Um auf das Thema Inkontinenz aufmerksam zu machen, sollte die Apotheke gut sichtbar Vorlagen und Broschüren platzieren. So finden auch Menschen Mut, um Beratung zu bitten, die sich für ihre Beschwerden schämen.

Den Artikel finden Sie auch in der Sonderausgabe Frauengesundheit der PTA IN DER APOTHEKE ab Seite 70.

Dr. Katja Renner, Apothekerin

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