PTA-Fortbildung 05/16
EIN AUSGEKLÜGELTES SYSTEM
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Kleine oder oberflächliche Defekte können in der Regel problemlos selbst versorgt werden und heilen meist komplikationsfrei wieder zu. Bevor adäquate Maßnahmen wie Reinigung, Desinfektion und Abdeckung der Wunde vorgestellt werden, richtet sich der Blick auf die verschiedenen Arten von Wunden und das ausgeklügelte System der Wundheilung.
Akute und chronische Wunden Prinzipiell kann man eine akute von einer chronischen Wunde unterscheiden. Unter einer akuten Wunde versteht man einen Defekt, der durch Verletzungen von außen, also durch äußere Gewalteinwirkung oder als Folge eines medizinischen Eingriffs (iatrogen), entstanden ist. Dazu zählen mechanische Wunden (z. B. Schnittwunden), chemische Wunden (z. B. Verätzungen) oder thermische Wunden (z. B. Brandwunden) sowie Operationswunden.
Akute Wunden zeichnen sich in der Regel durch eine kurze Heilungsdauer und ein komplikationsloses Abheilen aus. Ist eine Wunde nach vier Wochen noch nicht verheilt, spricht man von einer chronischen Wunde. Charakteristisch sind gelblich-fibrinöse oder schwarze nekrotische Belege, eine insuffiziente, häufig nur inselartig verlaufende Granulation und eine reduzierte Mikrozirkulation im Wundbereich. Diese schlecht und nur verzögert bis gar nicht heilenden Wunden sind meistens auf eine Mangelversorgung des betroffenen Gewebes zurückzuführen.
Theoretisch kann sich in jeder Wundheilungsphase aus einer akuten eine chronische Wunde entwickeln. Praktisch entstehen sie jedoch oftmals aus fortschreitenden Gewebezerstörungen infolge von Gefäßerkrankungen unterschiedlichster Genese. Dazu zählen beispielsweise Diabetes mellitus, eine periphere arterielle Verschlusskrankheit oder eine chronisch venöse Insuffizienz (CVI). Aber auch eine dauerhafte Druckbelastung bei Immobilisation, Tumoren, eine Mangelernährung, bestimmte Medikamente, Immundefekte, hohes Alter oder Infektionen können Wunden bedingen, die nicht abheilen.
Die Behandlung chronischer Wunden ist weitaus schwieriger als die Versorgung akuter Wunden und sollte grundsätzlich vom Arzt begleitet werden. Nur akute, kleine Gewebedefekte, die weder stark verschmutzt noch infiziert sind und deren Blutung sich schnell stoppen lässt, können in der Selbstmedikation versorgt werden. Im folgenden werden typische Wundarten vorgestellt und eine grobe Einschätzung darüber gegeben, ob eine Beratung aus der Apotheke ausreicht, oder ob die Betroffenen lieber zum Arzt geschickt werden sollten.
NARBEN VERMEIDEN UND VERSCHÖNERN
Narben können sich unterschiedlich darstellen. Wie sichtbar eine Narbe bleibt hängt von vielen Faktoren ab. Nicht nur die Art und das Ausmaß der Gewebeschädigung sowie der Wundheilungsverlauf sind entscheidend. Auch der Gesundheitszustand des Betroffenen, genetische Faktoren und das Lebensalter nehmen darauf einen Einfluss. Prinzipiell kann sich zu viel oder zu wenig Narbengewebe entwickeln. Die Folgen sind entweder stark erhabene, hypertrophe Narben und Keloide oder tief eingesunkene Narben. Mit einer adäquaten Wundversorgung, also mit dem Auftragen von hydroaktiven Wundauflagen, versucht man, Narben zu vermeiden. Doch bei großflächigen Läsionen ist dies kaum möglich. Das Ersatzgewebe bleibt als solches erkennbar. Durch die anschließende Versorgung mit speziellen Narbenpflastern (z. B. mit Polyurethan) und Silikon-Gelfolien kann es aber gelingen, eine überschießende Narbenbildung zu vermeiden. Die Effekte sind über eine Temperaturerhöhung im Narbenareal oder Auslösung einer Okklusion mit anschließender Durchfeuchtung der Hornhaut zu erzielen. Diverse Narbengele und -cremes mit unterschiedlichen Inhaltsstoffen (z. B. Zwiebelextrakt, Heparin, Allantoin, Silikon, Harnstoff, Kampfer) sollen das Narbengewebe elastischer machen und eine überschießende Gewebebildung zurückdrängen und damit die Narbenstruktur sichtbar verbessern sowie Juckreiz, Schmerz und Spannungsgefühl lindern. Voraussetzung für einen sichtbaren Effekt ist die mehrmals tägliche Anwendung über mehrere Wochen.
Wunde ist nicht gleich WundeSchnittwunden gehören zu den häufigsten Wunden im Haushalt. Sie werden durch scharfkantige Gegenstände (z. B. Messer, Scheren, Glasscherben) verursacht und zeichnen sich durch glatte Wundränder aus. Je nach Größe und Tiefe der Wunde klaffen sie unterschiedlich stark auseinander. Bei tiefen Schnitten muss der Arzt klären, ob wichtige Strukturen wie Nerven, Sehnen oder große Blutgefäße verletzt sind und eine operative Behandlung notwendig ist. Genäht werden müssen auch klaffende Wunden, vor allem über einem Gelenk. Typischerweise bluten Schnittwunden stark, was den Selbstreinigungsprozess der Wunde unterstützt. Der Defekt heilt in der Regel mit einer strichförmigen, fast unsichtbaren Narbe ab.
Schürfwunden entstehen meist nach Stürzen, weshalb sie oft mit Fremdkörpern verunreinigt sind, was ein hohes Infektionsrisiko nach sich zieht. Sie sind oberflächlich, da bei ihnen lediglich die oberste Hautschicht, die Epidermis, sowie geringe Anteile der darunter liegenden Lederhaut geschädigt wurden. Dadurch hinterlassen sie beim Abheilen meist keine Narbe. Allerdings sind sie oft sehr schmerzhaft, weil viele Nervenendigungen freigelegt sind. Da Schürfwunden wenig bluten, ist der Selbstreinigungseffekt der Wunde reduziert und sie sollten desinfiziert werden. Kleine Fremdkörper können selber herausgespült oder mit einer Pinzette entfernt werden. Bei größeren Partikeln ist der Arzt gefragt, der sie fachgerecht herauszieht.
Platzwunden entstehen nach Einwirkung stumpfer Gewalt und treten an Körperstellen auf, die nicht oder nur wenig gepolstert sind (z. B. Stirn). Sie zeichnen sich durch raue, unregelmäßige Wundränder aus, die oft auseinanderklaffen. Platzwunden bergen ein hohes Infektionsrisiko, weshalb sie vom Arzt adäquat versorgt werden sollten. Dieser muss prüfen, ob tiefer liegende Strukturen wie Nerven oder Sehen beschädigt wurden, die weitere chirurgische Maßnahmen erfordern.
Oft sind durch den Unfallhergang (z. B. Aufprallstürze gegen Metallkanten) zudem Fremdkörper (z. B. Metallsplitter) so tief in die Wunde eingedrungen, dass sie nicht vom Laien entfernt werden können. Je nach Größe der Platzwunde muss der Arzt zudem entscheiden, ob die Wunde geklammert oder genäht werden muss. Befindet sich die Platzwunde am Kopf, sollte sie grundsätzlich vom Arzt begutachtet werden, der weitere Defekte am Auge oder eine Gehirnerschütterung ausschließt.
Auch Stichwunden gehören in die Hand des Arztes, denn sie sind oft tief und können wichtige Strukturen verletzt haben. Noch in der Wunde steckende Gegenstände sollten daher auch nicht selbst entfernt werden. Zudem sind die Wunden infektionsgefährdet, da eingedrungene Fremdkörper (z. B. Nägel, Dornen, Holzsplitter) oft infiziert sind.
Biss- und Kratzwunden entstehen meist durch Tiere und hinterlassen unregelmäßige Wundränder. Bei ihnen ist die Gefahr einer Infektion sehr groß, da sich an den Krallen, Zähnen oder im Speichel der Tiere viele Keime befinden. Tierbisse und Kratzwunden, die von streunenden Tieren hervorgerufen werden, sollten ärztlich versorgt werden, da nicht nur ein hohes Infektionsrisiko, sondern auch Tollwutgefahr besteht. Grundsätzlich ist der Tetanusschutz zu überprüfen und gegebenenfalls zu komplettieren. Eventuell sollte auch über eine passive Tollwutimpfung nachgedacht werden.
Brandwunden können je nach Höhe der Temperatur und Dauer der Hitzeeinwirkung ein unterschiedliches Ausmaß annehmen. Leichtere Verbrennungen oder Verbrühungen können in Eigenregie (an Kühlung denken!), größere müssen vom Arzt versorgt werden. Brandblasen dürfen aufgrund des erhöhten Infektionsrisikos nicht aufgestochen werden. Zum Schutz vor Keimen und mechanischen Einflüssen werden sie mit Verbandmaterialien abgedeckt. Öffnen sie sich, sind sie wie eine Wunde zu versorgen.
Ebenso dürfen Blasen, die sich durch Druck und Reibung beispielsweise an den Füßen gebildet haben, nicht geöffnet werden. Blasen können sehr schmerzhaft sein, da die Flüssigkeit direkt auf die an der Basalschicht endenden Nerven drückt.
Mit oder ohne Narben Gesunde Haut kann Wunden schnell wieder verschließen. Dafür verfügen alle Hautschichten über komplexe Reparaturmechanismen. Ist ausschließlich die Oberhaut (Epidermis) betroffen und die sich darin befindliche Basalschicht unversehrt, heilt die Haut innerhalb kürzester Zeit vollständig ohne Narbenbildung ab (regenerative Wundheilung). Für diesen Regenerationsprozess stellen die Basalzellen neue identische Hautzellen her, die den Gewebedefekt von unten nach oben auffüllen (Epithelisierung).
Das neu gebildete Gewebe ist nicht vom ursprünglichen Zellverband zu unterscheiden. Beispiele einer regenerativen Wundheilung sind der Verschluss leichter Schürfwunden oder kleiner Hautblasen. Alle anderen Wunden können in der Regel nur noch mit Narbengewebe repariert werden, da der Defekt tief bis in die Lederhaut (Dermis) hineinreicht (reparative Wundheilung). Hierbei ersetzt Bindegewebe zerstörte Hautzellen und es bildet sich eine Narbe. Das neu entstandene Ersatzgewebe entspricht nicht mehr genau dem Zellverband, der durch die Wunde verletzt wurde, und es fehlen ihm Pigmente sowie Hautanhangsgebilde wie Talg-, Schweißdrüsen und Haarfollikel.
Sind die Wundränder glatt und liegen dicht aneinander ohne Substanzverlust, wie es beispielsweise bei Operations- oder Schnittwunden der Fall ist, setzt die primäre Wundheilung ein und der Defekt kann mit einer strichförmigen, fast unsichtbaren Narbe verschlossen werden. Die Heilung verläuft in der Regel rasch und komplikationslos, vorausgesetzt, das Wundgebiet ist gut durchblutet und frei von Bakterien oder Fremdkörpern. Bei infizierten und verunreinigten Wunden oder größeren zerklüfteten Gewebedefekten kann die Wunde nicht primär ausheilen.
Der Verschluss geht hingegen mit einer ausgedehnten Narbenbildung einher, was als sekundäre Wundheilung bezeichnet wird. Dieser Heilungsprozess dauert deutlich länger als die primäre Wundheilung, da mehr Gewebe ersetzt werden muss. Zudem können Keime den Prozess erheblich erschweren und hinauszögern. Beispiel dafür sind chronische Wunden, Bisswunden und Wunden mit einem großen Wundspalt.
Immer drei Unabhängig von der Art und dem Ausmaß des Gewebeverlustes setzt der Organismus für den Wundverschluss unmittelbar nach der Verletzung immer die gleichen komplexen Wundheilungsprozesse nahezu gleichzeitig in Gang. Dabei können drei sich teilweise im Wundareal zeitlich und räumlich überlappende Phasen unterschieden werden: Die Exsudationsphase zur Blutstillung und Wundreinigung, die Granulationsphase zum Wiederaufbau des Gewebes und die Ephithelisierungsphase, welche die Wunde verschließt.
Die erste Phase, die Exsudationsphase, wird auch Entzündungsphase genannt, da in ihr eine Entzündungsreaktion stattfindet, die mit typischen Entzündungszeichen wie Rötung, Schwellung, Wärme und Wundschmerz in der Wundregion einhergeht. Zudem tritt in dieser Phase viel Wundsekret aus und Blut sickert aus den verletzten Gefäßen, wodurch Keime und oberflächliche Fremdkörper aus der Wunde hinausgespült werden. Gleichzeitig werden Entzündungsmediatoren freigesetzt und neutrophile Granulozyten (Leukozyten) und Makrophagen wandern in das Wundgebiet ein.
Sie säubern die Wunde, indem sie Überreste an zerstörten Zellen, körperfremdem Material sowie Keime phagozytieren. Alle diese Mechanismen dienen der Wundreinigung, weshalb diese Phase auch als Reinigungsphase bezeichnet wird. Zudem wird die Gerinnungskaskade aktiviert, sodass sich ein provisorischer, vorwiegend aus Thrombozyten bestehender Wundpropf bildet. Gleichzeitig kommt es durch Polymerisation von im Wundsekret enthaltenem Fibrinogen zur Fibrinbildung und somit zum Wundverschluss. Dieses Fibrinnetz schützt die Wunde vor Infektionen und stellt die Gewebegrundsubstanz dar, die später als Matrix für den Kollageneinbau dient.
Bei sauberen, nicht infizierten Wunden dauert die Entzündungsphase drei Tage. Bei kontaminierten Läsionen oder größeren Defekten kann sie stark verzögert ablaufen und auch längere Zeit in Anspruch nehmen. Die zweite Phase, die Granulationsphase, beginnt bereits einen Tag nach der Entstehung der Wunde. In dieser Zeit wird das defekte Gewebe von den Wundrändern und vom Wundgrund wieder aufgefüllt. Je nach Größe des Defektes kann diese Phase bis zu 14 Tage dauern. Das neue Gewebe ist stark von Blutgefäßen durchzogenen und glänzt.
Aufgrund des hellroten, glasig-transparenten und körnigen Aussehens spricht man von Granulationsgewebe (lat. Granula = Körnchen). Für dessen Aufbau sind Fibroblasten verantwortlich, die Kollagen synthetisieren. Die Menge an Kollagen nimmt ungefähr bis zum 14. Tag nach der Verletzung zu, um danach in einer geschlossenen Wunde konstant zu bleiben. Das Granulationsgewebe ist noch sehr locker und empfindlich.
Es stellt die Grundlage für die abschließende Epithelisierung dar. In der dritten Phase, der Epithelisierungsphase, wird abschließend das Granulationsgewebe zu Narbengewebe umgebaut. Sie beginnt ungefähr zwischen dem sechsten und zehnten Tag nach der Verletzung. In dieser letzten Wundheilungsphase fängt die Wunde an, sich durch Ausreifung der kollagenen Fasern langsam zusammenzuziehen und somit zu verfestigen. Dabei richten sich die Kollagenfasern entlang der Zugrichtung aus.
Gleichzeitig bildet sich über dem Granulationsgewebe vom Wundrand her ein Epithelgewebe, also eine neue Hautschicht aus Epithelzellen. Voraussetzung für die Wanderung der Epithelzellen ist eine durchfeuchtete Unterlage, die aus verflüssigtem Fibrin besteht. Abschließend setzt noch die Reifung der Epidermis ein, wobei dieser letzte Schritt der Wundheilung mehrere Wochen oder Monate andauern kann.
Optimale Wundheilbedingungen schaffen Voraussetzung für einen ungestörten Wundheilungsverlauf ist eine saubere und nicht infizierte Wunde. Da selbst kleinste Blessuren mit Schmutzpartikeln und Keimen verunreinigt sein können, steht an erster Stelle der Wundversorgung die Reinigung und Desinfektion der Wunde. Kleine Läsionen kann man meist bereits am Unfallort ohne ärztliche Hilfe versorgen. Oft reicht es aus, unter fließendem Leitungswasser winzige Fremdkörper aus der Wunde heraus zu spülen. Ist kein Wasserhahn in der Nähe, leistet Mineralwasser (am besten ohne Kohlensäure) gute Dienste.
Physiologische Kochsalz- oder Ringerlösung ist bei Bagatellwunden nicht nötig, sondern kommen vorrangig bei großflächigen, tiefen oder chronischen, schlecht heilenden Wunden zum Einsatz. Alternativ kann ein desinfizierendes Wundreinigungstuch, eine sterile Wundkompresse oder eine sterile Pinzette verwandt werden. Bewährt haben sich auch desinfizierende Sprays, da sie die Wunde durch den Sprühdruck auswaschen. Bei Schnittwunden werden die Verschmutzungen meist durch das hinausströmende Blut hinausgeschwemmt. Auch können moderne hydroaktive Wundauflagen die Wundreinigung unterstützen.
Desinfizieren? Eine Wunddesinfektion ist nur bei verschmutzten oder infektionsgefährdeten Wunden erforderlich. Dann reicht in der Regel ein einmaliges Besprühen oder Auftupfen. Eine häufige Applikation stört hingegen den Wundheilungsprozess. Wirkstoffe der ersten Wahl sind Octenidin und Polyhexanid. Die farblosen Verbindungen besitzen ein breites mikrobielles Wirkspektrum und eine gute Schleimhautund Hautverträglichkeit. Durch Kombination von Octenidin mit Phenoxyethanol wird zudem eine synergistische Wirkung erreicht.
Ebenso besitzen Präparate auf Povidon-Iod- (PVP- oder Polyvinylpyrrolidon-Iod)- Basis ein breites Wirkungsspektrum gegen Pilze, Bakterien, Mykobakterien und Viren sowie hohe Abtötungsraten nach kurzer Einwirkzeit. Durch Einbau des Iods in das Polyvinylpyrrolidon-Molekül sind sie gut verträglich für Haut und Schleimhäute ohne zu brennen. Allerdings werden sie durch Blut und Eiter inaktiviert, sodass sie nicht für blutende Wunden geeignet sind. Ebenso dürfen sie nicht bei Jodüberempfindlichkeit, Schilddrüsenerkrankungen und Schwangeren verwendet werden.
Da die Präparate durch den Iodgehalt eine rötlich-braune Farbe haben, sollte der Kunde darauf aufmerksam gemacht werden, die Wunde mit einer Wundauflage abzudecken, um (reversible) Verfärbungen von Textilien zu vermeiden. Dabei sollten keine silberhaltigen Verbände gewählt werden, da es zu einer gegenseitigen Wirkungsabschwächung durch die Bildung von Silberjodid kommt. Chlorhexidin wird aufgrund seiner antibakteriellen Wirkung vor allem in der Zahnmedizin geschätzt, aber auch zum Desinfizieren der Haut verwendet.
Allerdings wird eine wundheilhemmende Wirkung für die Substanz diskutiert. Der früher häufig verwendete Farbstoff Gentianaviolett gilt heute als obsolet, da er stark wundheilhemmende Eigenschaften aufweist. Auch kann Wasserstoffperoxid die Wundheilung negativ beeinflussen. Zudem hat es nur eine geringe antiseptische Wirkung, da der Wirkstoff in Gegenwart von Blut durch Peroxidasen und Katalasen zersetzt wird. Andere Substanzen wie Kaliumpermanganat oder Quecksilberpräparate werden wegen ihres allergisierenden Potenzials nicht mehr eingesetzt. Letztere sind darüber hinaus auch aus toxikologischer Sicht bedenklich.
Ethacridinlactat wird heute nicht mehr empfohlen, da es zu Hautirritationen führen kann. Antiseptika auf alkoholischer Basis sind für offene Wunden nicht so gut geeignet, da sie stark brennen und damit die Wunde zusätzlich reizen. Auf den Einsatz von Lokalantibiotika wird bei Bagatellwunden aus den verschiedensten Gründen verzichtet. So besteht generell die Gefahr der Resistenzbildung, einige weisen ein allergenes Potenzial auf, andere hemmen die Wundheilung. Dagegen ruft das antimikrobielle Peptid Tyrothricin keine Resistenzen hervor. Neben seiner bakteriziden Wirkung verfügt es zudem über wundheilungsfördernde Eigenschaften.
Abdecken: trocken oder feucht Zum Schutz der Wunde muss die offene Läsion nach erfolgter Reinigung und Desinfektion keimfrei abgedeckt werden. Dafür stehen verschiedene Verbandmaterialien zur Verfügung. Grundsätzlich muss in konventionelle und hydroaktive Wundauflagen unterschieden werden. Erstere kommen bei der trockenen, herkömmlichen Wundversorgung zum Einsatz. Ihre Aufgabe ist es, die Wunde abzudecken, vor Infektionen oder gegen mechanische Irritationen zu schützen und überschüssiges Wundsekret oder Sickerblutungen aufzunehmen.
Gleichzeitig haben sie polsternde Eigenschaften. Bei der trockenen Wundversorgung bildet sich Schorf, der sich als schützende Kruste über die Wunde legt. Nachtteil dieser althergebrachten Methode ist, dass wundheilfördernde Substanzen aus der Wundflüssigkeit von der Wundauflage aufgesaugt werden und damit nicht mehr für den Heilungsprozess zur Verfügung stehen. Zudem bildet die Kruste eine mechanische Barriere. Neu gebildete Zellen können nicht in die Wunde wandern, was die Heilung verlangsamt.
Oft stört ein Verbandwechsel den Heilungsprozess. Beim Entfernen der Wundauflage wird der Wundschorf und neu gebildetes Ersatzgewebe von der Wunde abgerissen, da die Auflage gern mit dem Schorf verklebt und verwachsen ist. Dennoch findet die trockene Wundversorgung immer noch eine breite Verwendung. Sie kommt im Rahmen der Ersten Hilfe zur Erstversorgung zum Einsatz und ist daher in jedem Verbandkasten zu finden. Auch primär heilende und genähte Wunden werden in der Regel konventionell versorgt und schließlich sind sie Mittel der Wahl zur Akutversorgung kleiner unkomplizierter Bagatellverletzungen
Konventionelle Wundauflagen Am häufigsten kommen Wundschnellverbände, die umgangssprachlich als Pflaster bezeichnet werden, zum Einsatz. Sie bestehen aus verschiedenen Trägermaterialien, auf deren Klebeseite eine saugende, möglichst nicht mit der Wunde verklebende Wundauflage befestigt ist. Es steht eine umfangreiche Produktpalette an unterschiedlichsten Pflastern zur Verfügung: Unsterile Meterware oder fertig geschnittene Pflasterstrips (steril oder unsteril) in unterschiedlichen Größen und Farben sowie mit verschiedenen Materialeigenschaften.
Meist führen die Firmen stark klebende, besonders hautfreundliche, wasserfeste, elastische oder den Körperformen angepasste (z. B. für Finger, Fingerkuppen, Ellenbogen) Varianten. Für bewegliche und schwer zugängliche Stellen sind bei nicht blutenden, kleinen, oberflächlichen Wunden auch Sprühpflaster geeignet. Für infektionsgefährdete Bagatellwunden sind auch spezielle Pflaster mit silberhaltigen Wundauflagen oder mit antiseptischer Wundheilcreme erhältlich.
Darüber hinaus existieren Spezialpflaster wie Hornhaut- und Hühneraugenpflaster, die mit einer salicylsäurehaltigen Wirkstoffauflage versehen sind und verdickte Hornhaut, Schwielen oder Hühneraugen langsam aufweichen. Wundnahtstreifen beziehungsweise Klammerpflaster sind für unkomplizierte kleine Platzwunden oder Schnittverletzungen gedacht. Sie ermöglichen eine sichere, gleichbleibende Adaption der Wundränder, um für eine Verstärkung und Entlastung von geklammerten oder genähten Wunden zu sorgen.
Mit Kompressen können größere Wunden in der Entzündungsphase zur Primärversorgung von Akutwunden versorgt werden. Sie werden auch zur Wundreinigung entweder trocken oder getränkt mit Spüllösungen (z. B. Kochsalz-, Ringerlösung) angewendet. Kompressen sind aus verschiedenen Materialien (z. B. Mull-, Vliesstoff) oder als Saugkompresse (Kompresse mit einer antiadhäsiven Umhüllung) steril oder unsteril verpackt erhältlich. Letztere Variante zeichnet sich aufgrund des hochsaugfähigen Kerns durch eine besonders große Saugkapazität und gute Polstereigenschaften aus.
Außerdem soll durch die äußere Hüllschicht ein geringes Verkleben mit der Wunde erreicht werden. Mit Wundgazen, einem grobmaschigen Gewirk aus Cellulose oder Kunstfasern, die mit hydrophoben Fettsalben versehen sind, soll ein Verkleben der Wundoberfläche mit dem Saugmaterial weitgehend vermieden werden. Hydroaktiv imprägnierte Wundgazen sind mit gelbildenden Partikeln versehen, die in Verbindung mit dem Wundsekret ein Gel bilden, das die Wunde feucht hält und ein Austrocknen verhindert.
Sie zählen zwar noch zu den konventionellen Wundauflagen, sorgen aber für ein feuchtes Wundmilieu, was sich stimulierend auf die Wundheilung auswirkt. Kompressen und Wundgazen benötigen zur Fixierung auf der Haut einen Sekundärverband. Meist kommen Mullbinden zum Einsatz, möglich sind auch elastische Fixierbinden, Schlauchverbände oder Dreieckstücher.
DEXPANTHENOL
Salben und Cremes mit wundheilfördernden Substanzen wie Dexpanthenol stimulieren die Wundheilung. Sie werden am Ende des Heilungsprozesses in der Epithelisierungsphase aufgebracht, das heißt, wenn sich die Wunde schon geschlossen hat. Dexpanthenol-haltige Salben unterstützen nicht nur die Neubildung von Hautzellen, zudem wirken sie ähnlich wie semi-okklusive Wundverbände, die eine Heilung ohne überschießende Narbenbildung fördern
Am liebsten feucht Eine moderne Wundversorgung berücksichtigt, dass die Existenz von Sekret eine Grundvoraussetzung für den Heilungsprozess ist und letztendlich den Heilungsprozess in allen Phasen unterstützt. Im feuchten Wundmilieu kann eine Wunde um bis zu 50 Prozent schneller heilen. Ein feuchtes Wundklima schafft bei der Wundheilung für die ablaufenden Zellaktivitäten ein günstiges Mikroklima. Im feuchten Wundmilieu ist eine schnelle Verteilung von Zellen, Nährstoffen und weiteren Substanzen aus dem Zellstoffwechsel möglich.
Zudem benötigen die Zellen zur Kommunikation die Feuchtigkeit. So kommt es im Wundbereich zur Impulsübertragung, welche eine Vermehrung und Migration von Zellen sowie eine Neubildung von Blutgefäßen und Bindegewebe zur Folge hat. Gleichzeitig fungiert das feuchte Milieu als Reaktionsraum für die Zellen der Immunabwehr. Der körpereigene Abwehrmechanismus arbeitet unter feuchten Bedingungen besser als unter trockenem Wundschorf. Die fehlende Schorfbildung erleichtert darüber hinaus die Passage des nachwachsenden Epithels über dem neugebildeten Granulationsgewebe.
Die fehlende Schorfbildung und das nasse Aussehen der Wunde sind bei der feuchten Wundheilung für den Betroffenen eventuell ungewohnt und sollten bei der Abgabe eines modernen Wundverbandes unbedingt erläutert werden. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Compliance leidet und die Wundversorgung vorzeitig abgebrochen wird. Weiterer Vorteil ist, dass die Wundauflage nicht an der körpereigenen Wundkruste verklebt, so dass ein schmerzloses Abziehen des Verbandes ohne Zerstörung von neu gebildetem Gewebe möglich ist.
Ein feuchtes Milieu reduziert auch das Schmerzempfinden über eine Einkapselung freiliegender Nervenenden. Schließlich heilen Wunden unter feuchten Bedingungen mit geringerer Narbenbildung und besseren kosmetischen Ergebnissen ab.
»Hydroaktive Wundauflagen sorgen neben ihren schützenden und aufsaugenden Eigenschaften für ein feuchtes Wundmilieu und unterstützen somit die Wundheilung in allen Phasen.«
Hydroaktive Wundauflagen Wundverbände für die feuchte Wundheilung bestehen aus einem wasserabweisenden und hydroaktiven Trägermaterial, auf dem sich eine Wundauflage aus hydroaktiven Substanzen befindet. Hauptsächlich sind Alginate, Hydrofiber, Hydrokolloide, Hydrogele, Polyurethanschäume oder Polyacrylat-Superabsorber aufgebracht. Ausnahme sind Folienverbände aus Polyurethan, die keine Wundauflage und damit auch keine Saugfähigkeit besitzen.
Der Einsatz hydroaktiver Wundauflagen ist abhängig von der Art der Wunde, ihrem Heilungsstadium und der Sekretmenge. Inzwischen existieren auch zahlreiche Produkte für den Handverkauf, die zur Versorgung kleiner unkomplizierter Bagatellverletzungen gedacht sind. Als Materialien werden dabei vorrangig Hydrokolloide und Hydrogele verwendet. Hydrokolloide bestehen aus quellfähigen Substanzen, die in einer selbsthaftenden Klebemasse eingearbeitet sind.
Bei Wundkontakt bilden sie mit dem Sekret ein Gel, das Keime und toxische Stoffe umschließt sowie gleichzeitig die Wunde abpolstert. Dieses gelbliche Gel erinnert vom Aussehen und Geruch an Eiter erinnert, darf aber nicht damit verwechselt werden. Da Hydrokolloide in der Lage sind, sowohl Flüssigkeit zu absorbieren als auch zu spenden, eignen sie sich für leicht bis stark nässende Wunden in allen Wundheilungsphasen.
Man kennt sie ursprünglich aus dem Bereich der Blasenpflaster, sie lassen sich aber für allerlei Wunden verwenden und werden beispielsweise bei Schürfwunden, Finger- und Fersenrissen und als Herpespflaster eingesetzt. Da durch die okklusive Außenfolie auf der Wundoberfläche ein Sauerstoffmangel herrscht, dürfen Hydrokolloid- Verbände nicht bei infizierten Wunden aufgebracht werden. Hydrokolloide Pflaster können in der Regel so lange auf der Haut belassen werden, bis sie sich von selbst lösen.
Indikator für den Verbandwechsel ist vorher schon eine blasenförmige Ausformung des Verbandes, welche die Sättigung der Hydrokolloide und damit den Zeitpunkt für den Verbandwechsel anzeigt. Hydrogele liegen im Gegensatz zu den Hydrokolloiden schon in Gelform vor und finden aufgrund des hohen Wassergehaltes bei eher trockener bis mäßiger Sekretbildung Verwendung. Sie können Feuchtigkeit abgeben, so Schorf und Beläge aufweichen und die Selbstreinigungskraft der Wunde unterstützen. Da Hydrogele zusätzlich kühlen, werden sie als Brandwundenpflaster oder für die Brust als Stilleinlagen angeboten. Es gibt sie auch speziell für Blasen, Schnitt- und Schürfwunden.
Gode Meyer-Chlond, Apothekerin