Die Wirkungen von Ethanol sind in weiten Teilen noch unverstanden.
DIE UNTERSCHÄTZTE KULTURDROGE
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Kennen Sie das auch? Auf einer Vernissage gibt es zur Einstimmung einen kleinen Sektempfang und beim Geschäftsessen gehört ein Glas Wein ganz selbstverständlich zum guten Ton. Alkohol ist nach wie vor DIE gesellschaftlich akzeptierte Droge schlechthin, mehr noch als Nikotin. Nichts konnte dem unsere Kultur seit Jahrtausenden begleitenden Alkoholkonsum bislang etwas anhaben.
Grund hierfür ist möglicherweise die Unübersichtlichkeit seiner vielfältigen Wirkungen auf das Gehirn und der Umstand, dass das Zustandekommen vieler dieser Wirkungen noch immer nur unzureichend verstanden ist. Zunächst einmal entfaltet Ethanol wie alle anderen Drogen seine süchtig machende Wirkung über das dopaminerge System, das „interne Belohnungssystem“.
Wie an dieser Stelle bereits verschiedentlich berichtet wurde bewirkt der dabei verwendete Botenstoff Dopamin ein Glücksgefühl und befördert gleichzeitig Lernprozesse, indem er die Abspeicherung der positiven Erfahrung im Langzeitgedächtnis sichert. Alkohol missbraucht diesen Mechanismus, indem er die Ausschüttung von Dopamin fördert und dadurch positive Stimmungen auslöst, die dann mit dem Alkoholkonsum assoziiert und erlernt werden.
Leider bringen derartige unnatürliche Stimulationen das dopaminerge System aber aus dem Gleichgewicht, sodass das gewünschte Gefühl bald nicht mehr ohne die Droge erzielt werden kann und überdies immer höhere Dosen notwendig werden, um denselben Effekt zu erreichen. Zum anderen wirkt der Alkohol aber auch noch fördernd auf so genannte GABAA-Rezeptoren, wodurch Zellen, die diese Rezeptoren besitzen, verstärkt gehemmt werden, und gleichzeitig hemmend auf NMDA-Rezeptoren, die die Zellen normalerweise erregen würden.
In der Summe führen diese beiden Mechanismen dazu, dass Neurone, die diese Rezeptoren besitzen, in ihrer Aktivität stark gehemmt werden. In der Amygdala zum Beispiel, einem Kerngebiet des limbischen Systems, daß für Angstreaktionen zuständig ist, bewirkt diese Hemmung den angstlösenden, enthemmenden Effekt des Alkohols. Umgekehrt kann aber beim Alkoholabhängigen der Alkoholentzug zu verstärkten Angstzuständen führen, denen dann nur durch erneuten Alkoholkonsum entgangen werden kann – ein Teufelskreis, dem sich der Süchtige nicht entziehen kann.
Neuere Therapieansätze versuchen denn auch, etwa am GABAA-Rezeptor anzusetzen, um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, was in Experimenten mit „komasaufenden“ Ratten teilweise bereits gelungen ist. Doch wie immer ist es besser, es gar nicht erst so weit kommen zu lassen, so kennen Sie das sicher auch …
ZUR PERSON
Prof. Dr. Holger Schulze
Hirnforscher
Holger.Schulze@uk-erlangen.de
Prof. Dr. Schulze ist Leiter des Forschungslabors der HNO-Klinik der Universität Erlangen-Nürnberg sowie auswärtiges wissenschaftliches Mitglied des Leibniz-Instituts für Neurobiologie in Magdeburg. Seine Untersuchungen zielen auf ein Verständnis der Neurobiologie des Lernens und Hörens. www.schulze-holger.de
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 01/12 auf Seite 12.
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