Berühmte Apotheker
DER SAUERSTOFF-ENTDECKER
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Erst zwei Tage vor seinem Tode heiratete er ein einziges Mal: Margaretha Sonneman (1751 bis 1793), Witwe des vorherigen Apotheken-Inhabers (Apotheker Hindrich Pascher-Pohl, 1732 bis 1775), in Köping, einem kleinen Ort am westlichen Ende des Mälarsees, Schweden, gelegen. Und er heiratete wohl wiederum nur, damit die Frau, die elf Jahre für sein leibliches Wohl gesorgt hatte und ihn zum Lebensende hin pflegte, nicht ohne finanzielle Mittel mit ihrem Sohn aus erster Ehe zurück blieb.
Kindheit und Ausbildung Am 9. Dezember 1742 wurde Carl Wilhelm Scheele als Sohn des angesehenen, wohlsituierten Kaufmanns und freien Bürgers Joachim Christian Scheele (1703 bis 1776) sowie der Tochter des Altermanns der Brauer-Kompanie, Eleonara Warnekors (1713 bis 1788), in der Stadt Stralsund (damals zu Schweden gehörend) geboren. Er war siebtes von elf Kindern. Sein Vater geriet allerdings als der kleine Scheele zweijährig war in finanzielle Schwierigkeiten, musste das Wohn- und Geburtshaus verkaufen, aus der Brauerei-Kompanie ausscheiden – und war seitdem als Makler tätig.
Scheele besuchte dennoch das Gymnasium – und interessierte sich schon da primär für die Naturwissenschaften. So be- a a gann er 1757 in Gothenburg in der Apotheke „Zum Einhorn“ bei dem aus Güstrom stammenden Apotheker Martin Andreas Bauch (1693 bis 1766) seine Apothekerlehre. Er folgte damit seinem älteren Bruder Johann Martin (1734 bis 1754), der dort ebenfalls seine Lehre absolviert hatte, allerdings bereits mit 20 Jahren verstarb.
Carl Wilhelm Scheele studierte eifrig in der gut ausgerüsteten Bibliothek Bauchs, welche die neuesten chemischen Werke der damaligen Zeit von Caspar Neumann (1683 bis 1737), Noclas Lémery (1645 bis 1715) und Hermann Boerhaave (1668 bis 1738) enthielt. Und er experimentierte schon damals intensiv mit Substanzen und zahlreichen Rohstoffen.
Schon Leonardo da Vinci wusste, dass nur ein bestimmter Teil der Luft die Verbrennung unterhält. 1772 erkannte Scheele, dass dieser Bestandteil zum Beispiel auch in Braunstein (MnO2) vorkommt.
Gesellenzeit in Apotheken 1765 wechselte er als Geselle nach Malmö in die Apotheke „Zum gefleckten Adler“ zu dem damals bekannten Apotheker P.M. Kjellström, wo er Defekturarbeiten übernahm, gleichzeitig aber auch viel experimentieren und forschen konnte. Die Bekanntschaft mit dem späteren Chemieprofessor Anders Jahan Retzius (1742 bis 1821) veranlasste ihn fortan Tagebuch über seine Experimente und Erkenntnisse zu führen. 1768 zog Scheele weiter nach Stockholm und 1770 nach Uppsala.
Noch in Stockholm machte er die bedeutende Entdeckung, dass Silberchlorid sich durch Sonnenstrahlen in Silber und Chlor spalten ließ. Außerdem isolierte er die Weinsäure. In der Apotheke „Zum Wallen von Uppland“ knüpfte er als Laborant Kontakte zu den Wissenschaftlern der Universität Uppsala, so zu dem bekannten Chemiker Torbern Olof Bergmann (1735 bis 1784) und dem damals noch studierenden Johann Gottlieb Gahn (1745 bis 1828).
Zu beiden entwickelte sich später eine Freundschaft – was den Austausch und die Zusammenarbeit auch auf fachlicher Hinsicht sehr förderte. Scheele profitierte beispielsweise von Bergmanns theoretischem Wissen, dessen Sinn für Systematik und dessen Schreibstil; der spätere Chemieprofessor wiederum von Scheeles Art Experimente zu überlegen. Die ersten Veröffentlichungen, die Scheele auch die Anerkennung der Fachwelt einbrachten und später die Aufnahme in die Akademie der Wissenschaften ermöglichten, entstanden.
Wechsel in die Provinz Von der Gelehrten-Hochburg Uppsala in die Provinz, in die kleine, mehr schlecht als recht laufende Apotheke Köpings, verschlug es ihn 1775 – dennoch ganz freiwillig. Er übernahm dort als Provisor die Apotheke. Außerdem war er – wie aus einem Schreiben an seinen Vater hervorging – willens, die 24-jährige Witwe des verstorbenen Apothekers Pohl zu ehelichen. Womöglich hinderten ihn die warnenden Worte seines Vaters bezüglich der finanziellen Lage mit Schulden seines Vorgängers, diese Ehe tatsächlich früher in die Tat umzusetzen.
Fakt ist: Schon am 18. Oktober 1776 konnte er die Apotheke in Köping kaufen, wobei er sich verpflichtete, für den Unterhalt der Witwe zu sorgen und die Warenschulden zu bezahlen. Die Selbständigkeit als Apotheker bescherte ihm zwar einerseits viel Arbeit, andererseits besaß er so die nötige Freiheit für seine Forschungen. Es gelang ihm mit diesem Schritt, genau das Umfeld zu schaffen, das er brauchte, um erfolgreich seinen Experimenten nachzugehen.
Andererseits schaffte Scheele es auch wirtschaftlich die Apotheke auf Vordermann zu bringen. Er erledigte gewissenhaft seine Arbeit als praktischer Apotheker, in seiner Freizeit experimentierte er. Schon Ende Oktober 1777 – da war er knapp zwei Jahre in Köping – durfte Scheele seine Antrittsrede vor der Akademie der Wissenschaften in Stockholm leisten. Er erhielt darauf ein königliches Stipendium, das seine Forschungen jährlich kräftig unterstützte.
Ebenfalls in Stockholm legte er am 11. November 1777 vor dem Collegium Medicum offiziell sein Apothekerexamen ab. 1782 baute er eine neue Apotheke mit einem besser ausgestattenen Labor und ein eigenes Wohnhaus. Bis dahin hatte er mehr in Gartenschuppen und unzulänglichen Kellerräumen experimentiert. Im neuen geräumigen Labor verbrachte er bis zu seinem Tod seine gesamte Freizeit. Angebote aus Preußen und England, die ihm größere wissenschaftliche Geltung und auch materiell Vorteile verschafft hätten, lehnte er ab.
Forschungen, Theorien, Werke Nach vorsichtigen Hochrechnungen führte Scheele etwa 15 000 bis 20 000 Experimente in seinem kurzen Leben durch. Er gehört damit mit Abstand zu den produktivsten Naturforschern des 18. Jahrhunderts. Unter anderem isolierte er mehrere organische Säuren aus Pflanzen, etwa Wein- (1769) und Oxalsäure (1776), Citronensäure (1784), Äpfelsäure (2-Hydroxybernsteinsäure, 1785), Gallussäure (1786), und erhielt durch Erhitzen von Gallussäure Pyrogallol (1,2,3-Trihydroxybenzol, 1786, Verfahren, das auch heute noch verwendet wird).
Er synthetisierte Blausäure (1782, Reaktion aus Kaliumhexacyanoferrat-II und verdünnter Schwefelsäure), stellte Kupferarsenit her (1778, Scheeles Grün, ein Kupfersalz der arsenigen Säure, wurde als Malerfarbe gerne verwendet, aufgrund hoher Toxizität längst verboten), entdeckte Harnsäure (1776), Glycerol (1779, Verseifung von Olivenöl mit Bleioxid bei der Bleipflaster-Herstellung), untersuchte Manganoxid (1774).
Bei näherer Untersuchung von Flussspat entdeckte Scheele auch die Flusssäure (ab 1771 mehrere Abhandlungen), er fand ein Verfahren zur Herstellung von Phosphor aus Knochen (1774, wertvoller Beitrag zur Herstellung von Zündhölzern). Auch an der Entdeckung zahlreicher Elemente, darunter der Elemente Molybdän und Wolfram sowie vieler weiterer chemisch-technischer Verfahren war Scheele maßgeblich beteiligt.
Die bedeutsamste Arbeit Scheeles ist jedoch das 1777 erschienene Buch „Chemische Abhandlung von der Luft und dem Feuer“, in dem die schon ab 1768 bis 1772 durchgeführten Versuche zur Zusammensetzung der Luft, die heute noch teils im Chemieunterricht zum Beweis von Sauerstoff („Feuerluft“, „Vitriolluft“), Stickstoff („verdorbene Luft“) durchgeführt werden, und seine Schlussfolgerungen daraus genau beschrieben sind. Auch wenn er noch deutlich von der Phlogistontheorie (Phlogiston ist eine hypothetische Substanz, die allen brennbaren Körpern bei der Verbrennung entweicht sowie bei Erwärmung in sie eindringt) beeinflusst war, ebnete er damit den Weg zu einer neuen chemischen Theorie und leitete so letztlich die Chemische Revolution ein.
Nur dadurch, dass er seine Ergebnisse zunächst zurückhielt und sich der Druck seiner 1775 eigentlich fertiggestellten Veröffentlichung verzögerte, konnte es überhaupt dazu kommen, dass man auch Joseph Priestley (1733 bis 1804, entdeckte unabhängig von Scheele 1774 bei ganz anderen Verbrennungs-Experimenten Sauerstoff), und Antoine Laurent Lavoisier (1743 bis 1794, erkannte als Erster, dass die Verbrennung eine Reaktion mit Sauerstoff ist – Redoxtheorie) für die Sauerstoff-Entdeckung pries. Carl Wilhelm Scheele litt vor seinem frühen Tod am 21. Mai 1786 mit 44 Jahren zunehmend an rheumatischen Erkrankungen. Doch möglicherweise hatten auch Vergiftungen mit Chlor, Blausäure und verschiedenen Arsenverbindungen der Gesundheit des Forschers schweren Schaden zugefügt.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 02/18 ab Seite 126.
Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin und Fachjournalistin