Kosmetik für alle
DER PUDERKRIEG
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Rubinstein, 1870 geboren, und Arden (ungefähr 1878 geboren), hatten einander nicht ge- rade lieb. Im Gegenteil, sie waren sich spinnefeind, so sehr, dass diese gegenseitige Abneigung zur Legende und sogar ein Film namens „Der Puderkrieg“ darüber gedreht wurde.
Von Österreich-Ungarn nach Australien Denn: Beide hatten die zündende Idee, ein Produkt herzustellen, das es bis dahin nicht gab. Die schon in jungen Jahren sehr geschäftstüchtige Helena Rubinstein erkannte das als erste. Sie war von ihrer Familie aus Krakau zu einem Onkel in Australien geschickt worden, weil sie sich weigerte, den von ihrer Familie ausgesuchten Mann zu ehelichen: „Ich fand ihn sympathisch, aber da ich erst achtzehn war und voller romantischer Ideen steckte, wollte ich ihn nicht heiraten“, bekannte sie freimütig in ihrer Autobiografie. Den von ihr selbst ausgesuchten Medizinstudenten mochte wiederum die Familie nicht – und so wurde sie denn auf die Reise nach Down Under verschifft.
Im Gepäck hatte sie zwölf Tiegel der von einem Apotheker hergestellten Kräutercreme, die die gesamte Familie seit jeher benutzte. Ausgerechnet diese zwölf Tiegel sollten ihr Schicksal werden: Im heißen und staubigen Australien angekommen, fiel Helena Rubinstein durch ihre feine, weiße Haut auf, mit der sie unter den eher lederhäutigen Farmersfrauen herausstach. Diese arbeiteten den ganzen Tag in der sengenden Sonne und schmierten sich, wenn überhaupt, etwas Schmalz ins Gesicht. Helena verkaufte ihre Döschen innerhalb kürzester Zeit und orderte Nachschub aus dem fernen Krakau, was den Apotheker in Schwierigkeiten brachte, da er auf eine solche Nachfrage nicht eingerichtet war.
Den Hautärzten abgeschaut Da der Onkel sich zudringlich verhielt und die schöne Helena ihren eigenen Kopf hatte, zog sie nach Melbourne, mit nichts als den Cremes im Gepäck und einer vagen Geschäftsidee im Kopf. Da der Apotheker in ihrer Heimat den Lieferwünschen nicht mehr Herr wurde, begann sie, selbst eine Creme herzustellen. 1899 eröffnete Rubinstein ihren ersten Schönheitssalon, zog wenig später nach Paris, um bei Hautärzten und Ernährungswissenschaftlern in die Lehre zu gehen und eine eigene Produktlinie herstellen zu können. Sie war damit dermaßen erfolgreich, dass sie am Ende ihres langen Lebens 100 Niederlassungen in 14 Ländern ihr eigen nennen konnte.
Mit Kosmetik an die Weltspitze
Helena Rubinstein, geboren 1870 in Krakau in Österreich-Ungarn, lebte bis zum 1. April 1965, wo sie in New York starb. Elizabeth Arden machte um ihr Geburtsdatum stets ein Geheimnis, es wird jedoch auf 1878 geschätzt. Die Kanadierin starb am 18. Oktober 1966 ebenfalls in New York. Beide haben die Kosmetikindustrie revolutioniert, indem sie Produkte für den Massenmarkt erfanden.
Direkt nebenan Elizabeth Arden hieß eigentlich Florence Nightingale Graham und arbeitete als Krankenschwester, später als Zahnarzthelferin. Die Amerikanerin stammte aus kleinen Verhältnissen, hatte früh die Mutter verloren und ebenso früh in der hauseigenen Küche mit Kosmetikmixturen herumexperimentiert, die ihre Geschwister ausprobieren mussten. Als Krankenschwester träumte sie von einer Creme, die gleichzeitig heilt und verschönt. Als Zahnarzthelferin hatte sie die Gelegenheit, die Gesichter der Patientinnen von ganz nah zu betrachten, mitsamt allen Pickeln, großen Poren und Fältchen. Da muss etwas getan werden, fand sie und verschrieb sich daraufhin ihrer Leidenschaft: Frauen schöner zu machen.
Auch Florence Graham eröffnete ihren ersten Schönheitssalon, und zwar in der feinen New Yorker Fifth Avenue. 1910, 32-jährig, richtete sie mit einem Kredit ihres Bruders alles in Rosa ein und ließ eine knallrote Tür als Haupteingang einsetzen – bis heute Markenzeichen der Firma. Da auf der Schaufensterscheibe noch der Name ihrer Vorgängerin stand – Elizabeth – und sie gerade eine Novelle von Tennyson gelesen hatte, in der ein gewisser Enoch Arden auftaucht, taufte sie sich kurzerhand um. Sie kombinierte nicht nur Cremes und Gesichtswasser miteinander, sondern war auch die erste, die eine Art Wellnessbehandlung einführte, inklusive gymnastischer Übungen und Dampfbädern. Helena Rubinsteins Schönheitssalon lag um die Ecke und es gefiel der Unternehmerin gar nicht, was sich da vor ihrer Nase abspielte.
So schickte sie „Spione“ los, die Ardens Produkte ausprobieren und kaufen mussten. Eine direkte Begegnung haben die beiden Frauen stets abgestritten, doch ihr lebenslanger Konkurrenzkampf war legendär und hat sie wahrscheinlich zu Höchstleistungen angespornt. Genüsslich stürzten sich die Medien auf die beiden Titaninnen, die bald steinreich waren und gern spitze Bemerkungen übereinander fallen ließen. Als Elizabeth Arden sich von ihrem Mann scheiden ließ (und im Scheidungsvertrag eine fünfjährige Berufssperre für die Kosmetikbranche festlegte), stellte Rubinstein ihn nach Ablauf der Frist als Geschäftsführer ein. Vorher hatte ihr die Konkurrentin allerdings den eigenen CEO samt mehrerer Angestellter abgeworben. Elizabeth heiratete in zweiter Ehe einen Prinzen, Arden tat es ihr drei Jahre später nach.
Die erste Creme, die Helena Rubinstein auf den Markt brachte, bestand im Wesentlichen aus Kräutern, Mandelöl und Rinderfett.
Erster Mascara, erste Schönheitsfarm Und doch: Die Kosmetik hat den beiden Frauen viel zu verdanken. Rubinstein erfand den ersten wasserfesten Mascara und den „Tag der Schönheit“, buchbar im Salon, bei dem die Damen sich 12 Stunden lang nach Strich und Faden verwöhnen lassen konnten. Sie zeigte den Frauen, wie sie ihre Vorzüge besser hervorheben konnten und kreierte einen Gesichtspuder, der auf den jeweiligen Teint abgestimmt war – vorher bescherte das einzig erhältliche, gesellschaftlich akzeptierte Kosmetikum den Damen nämlich eine kalkig-weiße Gesichtsfarbe. Arden wiederum stellte bereits vier Jahre nach Geschäftseröffnung einen hauseigenen Chemiker ein, dessen Lebensaufgabe es war, ständig neue Rezepturen auszutüfteln. Und sie erfand die „Schönheitsfarmen“ – in der sich betuchte Amerikanerinnen nicht nur kosmetisch verschönern, sondern sich durch ein ausgeklügeltes Ernährungs- und Sportkonzept auch von einigen ihrer Wohlstandspfunde trennen konnten.
Demokratisierung der Schönheit Der Trend aus Amerika schwappte irgendwann auch nach Deutschland. Hier galt es lange als verpönt, dass Frauen sich schminkten, noch in den zwanziger und dreißiger Jahren war eine solche Frau deklassiert – nur Prostituierte taten so etwas. Die Erschwinglichkeit von Kosmetik, die Beschäftigung mit ihr gingen einher mit den gesellschaftlichen Veränderungen der Frauenbewegung und Emanzipation. Doch auch im 20. Jahrhundert war die Kosmetik zunächst vermögenden Frauen vorbehalten. Rubinstein und Arden gebührt das Verdienst, dies für alle Schichten erreichbar gemacht zu haben. Die beiden Unternehmerinnen haben maßgeblich zur Demokratisierung der Schönheit beigetragen – heute ist sich schminken so selbstverständlich wie essen und trinken.
Den Artikel finden Sie auch in unserem Sonderheft „Kosmetik – Anti-Aging“ 2019 ab Seite 60.
Alexandra Regner, PTA und Journalistin