Kulturpflanzen
DELIKATES BLÜTENGEMÜSE
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Cynara cardunculus L. ssp. scolymus (L.) HEGI (syn. Cynara scolymus L.) ist eine ausdauernde, distelartige Pflanze aus der Familie der Korbblütler (Asteraceae), die ursprünglich aus dem Mittelmeerraum stammt. Sie zählt zu den ältesten Nutzpflanzen. Man geht davon aus, dass sie bereits vor mehr als 2000 Jahren von Ägypten bis nach Griechenland zu Ernährungszwecken angebaut wurde. Schon bei den alten Römern war die Artischocke sehr beliebt und auf römischen Märkten ein gern gehandeltes Gemüse. Berichten zufolge schätzte sie Plinius aber nicht nur als eine kulinarische Delikatesse, sondern empfahl sie bereits bei Verdauungsstörungen.
Königin der Gemüse Den Weg zu uns fand die Artischocke mit den Arabern, die während des Mittelalters den südlichen Mittelmeerraum beherrschten. Sie sorgten für ihre Verbreitung und brachten die Pflanze über Spanien nach Europa. Die Verbindung zu den Arabern zeigt sich auch im deutschen Namen Artischocke, der auf das arabische al-churchufa (= essbare Pflanze) oder ardi-schauki (= Erddorn, Erddistel) zurückgehen soll. Letztere Herleitung nimmt ebenso wie der Artname cardunculus (lat. = kleine Distel) auf das distelähnliche Erscheinungsbild Bezug.
Für lange Zeit galt es vor allem beim französischen Adel als ein Zeichen des Wohlstandes, dekorative Artischockenblüten im eigenen Garten zu haben und sie als Delikatesse zu verspeisen. Zudem glaubte man, sie habe eine erotisierende Wirkung. Im Laufe des 16. Jahrhunderts verbreitete sich die Artischocke zügig bis nach England und sogar in südlichen Regionen Deutschlands wurde sie als Gemüse kultiviert. Heutzutage liegen die Hauptanbauregionen der frostempfindlichen, wärme- und sonnenliebenden Staude in Italien und Frankreich, aber auch in Ägypten, Spanien und in den USA wird eine kommerzielle Kultur betrieben.
Zum Zubereiten von Artischocken in der Küche sollte man Handschuhe tragen. Der austretende Saft färbt die Hände sonst dunkel.
Schmackhafte Blüten Die enge Verwandtschaft zu den Disteln ist an den lilafarbenen Röhrenblüten und der Bestachelung von Laubblättern und Blütenkopf erkennbar. Auch der Gattungsname Cynara ist darauf zurückzuführen. Er stammt vom griechischen Wort kynára = Hund ab und bezieht sich auf die bedornten, an Zähne erinnernden Blattspitzen. Im Gegensatz zu den einjährigen Disteln unserer Breiten sind Artischocken ausdauernde Kulturpflanzen. Im ersten Jahr bilden sie meist nur eine grundständige Blattrosette aus großen Laubblättern. Im zweiten Jahr treibt daraus ein bis zu zwei Meter hoher kräftiger, wollig behaarter Blütenstiel, an dem sich endständig faustgroße (8 bis 15 Zentimeter Durchmesser) körbchenartige Blütenstände, die Artischockenköpfe, entwickeln.
Ihre eiförmigen, kräftigen Hüllblätter sind dachziegelartig angeordnet und tragen ein dornig bespitztes Anhängsel. Die imposanten Blütenstände werden zwischen Juli und Ende September im geschlossenen Zustand geerntet. Die Artischockenknospen erinnern in ihrem Aussehen dann an einen Pinienzapfen. Ihre Hüllblätter dürfen höchstens etwas abstehen. Wird dieser Zeitpunkt verpasst und die Blütenköpfe beginnen sich zu öffnen, verlieren sie ihr Aroma. Ihr Blütenstandsboden sowie die Hüllblätter werden meist gekocht verzehrt und mit einer Vinaigrette serviert. Dafür werden die Artischocken im Ganzen circa 20 bis 30 Minuten lang in Salzwasser erhitzt.
Ihre Blätter lassen sich dann leicht auszupfen und der untere, fleischige Teil lässt sich mit den Zähnen abziehen. Vor dem Genuss der Artischockenböden müssen die darauf liegenden Härchen, das Heu, mit dem Löffel abgeschabt werden. Werden die Artischockenköpfe nicht als Gemüse geerntet, zeigen sich im Sommer zahlreiche rote, violette oder blaue Röhrenblüten, die unzählige Bienen, Hummeln und andere Insekten anlocken und ihnen als Nahrungsquelle dienen. Zungenblüten fehlen.
Spezielle Blattkulturen Arzneilich kommen vor allem die Laubblätter (Cynarae folium) aus einem pharmazeutisch ausgerichteten, kontrollierten Anbau von Sorten blattreicher und spätblühender Typen mit einem hohen Gehalt an Sekundärstoffen zum Einsatz, die im frischen oder getrockneten Zustand zu Trockenextrakten verarbeitet werden. Sie sind bis zu 50 Zentimeter groß, meist fiedrig geformt und unterseits graufilzig behaart. Teilweise laufen sie in spitzen Stacheln, den Dornen, aus.
Für die Extraktherstellung werden die grundständigen, einjährigen Blätter der Blattrosette vor dem Einsetzen des Blütenaustriebs geerntet, da zu diesem Zeitpunkt der Gehalt an wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoffen am höchsten ist. Blätter abgeernteter Gemüsekulturen können keine therapeutisch ausreichenden Konzentrationen mehr gewährleisten und gelten als Ware von minderwertiger Qualität. Darüber hinaus sind Frischpflanzen-Presssäfte erhältlich, die neben den Blättern auch die frischen, nicht aufgeblühten Blütenköpfe in die Verarbeitung mit einbeziehen.
Anerkannte Arzneipflanze Seit langem bekannt und in Studien belegt ist der choleretische Effekt, der über eine Steigerung des Gallenflusses und Anregung der Gallensäureproduktion die Fettverdauung optimiert und damit verdauungsfördernd wirkt. In der Monographie der Kommission E und des HPMC werden daher als Indikation dyspeptische Beschwerden genannt, die besonders bei funktionellen Störungen der ableitenden Gallenwege auftreten. Doch die Wirkung der Artischockenblätter geht über die choleretischen und verdauungsfördernden Effekte hinaus.
Inzwischen konnten Studien belegen, dass der Extrakt in der Lage ist, Cholesterinwerte zu senken. Daher nennt die ESCOP zudem als Anwendungsgebiet die Unterstützung einer Niedrigfettdiät zur Behandlung einer leichten Hyperlipidämie. Die Effekte werden folgenden drei Inhaltsstoffgruppen zugesprochen: Caffeoylchinasäurederivate (z. B. Chlorogensäure, Cynarin), Flavonoide (z. B. Luteolin, Cynarosid) und Sesquiterpen-Bitterstoffe (z. B. Cynaropikrin).
Achtung Kontraindikationen Vorsichtshalber sollte auf eine Einnahme bei bekannter Allergie auf Korbblütler verzichtet werden. Artischockenpräparate sind zudem nicht für Patienten geeignet, die unter einem Verschluss der Gallenwege leiden. Liegen Gallensteine vor, sollte der Arzt über eine Anwendung entscheiden, da Artischockenpräparate über einen vermehrten Gallenfluss ruhende Steine in Bewegung bringen und damit die Gallengänge blockieren können. Auch Schwangere, stillende Mütter sowie Kinder unter zwölf Jahren dürfen Artischockenpräparate nicht einnehmen, da Untersuchungen zur Unbedenklichkeit fehlen.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 01/19 ab Seite 98.
Gode Chlond, Apothekerin