Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises gehören zu den Hauptindikationen für eine langfristige Einnahme von Antiphlogistika. © seb_ra / iStock / Getty Images Plus

Antiphlogistika | Neues Testsystem

DAS ZIEL: NEBENWIRKUNGSÄRMERE WIRKSTOFFE GEGEN ENTZÜNDUNGEN

Ibuprofen, Acetylsalicylsäure und Diclofenac gehören zu den Kassenschlagern des OTC- und zum Teil auch des Rx-Segments. Bei Schmerzen, Fieber und Entzündung haben sie ihre Berechtigung, doch geraten die Wirkstoffe immer wieder wegen ihrer Nebenwirkungen in Kritik.

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Auch wenn man sie schon lange kennt und anwendet, einige Aspekte der zugrundeliegenden Wirkungsweise gelten immer noch als nicht komplett verstanden. Doch gerade für Menschen mit chronischen Entzündungen und Schmerzen bleiben oft wenige Alternativen. Bei längerer Einnahme haben diese Anwender dann häufig mit unerwünschten Wirkungen zu kämpfen: entzündete Magenschleimhaut, erhöhte Blutdruckwerte, Nierenfunktionsstörungen. Deren Pathomechanismen zeigen übrigens auch noch größere Aufklärungslücken. Diese Lücken könnten jetzt geschlossen werden.

Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Pharmazeuten der Friedrich-Schiller-Universität Jena stellte vor kurzem ein Zellmodell vor, das sich speziell an diese Fragen zum Wirkungsmechanismus richtet. Dr. Jana Gerstmeier und Prof. Dr. Oliver Werz von der Uni Jena ist es mit ihrem Team gelungen, die komplexe Wirkung von verabreichten Wirkstoffen auf die Bildung körpereigener Signalstoffe in Immunzellen während einer Entzündungsreaktion aufzuklären. Durch dieses Verständnis sollen in Zukunft nebenwirkungsärmere Substanzen entwickelt werden können. Ein wichtiger Punkt stellte das Verständnis über das Entzündungsgeschehen dar. Dieses verläuft nämlich laut den neuen Untersuchungen in zwei Phasen: In Phase I sind Makrophagen vom Typ M1 aktiv, die proinflammatorische Prostaglandine und Leukotriene produzieren. Nach einigen Tagen folgt Phase II, in der die Entzündung wieder abklingt und sich vorwiegend aktive Makrophagen vom Typ M2 finden. Diese produzieren sogenannte Resolvine, spezielle Botenstoffe, die entzündungsauflösend wirken.

„Herkömmliche Medikamente greifen in beide Phasen gleichermaßen ein“, sagt Dr. Jana Gerstmeier. „Sie drosseln sowohl die Produktion der entzündungsfördernden Botenstoffe als auch die der entzündungsauflösenden Mediatoren.“ Zwar wird hierdurch die Entzündungsreaktion von Beginn an gedrosselt, die körpereigene Gegenregulation wird allerdings auch unterbunden. „Es besteht die Gefahr, dass Entzündungen nicht gestoppt werden und weiter fortschreiten, sodass Folgeerkrankungen auftreten.“ Ein Ansatzpunkt wäre also, Wirkstoffe zu entwickeln, die in die erste Phase eingreifen, die zweite Phase aber nicht beeinflussen. Eine Entzündungshemmung auf zwei Ebenen also.
Das neu entwickelte Zellmodell soll dazu beitragen potenzielle Wirkstoffkandidaten in beiden Phasen zu testen. „Wir nutzen dafür menschliche Immunzellen (M1 und M2), die wir mit dem zu testenden Medikament vorbehandeln und induzieren anschließend mittels pathogener Bakterien eine Entzündungsreaktion“, erläutert Jana Gerstmeier. Freigesetzte Botenstoffe können dabei analysiert werden – und zwar hochempfindlich, bereits kleinste Konzentrationen können mittels spezieller Technik detektiert werden. Die Forscher können somit den Einfluss der Substanz über den gesamten Entzündungsprozess hinweg verfolgen.

Farina Haase,
Apothekerin, Volontärin

Quelle: Informationsdienst Wissenschaft

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