Hormone – Teil 3
DAS RICHTIGE QUANTUM ZUCKER
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Traubenzucker ist ein wichtiger Energieträger: Den höchsten Bedarf aller menschlichen Organe hat das Gehirn, ausgerechnet hier fehlen jedoch Energiespeicher. Die Nervenzellen müssen sich daher zu jeder Zeit mit Glukose aus dem Blut versorgen können. Eine Unterzuckerung führt zu neurologischen Ausfällen bis hin zu Krampfanfällen und Bewusstlosigkeit.
Entsprechend muss gewährleistet sein, dass in der Blutbahn ständig ausreichend Zucker enthalten ist. Zu hohe Konzentrationen allerdings sind auf Dauer schädlich für die Gefäße und viele Organe. Der Blutzucker muss also innerhalb gewisser Grenzen (Nüchternwerte normal zwischen 70 und 99 Milligramm pro Deziliter beziehungsweise 3,9 bis 5,5 Millimol pro Liter) konstant gehalten und Schwankungen – etwa durch Mahlzeiten, Sport etc. – rasch ausgeglichen werden.
Das Inselhormon … Realisiert wird dies im Wesentlichen über die Hormone Insulin und Glukagon, die von spezialisierten Zellen der Langerhans-Inseln in der Bauchspeicheldrüse synthetisiert werden. Nach kohlenhydrathaltigen Mahlzeiten steigt der Zuckerspiegel im Blut an. Dieses Signal löst in den sogenannten Beta-Zellen die Freisetzung von Insulin aus. Wenn das Hormon an Insulinrezeptoren zum Beispiel von Skelettmuskelzellen bindet, wird die Aufnahme von Glukose ins Zellinnere stimuliert (über das „Schlüssel-Schloss“-Prinzip: Insulin „schließt die Zellen auf“) und so der Energieträger dem Zellstoffwechsel zur Verfügung gestellt.
Zusätzlich regt das Hormon in den Zellen die Speicherung von Zucker in Form von Glykogen an. Gleichzeitig wird die Neusynthese von Glukose in der Leber heruntergefahren. Der Effekt: der Blutzucker sinkt. Die Aufnahme von Glukose in die Zellen wird auch durch Muskelarbeit erhöht.
… und sein Gegenspieler Sobald der Zuckerspiegel unter den Normbereich zu fallen droht, wird die Insulinproduktion zurückgefahren. Jetzt tritt – durch die fallende Zuckerkonzentration ausgelöst – der Antagonist Glukagon auf den Plan: Dieses Hormon kurbelt in der Leber den Abbau von Glykogen (und damit die Freisetzung von Glukose) an. Zugleich wird die Neusynthese von Glukose aktiviert. Beide Mechanismen erhöhen den Blutzuckerspiegel. Therapeutisch wird Glukagon insulinpflichtigen Diabetikern in Form eines Notfallsets verschrieben: Entsprechend geschulte Angehörige können es den Patienten im Falle schwerer
Hypoglykämien unter die Haut oder in den Muskel spritzen, um Zuckerreserven im Körper rasch verfügbar zu machen. Neben diesem direkten Gegenspieler des Insulins gibt es noch weitere Stoffe, die die Zuckerkonzentration im Blut steigen lassen: die Stresshormone Adrenalin, Noradrenalin und Kortisol, die unter anderem bei Anstrengung oder Angst ausgeschüttet werden, sowie auch Schilddrüsenhormone. Die wichtigste Störung der Kontrolle des Glukosegehalts des Blutes ist der Diabetes mellitus, also ein chronisch erhöhter Blutzuckerspiegel.
Zu wenig … Der Typ-1-Diabetes ist eine Autoimmunkrankheit: Das Immunsystem produziert wegen einer Fehlsteuerung Antikörper gegen die Beta-Zellen; die Insulin-produzierenden Zellen werden langsam zerstört, bis die Insulinversorgung immer schlechter wird. Konsequenz des Mangels: Die Glukose wird nicht mehr in Muskel- und Fettzellen aufgenommen; sie müssen ihre Energie über andere Wege beziehen. Nervenzellen und einige andere Gewebe sind dagegen in der Lage, Glukose insulinunabhängig aufzunehmen.
Durch den stockenden Abtransport in die Körperzellen sammeln sich hohe Zuckerkonzentrationen im Blut an. Mit deren Filterung ist die Niere schließlich überfordert; Glukose wird an den Urin abgegeben. Die Folgen sind häufiges Wasserlassen, ständiger Durst sowie tendenziell eine Dehydration. Durch weitere metabolische Veränderungen aufgrund des Insulinmangels kommt es zu einer Überschwemmung des Blutes mit Säuren, die im schwersten Fall gefährlich und unbehandelt tödlich werden kann (Ketoazidose).
Von diesen unmittelbaren Effekten abgesehen, verursacht ein schlecht eingestellter Diabetes auf Dauer Spätkomplikationen. Diese entstehen durch Schäden an den Wänden von Arterien (Makroangiopathien) und Kapillaren (Mikroangiopathien), die wiederum weitreichende Folgen, insbesondere an Augen, Nerven, Nieren und Herz nach sich ziehen. Die Therapie besteht bei dieser Diabetesform in einer dauerhaften Insulingabe.
… oder zu viel Insulin Anders beim Typ-2-Diabetes: Die Insulinproduktion ist bei diesen Patienten zunächst intakt, die Zellmembranen der Körperzellen sprechen jedoch nicht im normalen Umfang auf das Hormon an (Insulinresistenz), wodurch wiederum nicht genug Glukose ins Innere der Zelle gelangt; stattdessen bleibt auch hier der Zucker in der Zirkulation. Die Betazellen erhöhen als Reaktion darauf ihre Produktion, was das Problem anfangs durch größere Mengen (Hyperinsulinämie) kompensiert.
Irgendwann ist die Kapazität der Zellen jedoch erschöpft, die Insulinproduktion versiegt. Diese häufige Form der Zuckerkrankheit hat eine starke erbliche Komponente, zu ihrer Manifestation sind aber weitere Bedingungen notwendig, hauptsächlich Übergewicht und Bewegungsmangel. Faktoren aus dem Fettgewebe verstärken, wenn sie in großen Mengen vorliegen, die Insulinresistenz. Beim Typ-2-Diabetes kommen daher Gewichtsabnahme und körperlicher Bewegung besondere Bedeutung zu.
Damit – und mit einer Ernährungsumstellung auf vorwiegend pflanzliche anstelle von tierischen Fetten – werden sowohl begleitende Risikofaktoren wie hoher Blutdruck und Fettstoffwechselstörung als auch die Insulinresistenz günstig beeinflusst. Erst wenn nach einer solchen mehrmonatigen Basistherapie keine Blutzuckerreduktion erzielt wird, sollte mit einer medikamentösen Behandlung begonnen werden.
ZUSATZINFORMATIONEN
Schwangerschaftsdiabetes
Gefahr für das Kind
Beim meist symptomarm verlaufenden Gestationsdiabetes (Schwangerschaftsdiabetes) lösen Schwangerschaftshormone wie Estrogen, Progesteron oder Kortisol als Gegenspieler des Insulins eine Insulinresistenz aus, insbesondere, wenn Übergewicht, ein Alter über 30 Jahren oder eine erbliche Vorbelastung bestehen. Bei Aufnahme von Kohlenhydraten mit der Nahrung muss der Organismus daher mehr und mehr von dem Pankreas-Hormon produzieren – bis die Kapazitätsgrenze der Drüse erreicht ist und Zucker nicht mehr adäquat verwertet werden kann.
Die Störung führt unter anderem zu Entwicklungsproblemen beim Ungeborenen. Daher sollten Schwangere zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche einen oralen Glukosetoleranz-Test durchführen lassen: Nach dem Trinken einer Glukoselösung wird dabei nach einer und nach zwei Stunden der Blutzucker bestimmt. Meist reichen Ernährungsumstellung und regelmäßige Bewegung aus, um normale Werte zu erreichen.
Den ersten Teil der Artikelreihe finden Sie hier, zum zweiten Teil kommen Sie hier.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 05/14 ab Seite 112.
Waltraud Paukstadt, Dipl. Biologin