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Repetitorium

BLUTGERINNUNGSSTÖRUNGEN – TEIL 3

Herz-Kreislauf-Erkrankungen gehören zu den häufigsten Todesursachen. Hauptursache: Blutgerinnsel (Thromben). Gerinnungshemmende Medikamente kommen im Apothekenalltag deshalb häufig vor.

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Orale Antikoagulanzien Für eine dauerhafte „Blutverdünnung“ oder eine Behandlung über einen längeren Zeitraum, etwa aufgrund Vorhoffflimmerns (Herzrhythmusstörung), zur Verhinderung eines Schlaganfalls, nach Einsetzen von mechanischen Herzklappen, nach einer Thrombose oder Lungenembolie sind in Tablettenform einnehmbare Antikoagulanzien besser geeignet.

Cumarine Vitamin K-Antagonisten (VKA) hemmen die Vitamin K-abhängige Synthese von Gerinnungsfaktoren (IX, X, VII und II) und auch von Antigerinnungsfaktoren wie Protein C und Protein S. 4-Hydroxycumarin ist das Grundgerüst aller VKA. Sie sind somit alle strukturverwandt. Allerdings existieren länderspezifisch Vorlieben: So ist in Deutschland Phenprocoumon führend, in der Schweiz Acenocoumarol und in den USA und Australien Warfarin. Alle drei Wirkstoffe zeichnet der gleiche Wirkmechanismus aus, die Halbwertszeiten unterscheiden sich jedoch gravierend:

– Phenprocoumon: 150 Stunden
– Acenocoumarol: 10 Stunden
– Warfarin: 36 Stunden

Auch die Wirkung der Substanzen tritt nicht sofort, sondern erst nach einer Latenz ein. Die antikoagulative Wirkung von Cumarin-Derivaten wurde 1944 entdeckt, als Kälber, die Heu mit einem hohen Anteil an verschimmeltem Honigoder Steinklee gefressen hatten an inneren Blutungen starben. Es wurde anschließend nachgewiesen, dass im Klee enthaltenes Cumarin beim Schimmeln zu Dicoumarol abgebaut wird – was die Blutungen hervorruft. So wurde letztlich festgestellt, dass die oralen Antikoagulanzien mit Vitamin K um die Bindungsstelle an der Vitamin-K-Epoxidase konkurrieren, sodass es vom Mengenverhältnis der beiden antagonistischen Stoffe abhängt, in welchem Maße die Gamma- Carboxylierung erfolgt und die Gerinnungsfaktoren aktiviert werden.

Je mehr Antikoagulanz an die Vitamin-K-Epoxidase bindet, desto stärker ist die Gerinnungshemmung. Desto höher ist auch der INR-Wert, der zur Kontrolle unbedingt gemessen werden muss (siehe Repetitoriumsteil 2, regelmäßiges Monitoring), da die Cumarine eine sehr enge therapeutische Breite besitzen. Die Einstellung auf möglichst konstante, gewünschte Werte ist nicht leicht (schwere Steuerung). Denn auch das Ansprechen auf die Therapie und damit die notwendige Dosierung sind individuell stark unterschiedlich, unter anderem aufgrund eines genetischen Polymorphismus in der Verstoffwechselung.

Zudem spielen Begleiterkrankungen, die Begleitmedikation (viele Interaktionen) sowie die Ernährung (möglichst ausgewogen, abwechslungsreich) eine große Rolle. Die gleichzeitige Anwendung folgender Medikamente verstärkt beispielsweise die Wirkung und erhöht die Blutungsgefahr: Thrombozytenaggregationshemmer, andere Antikoagulanzien wie Heparin, Nicht-steroidale Antiphlogistika (NSAR), Allopurinol, Antiarrhytmika (wie Amiodaron, Chinidin, Propafenon), Methoxsalen, Antibiotika (Chloramphenicol, Tetrazykline, Cotrimoxazol, Cloxacillin, Makrolide, Cephalosporine), Disulfiram, Fibrate, Imidazolderivate Triazolderivate, Methyltestosteron und andere anabole Steroide, Schilddrüsenhormone, aber auch Zytostatika (wie Tamoxifen, Capecitabin) oder Trizyklische Antidepressiva.

Umgekehrt verringert die gleichzeitige Anwendung folgender Medikamente die Wirkung: Azathioprin, Barbiturate, Carbamazepin, Colestyramin, Digitalis-Glykoside, Diuretika, Kortikosteroide, Gluthetimid, 6-Mercaptopurin, Rifampicin, Metformin, Thiouracil, Vitamin-K-haltige Produkte, Johanniskraut-haltige Präparate. Bei Einleitung der Therapie mit Cumarinen muss immer zusätzlich ein parenterales Antikoagulanz, etwa niedermolekulares Heparin gegeben werden, da sonst schnell ein induzierter Protein C-Mangel paradoxerweise einen Gefäßverschluss bewirken könnte. Ansonsten sind die unerwünschten Wirkungen und Gegenanzeigen ähnlich wie bei den Heparinen. Cumarin-Derivate dürfen allerdings nicht während der Schwangerschaft und Stillzeit gegeben werden.

Vitamin-K ist bei zu starker Blutungsneigung das Antidot. Doch muss auch hier die Latenz bis zum Wirkungseintritt beachtet werden (durchaus sechs bis zwölf Stunden), sodass im Falle der Notwendigkeit einer sofortigen Wiederherstellung der Blutgerinnungsfähigkeit auch hier nur die Gabe von Gerinnungsfaktoren und zur Vermeidung von Verblutungen, die Gabe von Bluttransfusionen übrig bleibt. Trotz dieser erwiesenen Schwierigkeiten und Nachteile ist Tatsache: Die oralen Vitamin-K-Antagonisten sind immer noch mit Abstand am weitesten als Antikoagulanzien verbreitet.

Neuere Substanzklassen Sind es nun NOAK (Neue orale Antikoagulanzien oder auch Nicht Vitamin-K-abhängige Antikoagulanzien) oder DOAK (direkte orale Antikoagulanzien)? Die Rede ist von der vergleichsweise neuen Therapieoption mit Dabigatran, Rivaroxaban oder Apixaban und Edoxaban. Dies sind ebenfalls orale Hemmstoffe für Faktor IIa/Thrombin (Dabigatran, Apixaban) beziehungsweise des aktivierten Gerinnungsfaktors X (Xa; Rivaroxaban, Apixaban, Edoxaban). Sie beherrschen seit einigen Jahren sowohl was die Frage nach der Substanzklasse angeht als auch nach Vor- und Nachteilen gegenüber den Vitamin-K-Antagonisten, also sowohl positiv (Vorteile) als auch negativ (Nachteile wie Antidot-Frage) die Berichterstattung auf der Suche nach dem „optimalen“ Antikoagulanz.

Auch in der Fachwelt gehen die Meinungen weit auseinander: Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie empfiehlt mittlerweile den primären Einsatz von NOAK/DOAK – bevorzugt vor den Cumarinen. Ein Ende 2016 erschienener, äußerst aktueller Leitfaden der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) rät den Ärzten – nicht nur aufgrund der vergleichsweise teuren Therapie – zu einer zurückhaltenden Verschreibung von NOAK/DOAK. Der Einsatz solle auf Patienten beschränkt werden, für die VKA wie Phenprocoumon keine geeignete Therapieoption (etwa aufgrund stark schwankendem INR-Wert, bei hohem Risiko für Gehirnblutungen, bei erhöhtem Risiko für Arzneimittel- und Nahrungsmittel- Wechselwirkungen) seien.

Insgesamt werden die NOAK/DOAK etwa zur Prävention von Thromboembolien bei Knie- oder Hüftgelenkersatz, zur Behandlung von Patienten mit Vorhofflimmern, zur Schlaganfall-Prävention mehr und mehr eingesetzt. Auch aufgrund ihrer einfacheren Handhabung, der im Regelfall, also routinemäßig nicht notwendigen Gerinnungskontrolle (im Gegensatz zu Patientenschulungen und regelmäßiger INR-Messung bei VKA), der bisher kaum vorhandenen Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, der wesentlich geringer auftretenden Hirnblutungen im Vergleich zu VKA.

Problematisch ist allerdings, dass der Einsatz hocheffektiver Gerinnungshemmer stets mit einem erhöhten Blutungsrisiko einhergeht. Die in den vergangenen Jahren auch die Medien beherrschende Frage nach einem geeigneten spezifischen Antidot bei einer – allerdings selten vorkommenden – akuten, lebensbedrohlichen Blutungssituation scheint jedoch ebenfalls gelöst: Dabigatran lässt sich mit dem im vergangenen Jahr zugelassenen Idarucizumab antagonisieren. Für alle modernen Gerinnungshemmer des Typs Faktor Xa wurde mit Andexenat alfa ein „Universal-Antidot“ für den klinischen Bedarf erprobt, die Zulassung ist allerdings noch nicht erteilt.

Sondergebiet Calzium-Komplex-Bildner Kalziumionen sind für die Blutgerinnung unentbehrlich. Durch ihren Entzug kann ebenfalls die Blutgerinnung verhindert werden. Diese Art der Antikoagulation, also durch Komplexbildung mit Citrat oder EDTA (Ethylendiamintetraessigsäure), wird beispielsweise in der Dialyse (extrakorporale Behandlung) gerne genutzt.

Sondergebiet Thrombus-Auflösung (Lyse) Ist es erst einmal zur Thrombenbildung in den Gefäßen gekommen, können diese Gerinnsel durch die beschriebenen Antikoagulanzien nicht mehr aufgelöst werden. Eine schnelle (meist Notfallmedizin, infolge Myokardinfarkt, Schlaganfall!) und hoffentlich gute, klinische Versorgung ist dann unerlässlich. Mit Thrombolytika (Plasminogenaktivatoren, indirekten Fibrinolytika) gelingt mittlerweile zu einem hohen Prozentsatz Abhilfe, insbesondere wenn die Behandlung schnellstmöglich nach Thrombenbildung eingeleitet und engmaschig überwacht wird.

Als körpereigene Thrombolytika werden insbesondere Urokinase und Gewebeplasminogenaktivator (tPA) beziehungsweise deren Derivate Reteplase, Tenecteplase, und als körperfremder Stoff Streptokinase verwendet. Quasi genau das Gegenteil machen übrigens Antifibrinolytika (Hemmer der Gerinnselauflösung) wie Tranexamsäure und para-Aminomethylbenzoesäure. Deren Anwendung kann nicht nur als Antidot zur Behandlung einer Hyperfibrinolyse, etwa auch als Mundlösung nach zahnärtzlichen oder oralchirurgischen Operationen für „Phenprocoumon- Patienten“ (DAC/NRF-Rezeptur), insgesamt in der HNOChirurgie, sondern auch bei übermäßigem Nasenbluten sinnvoll sein.

Angesichts der zunehmend älter werdenden Bevölkerung in Deutschland ist damit zu rechnen, dass thromboembolische Ereignisse weiter stark zunehmen. Dank des andauernden Fortschritts können Patienten mit Blutgerinnungsstörungen heute aber quasi schon maßgeschneidert behandelt werden. Und die Entwicklung schreitet mit großen Schritten voran: In der Pipeline und kurz vor der Zulassung in Amerika (FDA) stehen derzeit schon wieder neue Substanzen.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 03/17 ab Seite 86.

Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin und Fachjournalistin

„Blutgerinnungsstörungen – Teil 3”

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