Repetitorium

ASTHMA – TEIL 1

Es rasselt, pfeift, dann tritt anfallsartig Atemnot auf, besonders während der Nacht sind Hustenanfälle typisch. Die Diagnose: Asthma bronchiale – eine Volkskrankheit. Dieser Repetitoriumsteil liefert wichtige Grundlagen.

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Etwa vier Prozent der ostdeutschen und sechs Prozent der westdeutschen Erwachsenen leiden unter Asthma. Bei Kindern liegt die Inzidenz bei zehn bis fünfzehn Prozent; Asthma ist in dieser Altersgruppe die häufigste chronische Erkrankung überhaupt. In der Mehrzahl der Fälle ist Asthma bronchiale gut behandelbar. Doch worum handelt es sich hierbei eigentlich?

Die Nationale Versorgungsleitlinie definiert Die Definition der aktuellen Nationalen Versorgungsleitlinie Asthma lautet: Asthma ist eine chronisch entzündliche Erkrankung der Atemwege, charakterisiert durch eine bronchiale Hyperreagibilität und eine variable Atemwegsobstruktion. Das bedeutet nichts anderes, als das entsprechend veranlagte Personen zu anfallsweise auftretender Atemnot neigen, infolge Verengung der Atemwege (Atemwegsobstruktion) und starker Zunahme der Empfindlichkeit der Atemwege (bronchiale Hyperreagibilität).

Aufgrund ganz unterschiedlicher Reize verkrampft die Bronchialmuskulatur und die Bronchialschleimhaut schwillt an. Typische Symptome hierbei sind neben der insbesondere nachts und am frühen Morgen häufig auftretenden Luftnot (Dyspnoe) mit Angstund Erstickungsgefühl, pfeifende oder brummende und giemende Geräusche beim Ausatmen (exspiratorischer Stridor), da Schleimfäden, die der Bronchialwand anhaften, durch den Luftstrom in Schwingungen versetzt werden, sowie Husten und Abhusten eines glasig-zähen Schleims. Bei Kindern ist Husten das führende Symptom, weshalb die Diagnose „Asthma“ häufig erst spät gestellt wird. Im beschwerdefreien Intervall fehlen die Symptome gänzlich.

 Auslösende Ursachen Wichtig, aber nicht immer einfach ist es, zwischen dem allergischem (extrinsischem) und dem nicht-allergischem (instrinsischem) Asthma zu unterscheiden. In Reinform kommen diese Asthmaformen ohnehin nur bei etwa zehn Prozent der Patienten vor, viel häufiger treten Mischformen auf. Für allergisches Asthma ist – wie der Name schon sagt – eine Allergie der Auslöser. Allergene der verschiedensten Art, also beispielsweise Pollen, Ausscheidungen von Hausstaubmilben, Tierhaarepithelien, Nahrungsmittel, induzieren bei den Betroffenen eine durch Immunglobuline vom Typ E (IgE) erzeugte Überempfindlichkeitsreaktion.

Die IgEAntikörper setzen sich auf der Oberfläche von Mastzellen, aber auch von basophilen und eosinophilen Granulozyten zunächst fest. Bei erneutem Allergenkontakt kommt es zur Degranulation dieser Zellen mit der Ausschüttung beziehungsweise Bildung von Entzündungsmediatoren, etwa Histamin, Leukotrienen, Prostaglandinen, Plättchen-aktivierender Faktor (PAF) oder Zytokinen. Vollzieht sich diese Reaktion anfangs nur an Mastzellen der Oberfläche der Bronchialschleimhaut mit entsprechender Schädigung des Bronchialepithels, so sind im weiteren Verlauf auch tiefere Gewebsschichten betroffen.

Die zahlreichen Entzündungsmediatoren lösen die für den Asthmaanfall typischen Effekte aus: das Zusammenziehen der Bronchialmuskulatur (Bronchokonstriktion), die gesteigerte Bildung eines zähen Schleims, der abgehustet werden will, sowie bei längerer Dauer ödematöse Schwellungen der Bronchialwand. Im Laufe der Zeit können neben dem ursprünglich auslösenden Ödem auch unspezifische Reize die Asthmasymptome hervorrufen. Viele Patienten mit „Heuschnupfen“ leiden somit gleichzeitig an Asthma. Und auch etwa 30 Prozent aller Patienten mit allergischer Rhinokonjunktivitis erkranken in ihren Leben an Asthma (Etagenwechsel). Genetische Veranlagung scheint zusätzlich eine maßgebliche Rolle zu spielen.

Beim nicht-allergischen Asthma sind spezifische Allergene, die den akuten Anfall auslösen, unbekannt. Ganz unspezifische Reize, wie Tabakrauch, kalte Luft, Nebel, Luftverunreinigungen, Raumsprays, giftige oder irritierende Stoffe in Reinigungs- und Lösungsmitteln, körperliche Anstrengung, oder Infekte, meist der Atemwege, aber auch die Refluxkrankheit mit Rückfluss von Magensäure in die Speiseröhre, können zur überschießenden Reaktion des Bronchialsystems führen. Die unspezifischen physikalischen oder chemischen Reize aktivieren aufgrund einer Undichtigkeit des Bronchialepithels bei entsprechend disponierten Personen normalerweise geschützte zwischen und unter den Bronchialepithelzellen liegende Rezeptoren (Irritant Receptors).

Reflektorisch erfolgt eine Erregung efferenter Vagusfasern, deren Überträgerstoff Acetylcholin die glatte Bronchialmuskulatur zur Kontraktion veranlasst (Reflexbronchokonstriktion). Zudem bewirkt das Acetylcholin eine Mastzelldegranulation mit Ausschüttung weiterer Entzündungsmediatoren, insbesondere Histamin. Durch einen positiven Rückkopplungsmechanismus, bei dem Acetylcholin und Histamin immer weiter die Irritant Receptors stimulieren und in Folge die Bronchokonstriktion bewirken, wird der Asthmaanfall erst einmal sogar verstärkt.

Der eigentliche Ablauf der Asthmareaktion ist beim allergischen und nichtallergischen Asthma allerdings grundsätzlich gleich. Ebenso sind Medikamentenunverträglichkeiten bekannt, die eine Bronchialobstruktion und damit einen Asthmaanfall verursachen können. Insbesondere die gegen Bluthochdruck oder Herzinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen eingesetzten Betablocker oder Nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAIDs) wie Acetylsalicylsäure, das eine pseudoallergische Reaktion auslösen kann, sind hier zu nennen. Bei Kindern tritt häufiger das allergische Asthma auf, bei erwachsenen Asthmatikern ist dies nur bei etwa jedem Fünften der Fall. Hier ist die nicht-allergische Form wesentlich häufiger.

Strikt abzugrenzen von Asthma bronchiale ist die chronische atemwegsverengende Lungenkrankheit COPD (Chronic Obstructive Pulmonary Disease), ein Begriff, unter dem chronische Bronchitis und Emphysem zusammengefasst sind. Insbesondere bei älteren Patienten ab 40 Jahren macht die Differenzierung zwischen COPD und intrinsischem Asthma manchmal Schwierigkeiten.

Asthma diagnostisch Zwar können und dürfen pharmazeutische Berufe keine Diagnostik betreiben, Grundwissen hierüber hilft jedoch, Asthma bronchiale und seine Therapie besser einzuschätzen. Zum einen spielen in der Anamnese für den Arzt die typischen Asthmasymptome wie wiederholtes Auftreten anfallsartiger, oftmals nächtlicher Atemnot sowie Husten mit und ohne Auswurf, Giemen, Brustenge, zusätzlich jahreszeitliche Variabilität dieser Symptome eine Rolle. Zum anderen sind aber auch eine positive Familienanamnese (Allergie, Asthma) sowie berufs-, tätigkeits- sowie umgebungsbezogene Auslöser von Atemnot und Husten mit entscheidend. Objektive Messungen zur Sicherung der Diagnose, aber auch zur Therapieüberwachung sind der „große“ und „kleine“ Lungenfunktionstest.

OPTIMIERTE PHARMAZEUTISCHE BETREUUNG
Intensiv betreute Patienten kommen im Alltag wesentlich besser zurecht, leiden seltener unter akuten Asthma-Anfällen, haben eine bessere Kontrolle über ihre Erkrankung. Für Apotheken, die eine Asthma-Spezialisierung anstreben oder sich intensiver in die Materie einarbeiten wollen, empfiehlt sich als Informations- und Nachschlagewerk das mit Checklisten, Formblättern und Handzetteln praxisnah für Apotheken ausgestattete Manual zur pharmazeutischen Betreuung Asthma der Bundesapothekerkammer (BAK). Auch die Nationale Versorgungsleitlinie Asthma, im Internet zu finden unter www.asthma.versorgungsleitlinien.de, gibt detailliert über die diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten Auskunft.

Beim „großen“ Lungenfunktionstest, besser Bronchospasmolysetest genannt, wird mit einem modernen Lungenfunktionsgerät (Spirometer) zum einen das Gesamtvolumen der ein- und ausgeatmeten Luft (Vitalkapazität, VK) sowie das in einer Sekunde bei forcierter Ausatmung ausgestoßene Luftvolumen (Einsekundenkapazität, FEV1) bestimmt. Nach Inhalation eines Bronchospasmolytikums, zum Beispiel zwei Hüben aus einem Dosieraerosol mit einem kurz wirksamen Beta-2-Sympathomimetikum wie Salbutamol oder Fenoterol beziehungsweise einem Anticholinergikum, wird 15 beziehungsweise 30 Minuten später erneut die Lungenfunktion (FEV1) im Spirometer gemessen. Ist dieser Wert besser als der zuvor gemessene, um mehr als 200 Milliliter oder mindestens 15 Prozent, dann hat dem Patienten das Medikament offensichtlich geholfen und die Vermutung, er leidet unter Asthma bronchiale, bestätigt sich.

Der „kleine“ Lungenfunktionstest, die Messung mit dem Peak-Flow-Meter, das die maximale Atemstromstärke bei forcierter Exspiration angibt, gemessen in Litern pro Minute (Atemstoßmessung), ist ein einfaches, rasch und kostengünstig durchführbares Testverfahren, dass insbesondere auch als Instrument der Selbstkontrolle für den Patienten gute Dienste leistet. Es kann vom Arzt als Heil- und Hilfsmittel verordnet werden. Für Kinder gibt es PEF-Geräte mit einer gespreizten Skala (Low-Range-Geräte). Bei gesunden Menschen liegt der Peak-Flow-Wert etwa zwischen 400 und 700 Litern/Minute, bei Asthmatikern ist der Wert niedriger. PEF-Messungen bieten die beste Möglichkeit zur Dosisfindung am Beginn einer Therapie und helfen im Verlauf, die Behandlung optimal zu gestalten.

Hohe Peak-Flow-Werte, geringe Schwankungen und keine oder nur geringe Unterschiede vor und nach Inhalation eines Bronchodilatators belegen eine gute Therapie. Sinkende Peak-Flow-Werte kündigen einen drohenden Asthmaanfall oftmals schon mehrere Tage vor dem Auftreten spürbarer Beschwerden an. So wie Diabetiker den Blutzucker oder Hochdruckpatienten den Blutdruck regelmäßig messen, sind Asthmapatienten deshalb angehalten, PEF-Messungen durchzuführen und zu protokollieren, um die Weite ihrer Atemwege zu bestimmen. Nur wenn diese Untersuchungen samt Allergietests keine klaren Ergebnisse liefern, wird in der Diagnostik vom Lungenfacharzt womöglich noch eine Bodyplethysmografie (Ganzkörper-Plethysmografie), ein Verfahren, das die exakte Bestimmung des Lungenvolumens und des Atemwegs- Widerstandes erlaubt, durchgeführt.

Nach NVL obsolet: die Asthmaschweregrade Die Hyperreagibilität, also die Überempfindlichkeit der Bronchien, nimmt mit der Schwere der Asthma-Erkrankung zu. In fortgeschrittenen Stadien können schon sehr geringe Dosen des Reizstoffes die Lungenfunktion beeinträchtigen. Bis vor kurzem wurde Asthma deshalb anhand der Symptome, des Ausmaßes der Atemwegsobstruktion sowie der Variabilität der Lungenfunktion in vier Schweregrade eingeteilt:

Stufe 1: intermittierendes Asthma mit maximal zwei wöchentlichen Anfällen bei normalem Peak-Flow (Atemtstromstärke);
Stufe 2: persistierendes leichtes Asthma mit maximal einmal täglich auftretenden Beschwerden und einem Peak-Flow von mindestens 80 Prozent des Normwertes;
Stufe 3: persistierendes mittelschweres Asthma mit häufigen auch nächtlichen Anfällen und einem eingeschränkten Peak-Flow von 60 bis 80 Prozent;
Stufe 4: persistierendes schweres Asthma mit quasi ständigen Beschwerden, eingeschränkter körperlicher Belastbarkeit und einem Peak-Flow unter 60 Prozent der Norm).

Diese Einteilung hat sich für die wichtige Verlaufskontrolle jedoch nicht bewährt, da neben dem Schweregrad der zugrunde liegenden Erkrankung auch das Ansprechen auf die Therapie in die Schwere eines Asthmas eingeht. Die Schweregradeinteilung ist deshalb – laut neuer Versorgungsleitlinie (VL) – nur bei der Beurteilung eines Patienten, der keine Asthmamedikamente einnimmt, sinnvoll.

Mittelpunkt heute: Die Asthmakontrolle Stattdessen wird die Asthmakontrolle seitens der VL auch als Grundlage von Therapie und Therapieanpassungen stärker in den Vordergrund gerückt. Es werden drei Grade der Asthmakontrolle definiert, kontrolliertes Asthma, teilweise kontrolliertes Asthma und unkontrolliertes Asthma, die auf klinisch leicht zu erfassenden Parametern beruhen.
Eine Tabelle dazu finden Sie hier.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 04/11 ab Seite 48.

Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin / Journalistin

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