PKA-Fortbildung 01/12
ARZNEIFORMEN „LIGHT“
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Arzneistoff, Arzneiform, Arzneimittel – drei Begriffe mit feinem Unterschied. Wurde ein neuer Arzneistoff gegen eine Krankheit entwickelt, so ist damit noch nicht gleichzeitig ein neues Arzneimittel geschaffen.
Arzneistoff ist nur die eigentlich wirksame Substanz, der Wirkstoff. Dieser muss, um möglichst problemlos ein- und angewendet zu werden noch portioniert und „in Form gebracht“ werden. Zur Herstellung dieser Arzneiform, einer Zubereitung aus Stoffen, werden neben dem neuen Wirkstoff noch Hilfsstoffe benötigt. Diese Hilfsstoffe können sehr unterschiedliche Aufgaben haben und werden primär eingesetzt, um den Wirkstoff in eine für den Patienten leicht handhabbare und einnehmbare Form zu bringen.
Um aus Wirk- und Hilfsstoffen eine Arzneimittel zu formen, werden verschiedenste technologische Verfahren eingesetzt, etwa Gießen bei Zäpfchen , Pressen bei Tabletten, Granulieren bei Granulaten, Rühren bei Salben. Die abgabefertige Arzneiform kann entweder vom Patienten direkt so eingenommen werden, was bei Tabletten, Suppositorien, Kapseln in der Regel der Fall ist, oder sie wird noch in eine andere Darreichungsform überführt, etwa ein Pulver oder Granulat, das in Wasser gelöst und als Lösung getrunken wird.
Meist wird der Begriff Arzneiform und Darreichungsform aber synonym gebraucht. Der Arzneiform kommt entscheidende Bedeutung für die Wirksamkeit eines Arzneimittels zu. Sie bestimmt die wesentlichen Eigenschaften der fertigen pharmazeutischen Zubereitung (Herstellung, Lagerung, Haltbarkeit, Pharmakokinetik, mikrobielle Reinheit, Verpackung etc.) mit.
Feste Arzneiformen Pulver und Puder sind im Fachjargon Zubereitungen (trockene Haufwerke), die aus festen, losen trockenen und mehr oder weniger feinen Teilchen bestehen. Häufig ist Pulver das Zwischenprodukt bei der Herstellung anderer Arzneiformen wie Granulaten, Tabletten oder Kapseln. Es gibt aber noch einfache ungemischte Pulver, die nur aus einer Substanz bestehen und meist in Mehrdosenbehältnissen abgefüllt werden, etwa Ascorbinsäure oder Glaubersalz.
Als gleichmäßige Feststoffmischung sind noch einige Magenpulver gegen Sodbrennen und Glukose- Elektrolytmischungen gegen Durchfallerkrankungen gängig. Ebenfalls zur Einnahme sind Brausepulver gedacht. Sie werden in Wasser gelöst. Hilfsstoffe, die Kohlendioxid beim Wasserkontakt freisetzen, bewirken den „Sprudeleffekt“. Pulver zur Inhalation werden in der Asthma- und in der Grippetherapie häufiger benutzt. Bei dieser Applikation spielt die Teilchengröße eine ganz besondere Bedeutung. Auch zur äußerlichen Anwendung, etwa auf Entzündungen und Wunden, müssen Streupuder eine äußerst feine Teilchengröße von meist unter 100 Mikrometern besitzen. Sterile Puder müssen frei von vermehrungsfähigen Mikroorganismen sein.
Granulate sind Zubereitungen aus festen, trockenen Körnern (körnige Haufwerke) aus zusammengelagerten Pulverpartikeln. Vom Erscheinungsbild sind sie sehr heterogen, denn es gibt annähernd zylinder- oder stäbchenförmige, kantige quaderförmige oder kugelige Granulate. Als Arzneiform sind sie beispielsweise in vielen „Trockensäften“, die mit Leitungswasser angerührt werden müssen, zu finden, daneben zum Einnehmen, teils direkt als abgepackte Sachets oder zusammen mit Flüssigkeit darin aufgelöst als Abführmittelgranulat, Teegranulat, volkstümlich „Instanttee“ genannt oder Brausegranulat. Wie Pulver sind sie häufig Zwischenprodukt von Darreichungsformen wie Tab letten oder Kapseln.
Kapseln sind feste, normalerweise einzeldosierte Arzneiformen, mit einer harten oder weichen Hülle (meist Hartoder Weichgelatinekapseln). Hartkapseln bestehen aus Oberund Unterteil zum Zusammenstecken. Meist wird wirkstoffhaltiges Pulver oder Granulat in sie abgefüllt. Sie haben für den Patienten im Vergleich zu Pulver oder Granulat den Vorteil der einfachen geruch- und geschmacklosen Einnahme.
Hartgelatinekapseln sind auch in der Apotheke mit Hilfe von Handabfüllgeräten herstellbar. Weichgelatinekapseln be stehen hingegen aus einem Guss und sind besonders zur Verkapselung von nichtwässrigen Flüssigkeiten geeignet. Es gibt auch Kapseln, die nicht geschluckt werden, etwa Rektal- oder Vaginalkapseln, die also in Darm (Rektum) beziehungsweise Scheide (Vagina) eingeführt werden. In Kapseln können auch Pulver für die Inhalation verpackt werden. Für die orale Aufnahme existieren weitere spezielle Formen, wie magensaftresistente Kapseln, oder Kapseln mit veränderter Wirkstofffreisetzung, wie Retardkapseln.
SPEZIELLERE ARZNEIFORMEN
Daneben existieren noch ganz spezielle Anwendungsformen: Dosieraerosole, Inhalatoren, um sehr feine Aerosole zu erzeugen, Mikroklysmen, Klistiere, mit Wirkstoff getränkte Tamponaden oder Verbandstoffe, Transdermale Therapeutische Systeme (TTS), Pflaster, im homöopathischen Sektor Globuli, Arzneistäbchen/Kegel seien als Beispiele genannt. Auch Suppositorien (Zäpfchen), das sind einzeldosierte Arzneiformen, meist in Zylinder- oder Torpedoform, die zum Einführen in den Enddarm bestimmt sind und dort ihre Wirkstoffe durch Schmelzen oder Auflösen freigeben, zählen hierzu.
Tabletten enthalten eine Einzeldosis eines oder mehrerer Wirkstoffe, die unter Zusatz von Hilfsstoffen (Füll-, Binde-, Spreng- und Gleitmittel, Mittel, die das Verhalten der Tablette im Verdauungstrakt verändern können) hergestellt werden. Es sind „Presslinge“, die aus Pulver oder Granulat unter hohem Druck maschinell in eine Form gepresst werden. In der Regel sind Tabletten zum Einnehmen bestimmt, es gibt aber auch Vaginal- und Rektaltabletten.
Da sie in großer Menge gut maschinell herstellbar, exakt zu dosieren, bequem und sicher in der Applikation, lange haltbar, einfach zu verpacken, zu transportieren und zu lagern sind, stellen sie eine der wichtigsten und beliebtesten Arzneiformen dar. Die Wirkstofffreigabe ist beispielsweise durch Überzüge gut steuerbar. Es gibt einfache nichtüberzogene Tabletten, überzogene Tabletten (Filmtabletten), Brausetabletten, Lutsch-, Buccal- und Sublingualtabletten, die direkt an den erkrankten Stellen im Mund-Rachen-Raum wirken sollen beziehungsweise durch Aufnahme über die Mundschleimhaut eine schnellere Wirkung entfalten, Tabletten zur Herstellung einer Lösung (Tabs), magensaftresistente Tabletten oder auch solche mit veränderter Wirkstofffreisetzung (Retardtabletten).
Flüssige ArzneiformenLösungen enthalten Arzneistoffe in gelöster Form. Im Fachjargon werden sie auch Einphasensysteme genannt. Lösungsmittel ist Wasser, Alkohol, ein Gemisch aus Alkohol und Wasser oder Öl. Viele Ein - reibungen, Sirupe, Tinkturen, Säfte, aber auch die meisten Augen-, Nasen- und Ohrentropfen sind Lösungen. Strengste Anforderungen werden dabei an Augentropfen gestellt: Sie müssen steril, in ihren physikalisch-chemischen Eigenschaften der Tränenflüssigkeit möglichst ähnlich sein und dürfen keine Schwebeteilchen enthalten. Sonst besteht höchste Reizund Infektionsgefahr.
Suspensionen sind eine Mischung eines Feststoffs mit einer Flüssigkeit, der sich nicht in der Flüssigkeit auflöst (Zweiphasensystem). Da der Feststoff meist auf den Boden der Flüssigkeit sinkt, müssen Suspensionen in der Regel vor Anwendung kräftig geschüttelt werden.
Emulsionen sind mehrphasige Zubereitungen aus einer „fettliebenden“ (lipophilen) und einer „wasserliebenden“ (hydrophilen) Phase. Ist Öl die äußere Phase wird von Wasser in Öl-Emulsion (W/O)-Emulsion gesprochen, bei Wasser als äußerer Phase von Öl-in-Wasser (O/W)-Emulsion. Auch hier kann Schütteln vor Anwendung notwendig werden. Flüssige Emulsionen werden gerne auch als Lotion oder Milch bezeichnet. Bei äußerlicher Applikation sind manchmal Hilfsmittel wie Pinsel beigegeben, etwa bei kleinen Entzündungen im Mund oder bei Pilzinfektionen der Fuß-/Fingernägel.
Wirkstoffe die injiziert werden müssen, kommen häufig als Fertigspritzen, für Diabetiker auch als Pens auf den Markt. Gerade die Pens werden immer wieder anwendungsoptimiert. Bei chemisch in Lösung instabilen Wirkstoffen wird dieser erst kurz vor der in der Anwendung in dem per Ampulle oder Injektionsflasche mitgelieferten Lösungsmittel gelöst und dann in eine Spritze aufgezogen. Auch für all diese im Fachjargon Parenteralia (par enteron = unter Umgehung des Magen-Darm-Kanals) genannten Zubereitungen ist unter anderem Sterilität sowie Partikel- beziehungsweise Schwebstofffreiheit (bei Lösungen) Pflicht.
Halbfeste Arzneiformen Gerade bei Salben gibt es feine Unterschiede, die eine PKA beim Wareneingang erkennen muss. Wird statt einer Creme eine Salbe oder Fettsalbe geliefert, muss dies moniert werden. Bei salbenförmigen Zubereitungen spielt – abgesehen vom eingearbeiteten Arzneistoff – die Grundlage eine entscheidende Rolle, da sie aufgrund ihrer Eigenschaften eine Hauterkrankung günstig beeinflussen kann. Salben sind streichfähige Zubereitungen, die auf die Haut oder einige Schleimhäute (Augen, Nasen, Mund) aufgetragen werden. Sie dienen der lokalen Wirkstoffapplikation oder der Pflege/dem Schutz von Haut und Schleimhaut.
Salben im engeren Sinn sind einphasig, bestehen aus einer einheitlichen Grundlage, in welcher feste oder flüssige Substanzen gelöst oder fein verteilt vorliegen können. Cremes sind mehrphasige Zubereitungen aus einer lipophilen und einer wässrigen Phase, sodass zwischen hydrophoben Cremes (W/O-Typ) und hydrophilen Cremes (O/W-Typ) unterschieden wird. Alle Cremes sind Emulsionen. Gele sind gelierte Flüssigkeiten. Sie werden mit einem geeigneten Quellmittel hergestellt, sind transparent, also ziemlich durchsichtig und häufig angenehm kühlend. Pasten sind Salben, die sehr viel Feststoff enthalten. Dadurch werden sie sehr zäh.
Den vollständigen Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 01/12 ab Seite 50.
Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin/Journalistin