Tatort Apotheke
ANTIKOAGULANZIEN – DIE PTA ERMITTELT
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Heute ist in der Apotheke besonders viel los. Als Herr Krönert herein kommt, weiß die PTA schon, dass sie sich auf ein längeres Gespräch einstellen muss. Der ältere Herr lebt allein und freut sich immer über ein wenig Ansprache. Dieses Mal hat er allerdings tatsächlich ein Problem.
Seit kurzem bekommt er häufig blaue Flecken am ganzen Körper – und das schon, wenn er sich nur leicht anstößt. Die PTA fragt ihn, ob er mit seinem wehen Knie vielleicht in letzter Zeit etwas wackliger auf den Beinen sei und er sich einfach nur häufiger gestoßen habe. Er verneint, aber sein Knie mache ihm in letzter Zeit tatsächlich mehr zu schaffen. Als er vor zwei Wochen im Urlaub war, musste er sich dort in der Apotheke sogar eine Salbe für das Knie holen. Da wird die PTA hellhörig, denn sie weiß, dass Herr Krönert seit seiner Herzklappenoperation regelmäßig das Antikoagulans Phenprocoumon einnimmt. Sie fragt ihn nach dem Namen der Salbe und schnell stellt sich heraus, dass sie Methylsalicylat enthält.
Pharmakologischer Hintergrund Orale Antikoagulanzien, wie Phenprocoumon oder auch Warfarin, hemmen als Gegenspieler von Vitamin K die Blutgerinnung, denn Vitamin K wird für die Synthese bestimmter Gerinnungsfaktoren gebraucht. Die Substanzen werden zur Prophylaxe venöser und arterieller Thromboembolien eingesetzt.
Vitamin-K-Antagonisten dienen vor allem zur Langzeittherapie, wobei die Dosierung regelmäßig anhand eines Gerinnungstests, des so genannten Quicktests, überprüft werden muss. Es kann nämlich durch verschiedene endogene und exogene Faktoren zu starken Schwankungen der Gerinnungshemmung kommen. Salicylate, wie ASS oder Methylsalicylat, wirken auf einem ganz anderen Weg. Sie blockieren die Cyclooxygenase-1 , wodurch unter anderem weniger Thromboxan, welches für die Thrombozytenaggregation wichtig ist, gebildet wird.
Die Wirkung hält trotz geringer Halbwertszeit der Salicylate mehrere Tage lang an, weil erst neue Thrombozyten heranreifen müssen. Durch diese pharmakodynamische Interaktion wirken beide Substanzen synergistisch auf den komplexen Vorgang der Blutgerinnung. Dadurch erhöht sich das Risiko für gastrointestinale Blutungen. Es kann aber auch zum vermehrten Auftreten von Blutergüssen und zu Nasenbluten kommen.
Dies spielt vor allem dann eine Rolle, wenn ASS regelmäßig in höherer Dosierung als Analgetikum eingenommen wird. Aber auch in geringer Dosis zur Nachsorge bei Herzinfarkt und Schlaganfall muss die Interaktion berücksichtigt werden. Sie kann sogar auftreten, wenn Salicylate über mehrere Tage äußerlich angewendet werden, weil dann je nach behandeltem Areal größere Mengen resorbiert werden.
Zurück zum Fall Herr Krönert wusste zwar, dass er nicht ohne ärztliche Rücksprache Schmerzmittel nehmen darf, dass dies aber auch für äußerlich anzuwendende Arzneimittel gilt, das hatte er nicht erwartet. Die PTA erklärt ihm, dass der Wirkstoff in die Tiefe eindringen muss, um zu wirken. Dort gelangt er auch in die Blutbahn und kann sich dann überall im Körper verteilen.
Sie rät ihm, die Salbe nicht weiter zu verwenden und seinem Arzt vorsichtshalber davon zu berichten. Er kann dann entscheiden, ob in den nächsten Tagen ein Gerinnungstest durchgeführt werden soll. Gegen die Schmerzen im Knie verkauft sie ihm eine Salbe mit Beinwellwurzelextrakt.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 09/11 auf Seite 71.
SB