© DIE PTA IN DER APOTHEKE

Steckbrief

ANTIDEPRESSIVA

Für eine gute Beratung bei der Abgabe von Antidepressiva braucht es Wissen über Wirkmechanismen, Dosierung, Wechselwirkungen und Nebenwirkungen, um Therapietreue und -erfolg sicherzustellen.

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Die Depression ist eine der großen Volkskrankheiten der Industrieländer. In Deutschland leiden circa vier Millionen Menschen unter einer depressiven Störung, Frauen etwa doppelt so häufig wie Männer. Die Erkrankung entsteht aus dem Zusammenwirken einer Vielzahl innerer und äußerer Belastungsfaktoren. Auch schwere Vorerkrankungen wie ein Herzinfarkt oder Schlaganfall können Auslöser sein. Das Symptombild, das unter dem Begriff „affektive Störung“ zusammengefasst wird, beruht auf einer Veränderung der Neurotransmission von Serotonin, Dopamin und Noradrenalin, der Genexpression und Neuroplastizität im Gehirn. Eine depressive Episode kann einmalig oder wiederkehrend auftreten. Häufig findet die Ersterkrankung in jungen Lebensjahren bis zum 30. Lebensjahr statt. Die typischen Hauptsymptome sind gedrückte Stimmungslage, Interessenverlust und Antriebslosigkeit. Nebensymptome, die ebenfalls zur Diagnosestellung einbezogen werden, sind zum Beispiel Schlafstörungen, Appetitlosigkeit, verminderte Konzentration, vermindertes Selbstwertgefühl, unbegründete Gefühle von Schuld und Wertlosigkeit und Suizidgedanken/-handlungen. Diese Beschwerden müssen in Kombination mindestens zwei Wochen dauerhaft auftreten. Nach Anzahl der Symptome werden leichte, mittelschwere und schwere depressive Episoden unterschieden.

Erfolgreich behandeln Ziel der antidepressiven Therapie ist es, die affektiven Störungen zu mindern und den Patienten wieder alltagsfähig zu machen. Neben der Psychotherapie ist die medikamentöse Therapie die wichtigste Behandlungsform. Je früher die Behandlung begonnen wird, desto besser ist die Prognose. Eine antidepressive Therapie soll mindestens neun bis zwölf Monate erfolgen, um das Risiko für Rückfälle zu reduzieren. Alle Antidepressiva wirken gegen das Gesamtsyndrom. Depressionen können prinzipiell mit allen indizierten Wirkstoffen erfolgreich behandelt werden. Doch nur etwa zwei Drittel der Patienten sprechen auf das erste Medikament erfolgreich an. In so einem Fall sollte auf einen Wirkstoff einer anderen Klasse umgestellt werden. Unterschiede zwischen den Substanzen liegen im pharmakologischen Angriffsort und in potenziellen Neben- und Wechselwirkungen. Diese sollten bei der Auswahl des passenden Antidepressivums insbesondere bei Risikopatienten berücksichtigt werden. Für alle Wirkstoffe gilt, dass ihre Wirkung erst nach zwei bis vier Wochen unter ausreichender Dosis eintritt und der Patient auf diese Wirkungslatenz aufmerksam gemacht werden sollte. Alle Antidepressiva werden langsam ein- und langsam ausgeschlichen. Beim Wechsel von einem auf ein anderes Antidepressivum sollte auf die Halbwertzeiten geachtet und möglicherweise eine Therapiepause eingehalten werden.

Wirkstoffklassen Die ersten Arzneistoffe gegen Depressionen waren die trizyklischen Antidepressiva. Vertreter wie Amitriptylin, Clomipramin, Doxepin und Trimipramin hemmen die Wiederaufnahme von Serotonin und Noradrenalin aus dem synaptischen Spalt. Sie werden nicht nur gegen Depressionen, sondern auch gegen Schmerzen oder Schlafstörungen verordnet. Aufgrund ihrer unspezifischen Wirkungen an anderen Rezeptoren haben sie ausgeprägte Nebenwirkungen, die die Adhärenz beeinträchtigen, und werden deshalb heute nicht mehr so häufig eingesetzt. Zu den selektiven Serotonin-​Wiederaufnahme-Hemmern (SSRI) zählen zum Bei- spiel Citalopram, Fluoxetin, Fluvoxamin und Sertralin. Sie erhöhen spezifisch die Konzentration von Serotonin im synaptischen Spalt. Weil sie keine anticholinergen Nebenwirkungen hervorrufen, sind sie bei älteren Patienten vorteilhaft. Allerdings werden viele der Substanzen über Cytochrom P450 metabolisiert und haben deshalb eine Reihe von Wechselwirkungen, die bei Polymedikation beachtet werden muss.

Die selektiven Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI) Venlafaxin und Duloxetin blockieren wie trizyklische Antidepressiva die Wiederaufnahme von Noradrenalin und Serotonin aus dem synaptischen Spalt. Ihr Wirkprofil ähnelt den SSRI. Mirtazapin hat einen anderen Wirkungsmechanismus, sorgt aber auch für eine gesteigerte Neurotransmission von Serotonin und Noradrenalin. Für schwer erkrankte Patienten, die auf die genannten Antidepressiva nur unzureichend ansprechen, sind Monoaminooxidase-​Hemmer eine weitere Alter- native. Agomelatin, Tianeptin und Bupropion sind weitere Optionen. Die Kombinationstherapie von Mirtazapin mit SSRI ist aufgrund ausreichender Evidenz zugelassen. Außerdem werden teilweise atypische Antipsychotika wie Quetiapin, Lithium oder Carbamazepin zur Verstärkung der Behandlung eingesetzt. Johanniskraut ist die pflanzliche Alternative, die bei depressiven Verstimmungen auch für die Selbstmedikation zugelassen ist. Auch hier ist die richtige Beratung zu Wechselwirkungen entscheidend.

Beratungstipps Bei der Abgabe von Antidepressiva im Rahmen der Erstverordnung besteht ein umfangreicher Beratungsbedarf. Der Patient sollte von der PTA erfahren, dass der Wirkungseintritt verzögert ist und dass Antidepressiva nicht abhängig machen. Immer noch haben viele Betroffene Angst, Psychopharmaka einzunehmen. Um die Krankheit zu behandeln ist aber eine gute Adhärenz unbedingt erforderlich. Die Einnahme der Tabletten sollte regelmäßig, täglich und zur richtigen Tageszeit erfolgen. Antidepressiva mit beruhigender, schlafanstoßender Wirkung werden abends, aktivierende Substanzen am Morgen eingenommen. Auf die gleichzeitige Einnahme von Alkohol sollte wegen der Einschränkung der Reaktionsfähigkeit verzichtet werden. In der Phase der Aufdosierung der Medikamente können Nebenwirkungen auftreten, die häufig mit der Zeit abnehmen. Wenn der Patient darüber informiert ist, kann er besser damit umgehen und setzt nicht gleich die Therapie wegen einer vermeintlichen Unverträglichkeit ab. Um erfolgreich in das Beratungsgespräch einzusteigen, können Sie fragen: „Was hat der Arzt Ihnen zu dem Medikament gesagt? Wogegen und wie sollen Sie die Tabletten einnehmen?“ Dann lässt sich leichter an die Informationen, die der Patient vom Arzt erhalten hat, anknüpfen. Ziel sollte es sein, die Empfehlung des Arztes zu verstärken und Vertrauen in das Medikament aufzubauen. Patienten, die eine Wiederholungsverordnung in die Apotheke bringen, sollten nach der Wirksamkeit und Verträglichkeit gefragt werden. Wer nach sechs- bis achtwöchiger Therapie keine Verbesserung spürt, sollte erneut den Arzt aufsuchen. Dann ist eventuell eine Umstellung auf einen anderen Wirkstoff notwendig. PTA und Apotheker sollten Betroffene darauf hinweisen, eine Behandlung nicht eigenmächtig, ohne den Arzt, abzubrechen. 

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 04/19 ab Seite 116.

Dr. Katja Renner, Apothekerin

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