Grund zum Weinen: Jedes sechste Kind in Deutschland unter fünf Jahren leidet mindestens einmal im Jahr unter einer infektiöser Durchfallerkrankung. © kirza / iStock / Getty Images Plus

Pädiatrie | Magen-Darm-Infekt

AKUTE ENTZÜNDUNG: WAS BRINGEN PROBIOTIKA WIRKLICH?

Probiotika boomen – in den USA lag der Umsatz 2015 bei 37 Milliarden US-Dollar. In zwei klinischen Studien fielen nun allerdings bestimmte Produkte mit Lactobacillus rhamnosus durch. Untersucht wurde ihre Wirksamkeit bei akuten Magen-Darm-Entzündungen von Säuglingen und Kleinkindern.

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Brechdurchfall führt hierzulande zwar selten zu lebensbedrohlichen Zuständen, ist aber häufig Grund für Arztbesuche. Auch in der Selbstmedikation versuchen besorgte Eltern häufig, ihre Kinder bei der Ausheilung des Infekts zu unterstützen. Wichtig ist die Versorgung mit Elektrolyten und Flüssigkeit in Form einer oralen Rehydration, bei nachgewiesenen bakteriellen Infektionen kommen auch Antibiotika zum Einsatz. Immer mehr Ärzte empfehlen zusätzlich Probiotika, rezeptfrei erhältlich erfreuen sich die Produkte auch in der Apotheke großer Beliebtheit. Die „guten“ Bakterien sollen dabei die potenziell krankheitsauslösenden Erreger verdrängen, sich ansiedeln und so die „Darmflora“ positiv beeinflussen. Fünf von zwölf internationalen Fachgesellschaften empfehlen Probiotika mittlerweile zur Prophylaxe oder Behandlung von Durchfallerkrankungen – man verhält sich bei der Abgabe also durchaus leitliniengerecht.

Tatsächlich ist die medizinische Evidenz allerdings begrenzt. Mehrere Metaanalysen, darunter auch eine Analyse der Cochrane Collaboration, haben den Präparaten zwar eine positive Wirkung bei Durchfallerkrankungen nachgewiesen, wodurch sich die Krankheitsdauer um durchschnittlich einen Tag verkürze. Doch ist der Studienaufbau nicht in jedem Fall methodisch astrein und wird vielfach kritisiert: kleine Stichprobengröße, mangelnde Qualitätskontrollen der Probiotika, fragwürdige Ergebnisse, eine hohe Aussteigerquote, unklare Randomisierungsstrategien, unzureichende Placebokontrollen.

Zwei anspruchsvoll randomisierte Studien sollen daher nun für Klarheit sorgen. Zum einen eine Untersuchung des US-amerikanischen Pediatric Emergency Care Applied Research Network (PECARN), in der 971 Kinder mit akuter Gastroenteritis im Alter zwischen drei Monaten und vier Jahren fünf Tage lang zweimal täglich Lactobacillus rhamnosus GG beziehungsweise Placebo erhielten. Zum zweiten die kanadische PROGUT-Studie („Probiotic Regimen for Outpatient Gastroenteritis Utility of Treatment“) mit einer Probandenzahl von 886 Kindern der gleichen Altersgruppe mit demselben Krankheitsbild, die fünf Tage lang zusätzlich zur Standardtherapie ein Probiotikum mit L. rhamnosus R0011 und L. helveticus R0052 oder Placebo erhielten.

Die Verträglichkeit der Probiotika war bei allen Kinder zwar gut, es gab aber auch keine signifikanten Unterschiede in Genesungszeit oder Intensität der Beschwerden im Vergleich zur Placebo-Gruppe. Die Produkte gehören zu den häufigsten in Kanada und den USA verkauften Probiotika – und sind in der Indikation vermutlich nicht wirksam. Andere Indikationen oder andere Bakterienvertreter wurden nicht getestet, dafür wären dementsprechend weitere Untersuchungen nötig.

Farina Haase,
Apothekerin, Volontärin

Quelle: Ärzteblatt

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