Kolumne | PTA in Zeiten von Corona
WOCHE 5
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Übersichtlich dargeboten in den gläsernen Schaukästen auf dem HV, da liegen sie nun: OP-Masken aus Vlies. FFP2-Masken. Und auf 60 Grad waschbare Stoffmasken in verschiedenen Designs.
Die Kunden können ihr Glück gar nicht fassen. Denn wer bisher kein Familienmitglied hatte, das versiert an der Nähmaschine war, ging meist leer aus: Da mussten Tücher und Schals herhalten (im Frühsommer durchaus hitzestauend) oder Stoffteile mit lustigen Walfischen, denen man die Herkunft aus den Kinderzimmerschränken ansah. Denn es hatten ja auch alle Handarbeitsläden geschlossen! Jetzt haben unsere Kunden die Auswahl aus a) englische Rose, b) dezentem Bleu mit weißen Pünktchen und c) goldene Bäumchen auf schwarzem Untergrund.
Ja, am Ende des Tages fühle ich mich durchaus wie die Verkäuferin eines gutgehenden Bekleidungsgeschäftes. Natürlich haben wir unser „Sortiment“ kontingentiert und in unserem Bundesland besteht auch keine Maskenpflicht. Aber man weiß ja nie, was noch kommt, scheinen die Kunden zu denken. Und Recht haben Sie, schaut man sich alleine die Land- und Städtekreise an, die seit Montag langsam in puncto Maskenpflicht nachziehen.
In unserer Apotheke, die aus einer breiten Basis von Stammkunden besteht, haben sich alle arrangiert. Wir, die wir ganz selbstverständlich die Offizin nur noch mit Schutzkleidung betreten; unsere Kunden, zum Großteil ebenfalls mit Mund-Nasenschutz, indem sie sich am Desinfektionsspender am Eingang bedienen und nach dem Einkauf routiniert die EC-Karte zücken und in den kleinen Behälter mit Wattestäbchen greifen, um die Tasten des Lesegerätes zu bedienen.
Der Kundenstrom hat zwar etwas nachgelassen und es stauen sich jetzt nicht mehr so viele auf dem Bürgersteig vor der Apotheke, doch wir diskutieren bereits die nächste Woche: „Kommt jetzt wieder der Ansturm auf die Apotheken?“ fragt apotheke adhoc*. Wenn am Montag die kleineren Geschäfte wieder öffnen, werden sich auch wieder mehr Menschen im öffentlichen Raum bewegen.
Am Abend nach der Arbeit husche ich noch schnell in den nahe liegenden Supermarkt. Und bin total irritiert: Trotz Maskengebotes der Bundesregierung trägt hier kein Mensch einen Mund-Nasenschutz. Ich komme mir vor wie ein Bankräuber, als ich mit meinem selbstgenähten Modell den Laden betrete. Ich bin die einzige, die hier sowas trägt! Gerade, als ich überlege, die Maske abzunehmen, bin ich auch schon an der Kasse. Die Kassiererin, hinter einer Glasscheibe, bemüht sich gerade, Gummihandschuhe überzustreifen. Entschuldigend lächelt sie mich an. Ich kann ihre Gesichtsmimik so gut erkennen, weil sie keinen Mundschutz trägt.
Während sie sich wacker bemüht, das Latex über ihre Finger zu bekommen, sage ich: „Das geht immer so schlecht, wenn die Hände feucht sind, nicht wahr?“
„Da sagen Sie was. Und dann hab ich auch noch Neurodermitis. Ich krieg immer so einen Ausschlag von den Dingern…“
„Ziehen Sie sich doch einfach dünne Baumwollhandschuhe drunter“, sage ich.
„Ja, wenn ich nur wüsste, wo ich die kriege…“
„Bei uns in der Apotheke“, entgegne ich (da ist sie wieder, die Verkäuferin).
„Echt! Sowas gibt es??“
Sie ist so begeistert, dass die anderen Kunden zu uns schauen.
„Ich komme gleich morgen früh zu euch!“
Unsere Autorin Alexandra Regner, PTA und Journalistin, berichtet in dieser Kolumne aus ihrem Apothekenalltag. „PTA in Zeiten von Corona“ erscheint einmal wöchentlich online auf www.diepta.de. Ihre letzte Kolumne finden Sie hier.
Es ist Freitagabend, und es dämmert bereits, als ich meine Einkäufe ins Auto packe. Bin gespannt, wie sich das mit dem Maskengebot noch entwickelt, denke ich. Jetzt, am Montagmorgen, sitze ich an meinem Schreibtisch. Das Handy brummt. Herein kommt eine Push-Meldung: Aus dem Gebot wird eine Pflicht. Auch das Bundesland Bayern führt nun das obligatorische Tragen eines Mund-Nasenschutzes in Läden und im öffentlichen Personennahverkehr ein.
Alexandra Regner,
PTA und Journalistin