Krankheiten berühmter Persönlichkeiten
ZU TODE KURIERT
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Die Ärzte haben mehr Menschenleben auf dem Gewissen als die Generäle – dies ist ein überlieferter Ausspruch von Napoleon Bonaparte , französischer General, Staatsmann und Kaiser, der letztlich elend in der Verbannung auf der abgeschiedenen Insel St. Helena verstarb. Wenn sich Bonaparte zumindest bei seinen frühen Feldzügen selbst nach Außen hin seiner eisernen Gesundheit rühmte, dann log er.
Im Laufe seines Lebens hatte er chronische Ekzeme, ständigen Husten, Fieberanfälle, Harnbeschwerden, Darmstörungen und Malaria. In Briefen an seine Frau Joséphine während des Italien-Feldzugs 1797/1798 klagte er über Husten, Migräne, Fieberanfälle, Hämorridalbeschwerden, Magen- und Blasenkrämpfe.
Napoleons berühmte abgewinkelte Armbewegung ist wohl einerseits sicherlich auf imperiales Getue, andererseits aber auf heftige Schmerzen im rechten Oberbauch zurückzuführen. Oft knöpfte er die Weste auf und presste die Hand auf die schmerzhafte Stelle. Sein Vater wie auch zwei Schwestern waren an Magenkrebs gestorben – und so litt auch Napoleon Bonaparte seit frühester Jugend unter der Angst, daran zu erkranken.
Ausgepowert Napoleon Bonaparte fühlte schon mit knapp vierzig Jahren, dass bei ihm das Altern schneller voranschritt als bei anderen Menschen. Er wurde recht korpulent, seine vorher körperliche Agilität ließ stark nach, die gefürchteten Magenkrämpfe suchten ihn immer häufiger heim, Hämorriden machten ihm das Reiten zur Tortur.
Am schlimmsten aber für ihn waren plötzliche Müdigkeitsattacken. Überliefert ist: Unmittelbar vor der Schlacht von Austerlitz (2. Dezember 1805), auch Dreikaiserschlacht genannt, schlief Napoleon so fest ein, dass es seinen Offizieren nur mit viel Anstrengung gelang, ihn wachzurütteln. Dabei litt der rastlose Stratege vermutlich nicht unter Narkolepsie, der „Schlafkrankheit“, wie immer wieder mal geschrieben wurde, sondern einfach darunter, dass er permanent unmenschlichem Stress ausgesetzt war und viel zu wenig schlief. Dennoch gewann er damals.
Doch das Blatt wendete sich: Während er früher Schlachten zu seinen Gunsten entschied, weil er andere genauso an die Grenzen des Machbaren trieb wie sich selbst, verlor er immer häufiger im Kampf, insbesondere auch nach dem kläglich endenden Russlandfeldzug 1812, weil sein geschwächter Körper nach Schlaf verlangte und Magenkrämpfe ihn zur Verzweiflung trieben. Nichtsdestotrotz hatte Napoleon eigentlich keinen Grund, den Medizinkünsten der Ärzte zu misstrauen.
VORSCHAU
In unserer neuen Serie „Krankheiten berühmter Persönlichkeiten“ stellen wir Ihnen demnächst folgende Menschen vor:
+ Ronald Reagan (Hörprobleme/Tinnitus/Alzheimer-Demenz)
+ Ludwig van Beethoven (schwerhörig/Tinnitus/Morbus Crohn)
+ Vincent van Gogh (Ohrensausen/Tinnitus, schizoaffektiv, bipolar]
+ Papst Johannes Paul II. (Parkinson)
+ Sven Hannavald (Burnout/psychologische Krankheiten)
+ Evita (Gebärmutterkrebs)
+ Sigmund Freud (Gaumenkrebs)
+ Ludwig II (Hirnhautentzündung und Folgen)
+ Friedrich Nietzsche (paranoide Schizophrenie)
Als General hatte er immer wieder beobachten können, wie flinke Chirurgen seine Soldaten zusammenflickten. Er selbst profitierte bei seinem Hämorridalleiden von einer Blutegeltherapie, bei einem unangenehmen Furunkel 1809 von einem Blasenpflaster. Dass das Fleckfieber, hervorgerufen durch Kleiderläuse (Rickettsien), manchmal auch Kriegs- oder Hungertyphus genannt, während des Russlandfeldzugs die Napoleonische Armee ruinierte, ist Schicksal, da Antibiotika zur Behandlung damals noch unbekannt waren.
Die Hölle von St. Helena Während seiner Verbannung durch die feindlichen Alliierten auf die öde, kleine britische Insel St. Helena, mitten im südlichen Atlantik, lernte Napoleon allerdings die Schrecken der damaligen ärztlichen Künste kennen. Die Ärzte der damaligen Zeit wussten allgemein nichts von Bakterien oder Viren, kannten weder die Bedeutung der Hygiene, noch die einer gesunden Ernährung. Das Klima auf der 2000-Einwohner-Insel war feucht, aber tropisch heiß.
Dokumentiert ist, dass das kleine Farmhaus in dem Napoleon untergebracht wurde, voller Schimmel, die Wände mit arsenhaltiger Farbe gestrichen waren. Dieses ungünstige Klima wirkte sich deutlich verschlechternd auf Napoleons allgemeinen gesundheitlichen Zustand aus. Sein erster Arzt vor Ort, der Brite Dr. Barry O‘Meara, diagnostizierte recht bald eine Leberentzündung bei Napoleon, stellte also eine Amöben- und Hepatitisthese auf.
Amöbeninfektionen traten auf St. Helena öfters auf. Da der britische Inselkommandant Sir Hudson Lowe es jedoch für gut hielt, wenn der prominente Gefangene „an einer langwierigen Krankheit dahinschwindet, damit unsere Ärzte eine natürliche Todesursache feststellen können“ und eine Leber- oder Amöbeninfektion nicht in dieses Bild passte, wurde der britische Arzt kurzerhand abgelöst und durch Dr. Francesco Antommarchi, einen korsischen Chirurgen, genaugenommen Pathologen, ersetzt.
»Napoleons Vater wie auch zwei Schwestern starben an Magenkrebs.«
Dieser verordnete gegen die Leber- und Magenschmerzen Salmiak und Opium, Schwefel, hochdosiertes Kalomel (Quecksilberchlorid), Brechweinstein, schröpfte seinen Patienten – und blieb ansonsten meistens unerreichbar in Jamestown, der Hauptstadt von St. Helena. Napoleon misstraute ihm zutiefst, wie seine Bemerkung „Ich würde Antommarchi eher mein Pferd zum Sezieren anvertrauen als meinen eigenen Fuß“ verrät.
Der aufgrund des immer schlimmeren Gesundheitszustands von Napoleon zusätzlich hinzugezogene britische Militärarzt Dr. Archibald Arnott bezeichnet Napoleon als Hypochonder und traktierte ihn mit Chinarinde, hochdosiertem Kalomel, Brechmittel und Klistieren weiter. Am 5. Mai 1821 starb Napoleon mit 51 Jahren – und wurde damit von seinem Leiden und seinen Ärzten erlöst.
Gerüchteküche Nach einer Obduktion unter der Oberaufsicht von Dr. Antommarchi, aber im Beisein vieler anderer Ärzte und Generäle, lagen schließlich vier unterschiedliche Berichte vor. Das offizielle Protokoll der Briten weist als Todesursache einen Magentumor aus. Danach ist Napoleon an fortgeschrittenem Magenkrebs, womöglich sogar als Familienleiden gestorben.
Die französische Seite hatte eher Interesse daran, die schlechten Haftbedingungen, die „trockene Guillotine“ St. Helenas, als ursächlich anzuprangern. Das Gerücht, Napoleon sei an einer Arsenvergiftung gestorben, wird heute als sehr unwahrscheinlich verworfen. Antommarchi spricht in seinem eigenen Bericht von Leberentzündung, geschwollener Leber.
Zudem will er heimlich zwei Gewebeproben aus dem Darm des Toten konserviert haben, die – fast 100 Jahre später untersucht – eine Amöbeninfektion der Leber ergaben. Deshalb nahm Stefan Winkle, 2006 verstorbener Hygieneprofessor aus Hamburg, eine Amöbenruhr als eigentliche Todesursache an. Dazu würden die Beschreibung der Schmerzen Napoleons, die Gelbfärbung seiner Haut sowie die vergrößerte Leber passen.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 03/14 ab Seite 114.
Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin / Journalistin