© DIE PTA IN DER APOTHEKE
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Kinderkrankheiten

ZAPPELPHILIPP ODER TRÄUMER

Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist nicht heilbar, aber mit einer multimodalen Therapie können die Auswirkungen verringert und die Lebensqualität der Betroffenen und ihrer Familien verbessert werden.

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Komorbidität und Auswirkungen Daneben weist die Mehrheit der ADHS-Betroffenen weitere begleitende Störungen auf, darunter ein gestörtes Sozialverhalten (z. B. Aggressivität). Auch Entwicklungsstörungen, Teilleistungsstörungen wie eine Lese-​Rechtschreib- und/oder eine Rechenschwäche, ein negatives Selbstbild bis hin zu Depressionen und Angststörungen sind bei ADHS häufig. Es liegt auf der Hand, dass Menschen mit ADHS die Anforderungen, die im täglichen Zusammenleben in der Familie, im Kindergarten und spätestens in der Schule an sie gestellt werden, nur schlecht erfüllen können.

Sie geraten immer wieder mit anderen in Konflikt; die Beziehungen zu den Eltern, Geschwistern, Gleichaltrigen, Erziehern und Lehrern sind häufig belastet. Viele Betroffene werden zu Außenseitern, was sich wiederum negativ auf das Selbstwertgefühl auswirkt. Trotz häufig normaler Intelligenz schaffen viele den Schul- und/ober Berufsabschluss nicht. Es können Drogenprobleme bis hin zu Selbstmordgedanken auftreten; das Risiko straffällig zu werden, ist erhöht.

Ursachen Heute geht man davon aus, dass die Ursache der ADHS in einem Ungleichgewicht von Neurotransmittern, besonders Dopamin und Noradrenalin, liegt. Dieses führt dazu, dass Informationen in bestimmten Bereichen des Gehirns, die für die Konzentration, Wahrnehmung und Impulskontrolle zuständig sind, nicht korrekt verarbeitet werden und die Vernetzung der einzelnen Bereiche untereinander gestört ist. Verantwortlich erscheinen sowohl eine genetische Veranlagung als auch Um- weltfaktoren wie eine schwierige oder instabile Familiensituation. Darüber hinaus gehören Frühgeburtlichkeit und Sauerstoffmangel während der Geburt zu den Risikofaktoren für ADHS. Vermutlich werden die Beschwerden dadurch, dass sich Kinder heutzutage immer weniger draußen aufhalten und bewegen, noch verschärft.

Diagnose Manche Betroffene waren bereits als Säuglinge Schreikinder und/oder schon als Kleinkinder anstrengend. Bei anderen treten die Symptome erst im Verlauf der Kindheit auf. Mitunter wird die Diagnose auch erst im Erwachsenenalter gestellt. Wenn die drei Kernsymptome bei einem Kind über einen Zeitraum von mindestens einem halben Jahr in mindestens zwei Bereichen des Lebens – etwa Familie und Kindergarten beziehungsweise Schule – beobachtet werden, sollte eine Abklärung hinsichtlich ADHS erfolgen. Wichtig ist, dass der Arzt über umfassende Erfahrungen mit dieser Erkrankung verfügt. Gleichzeitig sollten auch mögliche Begleiterkrankungen wie zum Beispiel Depressionen erfasst werden, damit sie ebenfalls behandelt werden können.

Multimodale Therapie Fast alle Betroffenen wünschen sich, dass sie besser mit anderen Menschen und den Anforderungen, die an sie gestellt werden, klarkommen. Dies kann mit einer multimodalen Therapie erreicht werden. Die Behandlung setzt sich typischerweise aus einer nicht-medikamentösen und einer medikamentösen Therapie zusammen. Grundlage ist immer die Aufklärung und Beratung (Psychoedukation) der Eltern beziehungsweise Hauptbezugspersonen sowie des Betroffenen selbst über die Behandlung und ihre Behandlungsmöglichkeiten. Nicht-medikamentöse Therapie: Im Rahmen eines Elterntrainings beziehungsweise Interventionen in der Familie lernen die Eltern, wie sie pädagogisch sinnvoll mit Problemsituationen umgehen können, indem sie beispielsweise positive Verhaltensweisen belohnen und auf problematisches Verhalten mit angemessenen Konsequenzen reagieren.

Wichtig ist, dass sie auch lernen, ihr eigenes Verhalten zu beobachten und gegebenenfalls zu ändern. Sinnvoll sind ähnliche Maßnahmen auch im Kindergarten oder der Schule, vorausgesetzt die Eltern geben ihr Einverständnis und die Einrichtung erklärt sich bereit dazu. Jüngere Kinder selbst erlernen meist in Gruppen Konzepte und Strategien, wie sie sich besser konzentrieren und lernen können. Zudem wird die soziale Kompetenz trainiert. Bei älteren Kindern/Jugendlichen kommt als verhaltenstherapeutische Methode vor allem das so genannte Selbstinstruktionstraining zum Einsatz, um das impulsive und unorganisierte Verhalten zu vermindern. Medikamentöse Therapie: Zusätzlich kann eine medikamentöse Behandlung mit Stimulanzien sinnvoll sein.

Bei manchen Patienten wird dadurch eine Teilnahme an nicht-​medikamentösen Therapiemaßnahmen erst möglich. Am bekanntesten ist der Wirkstoff Methylphenidat, der die Wiederaufnahme von Dopamin und Noradrenalin hemmt und so das Ungleichgewicht der Botenstoffe im Gehirn reguliert. Methylphenidat führt zu einer deutlichen Verbesserung der Konzentration und Verminderung der Ruhelosigkeit. Die überwiegende Mehrheit der Betroffenen kommt erheblich besser im Alltag zurecht. Als weitere Wirkstoffe sind der Noradrenalin-Wiederaufnahme-​Hemmer Amoxetin und der Amphetaminabkömmling Lisdexamphetamin für die Behandlung der ADHS zugelassen. Zu den häufigen Nebenwirkungen der Substanzen zählen Appetitminderung, Übelkeit, Schlafprobleme und Müdigkeit. Langzeitnebenwirkungen und Abhängigkeit sind nicht beschrieben.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 09/19 ab Seite 54.

Dr. rer. nat. Anne Benckendorff, Medizinjournalistin

ADHS gehört zu den häufigsten psychischen Störungen im Kinder- und Jugendalter. Weltweit und auch in Deutschland geht man davon aus, dass in der Altersgruppe zwischen 6 und 18 Jahren etwa fünf Prozent betroffen sind – das sind rund eine halbe Million Kinder und Jugendliche hierzulande. Jungen trifft es häufiger als Mädchen. Anders als früher gedacht, wächst sich ADHS nicht aus, sondern die Erkrankung besteht mit etwas veränderter Symptomatik auch im Erwachsenenalter weiter.

Kernsymptome Das Krankheitsbild der ADHS äußert sich in drei Kernsymptomen: Betroffene haben eine Aufmerksamkeitsstörung, sind hyperaktiv und zeigen eine gestörte Impulskontrolle. Dabei können alle drei Symptome etwa gleich stark ausgeprägt sein. Es gibt aber auch den vorwiegend hyperaktiv-impulsiven Typ („Zappelphilipp“) und den vorwiegend unaufmerksamen Typ („Träumer“). Die Aufmerksamkeitsstörung führt dazu, dass sich Betroffene schlecht über längere Zeit auf eine Sache konzentrieren können. Tätigkeiten, die Geduld erfordern, wie Malen oder Basteln, werden möglichst vermieden oder schnell wieder abgebrochen; Betroffene übersehen zudem Details und machen zahlreiche Fehler. Sie können Reize schlecht filtern und Wichtiges nicht von Unwichtigem unterscheiden.

Ständig werden sie deshalb von etwas Neuem abgelenkt. Entsprechend schwer fällt es ihnen, Aufgaben zu strukturieren und konsequent zu Ende zu führen. Immer wieder vergessen sie Dinge. Die eingeschränkte Impulskontrolle bei ADHS äußert sich in unüberlegtem Handeln. Betroffene stören andere Kinder mitten im Spiel, fallen anderen ständig ins Wort, können schlecht warten, bis sie an der Reihe sind und haben Probleme Regeln einzuhalten. Die Hyperaktivität schließlich äußert sich in ständiger körperlicher Unruhe und einem starkem, für die Betroffenen übermächtigen Bewegungsdrang – auch in Situationen, in denen eigentlich Stillsitzen gefordert ist wie etwa beim Essen oder im Unterricht.

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