Einige Himbeeren stehen in einem Holzkörbchen auf dem Tisch.
Die Frambösie verdankt ihren Namen typischen Hautausschlägen, die an Himbeeren erinnern. © KateSmirnova / iStock / Getty Images Plus

Mittelalter | Tropenkrankheit

WURDE DIE SYPHILIS MIT EINER ANDEREN KRANKHEIT VERWECHSELT?

Unerwarteter Fund in einem Massengrab: Selbst seltenen Krankheiten aus dem 15. Jahrhundert kommt man mit den modernen DNA-Methoden auf die Spur. In diesem Fall handelt es sich um ein Pestopfer, das zudem an Frambösie litt.

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Framboise, das heißt auf Deutsch Himbeere. Zu verdanken hat die Ableitung aus dem Französischen die Tatsache, dass bei der Tropenkrankheit zunächst leuchtend rote Pusteln und Ausschläge auftreten. Der Erreger Treponema pallidum pertenue befällt danach Knochen und Gelenke und bewirkt Veränderungen der Knochenstruktur.

Eine Tropenkrankheit aus Westafrika in einem Grab, das in Litauen liegt? Die Forscher waren verblüfft. Sie waren stutzig geworden, als sich in einer 500 Jahre alten Pest-Grabstätte in Vilnius auffallend viele tote Jugendliche und junge Erwachsene fanden. Um herauszufinden, ob es sich bei ihnen auch wirklich um Pestopfer handelt, haben Karen Giffin vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena und ihre Kollegen DNA-Proben aus den Zähnen von 26 Menschen genommen und auf Spuren des Pesterregers Yersinia pestis untersucht.

Sechs der Proben waren positiv. Mit einer neuen Methode, die die Proben-DNA durch ein automatisiertes Verfahren mit den Erbgutabfolgen bekannter Erreger abgleicht, stieß man auf die Frambösie, die man eher in Westafrika als in Europa vermutet hatte, und zwar am Skelett dieser noch relativ jungen litauischen Frau. „Das in Nordeuropa zu finden, in einem Massengrab aus dem 15. Jahrhundert, war unerwartet und hat wichtige Folgen für die Geschichte von treponemalen Krankheiten in Europa“, sagt Giffins Kollegin Kristen Bos. Die Wissenschaftler vermuten, dass der Erreger dieser Krankheit damals von Westafrika aus nach Europa eingeschleppt wurde – durch die Kolonialisierung dieser Region und möglicherweise auch durch den aufkommenden Sklavenhandel.

Und noch eine weitere Tatsache macht diese Feststellung interessant: Sie könnte bedeuten, dass die Frambösie des Öfteren mit der verwandten Syphilis verwechselt wurde – verursacht durch das Bakterium Treponema pallidum pallidum. Gängiger Annahme nach gelangte dieser Erreger zu Kolumbus Zeiten aus der Neuen Welt nach Europa. Als Indiz dafür gilt ein großer Ausbruch dieser Krankheit im Jahr 1495 nach einer Belagerung der Stadt Neapel durch Kaiser Karl VII, kurz nach der Rückkehr des Kolumbus aus Amerika.

Doch der Nachweis der eng verwandten und von ähnlichen Hautausschlägen gekennzeichneten Frambösie im Litauen des 15. Jahrhunderts legt nun nahe, dass es sich hier um eine Verwechslung handelt. „Aufgrund ihrer Ähnlichkeit zu Syphilis und des zeitähnlichen Auftretens ist es möglich, dass die Frambösie zu dem bekannten Ausbruch im15. und 16. Jahrhundert beitrug, den wir normalerweise auf Syphilis zurückführen“, sagt Bos. Dies könnte bedeuten, dass zumindest einige der vermeintlichen Syphilisausbrüche in Wirklichkeit Fälle von Frambösie waren.

Alexandra Regner,
PTA und Journalistin

Quelle: wissenschaft.de

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