Hände tippen auf einer Schreibmaschine.
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Kolumne | PTA in Zeiten von Corona

WOCHE 7

Heute geht es nicht nur um die Apotheke. Sondern auch um Friseure, Schulöffnungen, Talkshows - und persönliche Unzufriedenheit.

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Maskenpflicht! Blöd nur, wenn man keine hat, bevor man die Apotheke betritt. Ein Kunde wusste sich selbst zu helfen und schoss dabei den Vogel ab: Er hängte sich die Henkel einer Stofftasche um die Ohren.

Wir bekamen die verschiedensten Modelle zu sehen, bedienten weiterhin hinter Plexiglas, Maske auf, Handschuhe an, da konnte nichts passieren. Ist jetzt ein alter Hut für uns, die Präsentation der Nasen-Mundschütze aus Vlies, Stoff und Filtermaterial. Die befürchtete Medikamentenknappheit ist (noch) nicht eingetreten, alles gibt es noch in rauen Mengen. Die Kunden strömen wie eh und je herbei, die Software bestellt wie irre Medikamente nach und wir kommen kaum hinterher mit dem Einräumen. Alles wie gehabt.

Ich wog mich in falscher Abgeklärtheit. Lebenserfahren wie ich bin, schaute ich am Morgen mal kurz in den Spiegel und erschrak. An die Falten habe ich mich ja gewöhnt, aber die Haare… Dieser breite graue Streifen auf dem Scheitel, an den Schläfen, das sah ja furchtbar aus, so alt und ungepflegt. Ich schaute auf Instagram bei meinem Lieblingsfriseur rein und erfuhr, dass ab 1. Mai, 10 Uhr, Anrufe wegen Terminvergabe möglich seien. Und gegen Abend kam ich auch endlich durch.

„Ich hätte gern…“
„Mittwoch, 14. Mai, kann ich dir was anbieten.“
„Juchhu! Den nehm‘ ich!“
„Super. Weißt ja, Mundschutz mitbringen, Kaffee gibt’s nicht mehr, Zeitschriften auch nicht.“
„War wahrscheinlich viel los am Telefon“, sage ich mitfühlend.
Meine Friseurin, eine hart arbeitende Frau, stöhnt ein wenig. „Heute Morgen um sieben ging es los. Ich dachte erst, das wäre ein Versehen, aber von da an klingelte es durchgehend…

Meine Schwester freut sich, dass mein Neffe wieder in die Schule darf. Der Neffe freut sich auch. Auch ich habe bereits vor dem Stoffgeschäft angestanden, weil mir das dauernde Maskennähen zu blöd wurde und jetzt mal ein schickes Kleid fällig war. Man ist ja so ausgehungert. Geht es Ihnen auch so? Und erwischen Sie sich auch dabei, dass Sie ein schlechtes Gewissen dabei haben, damit zu hadern, in Ihrer Mobilität eingeschränkt zu sein? Weil, wenn man sich die Ansteckungszahlen und Todesfälle so anschaut, stehen wir ja wohl im Vergleich gut da.

Wir sind hoch angesehen, habe ich gelesen. Also wir, die Deutschen. „Die halbe Welt und ganz Europa schauen bewundernd auf Deutschland“, sagte der bayrische Ministerpräsident am Sonntagabend in einer Talkshow. Manche Ärzte bummeln schon ihren Resturlaub ab, weil auf den freigeräumten Notfallstationen nun doch nix los ist. War wohl ein voller Erfolg mit der Lockdown-Strategie, in Bezug auf die Infektionszahlen. Doch ich nehme an, jetzt geht es los mit der Unzufriedenheit. Die Leute wollen nicht nur wieder raus, sondern die Wirtschaft muss auch wieder anlaufen, sonst nimmt sie irreparablen Schaden. Die Corona-Maßnahmen fangen an, wirklich unbequem zu werden, bis hin zur Existenzgefährdung.

Unsere Autorin Alexandra Regner, PTA und Journalistin, berichtet in dieser Kolumne aus ihrem Apothekenalltag. „PTA in Zeiten von Corona“ erscheint einmal wöchentlich online auf www.diepta.de. Ihre letzte Kolumne finden Sie hier.

Wir in der Apotheke spüren noch nichts von der Ungeduld der Leute. Doch es dräut bereits am Horizont. Nicht mehr lange, und es kommt sicherlich die Sozialfunktion einer Apotheke wieder zum Vorschein: Wir werden unseren Kunden zuhören, wenn sie von ihrem ganz persönlichen Frust erzählen, den abgesagten Feiern zur Goldenen Hochzeit, von nicht stattgefundenen Kindergeburtstagen, von stornierten Urlauben und verhinderten Besuchen der Oma im Altenheim.

Ich ganz persönlich werde mich vor meinem nächsten Einsatz in Demut üben, mich selbst an die Kandare nehmen. Vielleicht leben wir nämlich doch an einem der bestmöglichen Orte in Zeiten von Corona.

Alexandra Regner,
PTA und Journalistin

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