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Kolumne | PTA in Zeiten von Corona

WOCHE 6

Es sind die Tage vor der Maskenpflicht und ich bin manchmal so erschöpft vom ständigen Hin- und Herrennen, dass ich mich am liebsten mit der Kaffeemaschine in der Küche einschließen möchte. Mag aber auch an meinem Alter liegen.

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Ist ja schön, dass man als PTA auch noch mit Mitte 50 gefragt ist. Aaaber, wenn es Tage wie heute sind, ist das in der Apotheke echt kein Zuckerschlecken. Denn alle wollen eine Maske, besser gesagt einen Mund-Nasen-Schutz. Geduldig erklären wir unsere unterschiedlichen Modelle, versichern am Telefon, dass wir sie auch nach Hause bringen, holen ständig neue Kartons aus dem Lager, packen zwischendurch Tüten mit bestimmten Stückzahlen vor. Eigentlich wäre der Tag damit bereits pickepacke ausgefüllt. Doch, ganz klar, sind da noch die ganz normalen Rezepte, die bearbeitet und beliefert werden müssen – wobei des Gesundheitsministers Verordnung, die eine freizügige Interpretation der aufgedruckten Medikamente samt ihrer Rabattvorgaben erlaubt und sogar das Aut-idem-Kreuz unbeachtet in der Ecke stehen lässt, doch einen gewissen Handlungsspielraum erlaubt. Dann sind da noch die Kunden mit Sätzen wie „Ich hab da mal was in einer Anzeige wegen Rückenschmerzen gesehen, wissen Sie, wie das heißt?“ oder „Haben Sie die Masken auch in einer nachhaltigen Verpackung?“. Die Fahndung nach einer japanischen Pneumovax®-Impfung. Die Beratung der vielen schniefenden Pollenallergiker. Und dann noch das Phänomen der gefragtesten tagesaktuellen OTC-Präparate – am Donnerstag, da sind es beispielsweise Ampullen gegen Zecken und Flöhe bei Haustieren. Gottseidank befindet sich ein Tierarzt im Ort.

Da wir keinen Kommissionierautomaten haben, müssen auch noch die vielen ankommenden Arzneimittel in die richtigen Schubladen eingeräumt werden. Die einzige PKA bewältigt das unmöglich allein, also springen wir zwischendurch immer mal wieder ins Backoffice und helfen mit. Am Ende denke ich, wir könnten zwanzig Mann hoch sein, und würden trotzdem der Menge an Packungen nicht Herr. Hat man eine Kiste ausgeräumt, stehen schon zwei neue da. Die Bestellsoftware rechnet natürlich den Bedarf an neuen Sachen hoch und kommt dabei auf ganz erstaunliche Zahlen.

In der Mittagspause setze ich mich in die Sonne, lege meine armen Füße hoch und denke nach: Was haben die letzten sechs Wochen gebracht? Auf der positiven Seite stehen die sinkenden Ansteckungszahlen: Die Reproduktionsrate ist auf unter eins gesunken. Doch mir fallen auch Ungereimtheiten auf. Zuerst hat zum Beispiel das ganze Team von Experten und Politikern im Chor gesungen, dass das Tragen von Mund- und Nasenschutz nichts bringt. Und warum besteht dann jetzt Maskenpflicht in allen Bundesländern? So ganz verstehe ich auch die Sache mit dem Fußball nicht. Warum sollten Spiele mit bis zu 300 Leuten im Stadion erlaubt sein und ein Kind auf einer einsamen Schaukel auf dem Spielplatz nicht? Mir tun auch die vielen Selbstständigen leid, deren wirtschaftliche Existenz nun auf der Kippe steht. Das kleine Restaurant in unserem Ort, das jetzt nur noch Mitnehm-Essen abgeben darf – solange die dafür benötigten Behälter reichen, denn deren Lieferant kommt auch nicht mehr. Ich mag gar nicht daran denken, wie viele Betriebe in die Insolvenz gehen werden. Wird es dann, wie es in einem großen deutschen Boulevard-Blatt zu lesen war, mehr Suppenküchen als Restaurantküchen geben?

Am Wochenende setze ich mich an die Nähmaschine. Meine Lieben brauchen waschbare Masken; sie und ihre Freunde. In dieser Hinsicht bin ich im Moment sehr gefragt. Während ich nähe, fällt mir auf, dass der Motor ein wenig stottert; er wird mal langsamer und mal schneller. Dann schließlich – die Nadel setzt gerade den letzten Stich in eine dunkelblaue Maske mit dezenten Tupfen – die schönste, die ich je angefertigt habe - macht es „Pling!“ und ein lebenswichtiger Knopf springt mir in all seinen Einzelteilen in den Schoß. Der Motor röchelt noch ein wenig, dann verstummt er

Unsere Autorin Alexandra Regner, PTA und Journalistin, berichtet in dieser Kolumne aus ihrem Apothekenalltag. „PTA in Zeiten von Corona“ erscheint einmal wöchentlich online auf www.diepta.de. Ihre letzte Kolumne finden Sie hier.

Ich lasse die Arbeit sinken und schaue erschüttert auf das Gerät. Die Maschine ist fast so alt wie ich und war bereits einmal in der Reparatur. Sie steht auf dem Wohnzimmertisch und rattert so laut wie eine alte Eisenbahn. Ängstlich hatte ich bereits im Internet nachgeschaut; die Firma, die sie hergestellt hatte, gibt es schon längst nicht mehr und auch das Modell, das ich benutze, taucht in den gängigen Foren nicht mehr auf. Ich kannte alle Tricks, um sie noch zum Laufen zu bringen, und sie hat mir trotz ihres asthmatischen Schnaufens über Jahrzehnte Kleidungsstücke mit einwandfreien Nähten abgeliefert. Ok, weder die Fadenspannung noch das Verstellrad des Nähfußes und schon gar keine Knopflöcher gingen am Schluss mehr. Wenn man sie in Gang setzen wollte, musste man gleichzeitig die Fußschaltung treten UND das Handrad drehen. Aber wir hatten uns arrangiert, es funktionierte schon irgendwie.

Immerhin hat sie mir an die dreißig Masken genäht und ist auch über dreifache Faltenlegung samt eingelegtem Gummiband stoisch hinweggerattert. Wenn es an dieser Stelle erlaubt sein darf, möchte ich ihr hinterherwinken: RIP, mein lila Monster im Metallkorpus und mit deinen zehn Kilo Lebendgewicht. Ich werde dich vermissen. Deine Nachfolgerin ist um die Hälfte leichter, hat viel mehr Funktionen und Knopflöcher kann sie auch. Ich brauche sie einfach, um noch mehr Masken zu nähen. Sorry.

Alexandra Regner,
PTA und Journalistin

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