Eine Maus rennt.
Eine laufende Maus - das ist etwas Besonderes, wenn sie zuvor querschnittsgelähmt war. © CreativeNature_nl / iStock / Getty Images Plus

Gentechnik | Nervenzellen

WISSENSCHAFTLICHES NEULAND: ZYTOKINE BRINGEN LAHME MÄUSE ZUM GEHEN

Wenn sich der Forschungsansatz durchsetzen würde, wäre das eine Sensation: Wissenschaftlern der Ruhr-Universität Bochum ist es gelungen, ein gentechnologisch produziertes Zytokin so auf geschädigte Nervenzellen zu setzen, dass diese regenerierten und neue Zellen produzierten – was bisher nicht möglich war.

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Da Nervenzellen innerhalb des Rückenmarks nicht nachwachsen, ist das Schicksal von Querschnittsgelähmten bislang besiegelt: Ihre Lähmungen bleiben lebenslang. Die Ursache liegt in der Schädigung der Nervenfasern – den Axonen - die im Rückenmark Informationen vom Gehirn zu den Muskeln und umgekehrt zurückleiten. Sind die Fasern verletzungs- oder krankheitsbedingt geschädigt, ist die Kommunikation unterbrochen. Und da die Axone nicht nachwachsen können, bleiben Lähmungen und Taubheitsgefühle bestehen. Bislang gibt es noch keine Therapieoptionen, die die verlorenen Funktionen bei Patienten wiederherstellen können.

Designer-Zytokin
Die Bochumer Wissenschaftler arbeiten schon länger mit dem Designer-Zytokin Hyper-Interleukin-6, kurz hIL-6. „Designer“ deshalb, da es in der Natur nicht vorkommt und gentechnisch hergestellt werden muss. Schon früh hatte die Arbeitsgruppe dargelegt, dass hIL-6 die Regeneration von Nervenzellen im visuellen System effizient anregen kann.

Viren als Informationsträger
Aktuell brachte das Team im Mausversuch Nervenzellen des motosensorischen Cortex dazu, Hyper-Interleukin-6 selbst zu produzieren. Dazu nutzten sie Viren, die sie in ein gut zugängliches Gehirnareal injizierten. Dort überbrachten die Viren den Bauplan für die Produktion des Proteins in bestimmte Nervenzellen, die sogenannten Motoneurone. Man wählte sie, da diese Zellen über axonale Seitenäste auch mit anderen für Bewegungsvorgänge wichtigen Nervenzellen des Gehirns verknüpft sind.

Gelähmte Tiere konnten wieder laufen
„So wurde durch die gentherapeutische Behandlung nur weniger Nervenzellen die axonale Regeneration verschiedener Nervenzellen im Gehirn und mehrerer motorischer Trakte im Rückenmark gleichzeitig angeregt“, erklärt Versuchsleiter Professor Dr. Dietmar Fischer. „Das hat es letztlich ermöglicht, dass die so behandelten, zuvor gelähmten Tiere nach zwei bis drei Wochen begannen zu laufen. Dies hat uns am Anfang sehr überrascht, da es noch nie zuvor nach einer kompletten Querschnittslähmung gelungen ist.“

Natürlich ist das Forscherteam nun fieberhaft dabei, mit entsprechenden Maßnahmen die Gabe von Interleukin-6 weiter zu optimieren. Es geht ebenfalls der Frage nach, ob das Zytokin bei Mäusen auch dann positive Effekte erzielt, wenn die Verletzung schon mehrere Wochen zurückliegt. „Dieser Aspekt wäre für eine Anwendung am Menschen besonders relevant“, betont Fischer. „Wir betreten nun wissenschaftliches Neuland“.

Alexandra Regner,
PTA und Medizinjournalistin

Quelle: Deutsches Gesundheitsportal

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