Die prophylaktische Wirkung von ASS gegen Krebs wird immer wieder diskutiert. Nun auch gegen Leberkrebs.© Natali_Mis / iStock / Getty Images Plus

Neue Studien | Evidenz und Risiken

WIRKT ASS VORBEUGEND GEGEN KREBS?

Schützt eine tägliche Einnahme von Acetylsalicylsäure möglicherweise vor Ovarialkarzinom und Leberkrebs? Gleich zwei neue große Studien deuten darauf hin.

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Schon Rudolf Virchow vermutete ja, dass Krebstumore sich auf dem Boden von Entzündungsherden entwickeln; der US-Pathologe Harold Dvorak prägte daraufhin den Satz, Tumore seien „Wunden, die nicht verheilen“. Heute wird die Anwesenheit von Entzündungszellen in Tumoren eher als unzureichender Angriff des Immunsystems auf den Tumor gedeutet. Der mit dem Nobelpreis gewürdigte Forschungsansatz, dass diese Tatsache durch Checkpoint-Inhibitoren verstärkt werden kann, bestätigt das.

Hinweise, dass ASS vor Darmkrebs schützt, gibt es schon länger – denn das Derivat, das ehemals aus dem Extrakt der Weidenrinde hergestellt wurde, vermindert die Bildung von Polypen, aus denen sich die meisten Kolorektalkarzinome entwickeln. In Studien war die Einnahme von ASS über sechs Jahre oder länger mit einem um 19 Prozent verminderten Risiko für Darmkrebs und einem um 15 Prozent verminderten Risiko für jegliche Art von Magen-Darm-Krebs.

Jedoch: Angesichts des bekannten Blutungsrisikos wird derzeit nicht zur Einnahme von ASS geraten. Die mögliche Vermeidung von Darmkrebs wird allenfalls als günstiger Nebeneffekt bei einer ASS-Gabe von Sekundärprävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen betrachtet.

Nun kommen weitere Analysen der prospektiven US-Studien zu dem Ergebnis, dass die Einnahme von ASS auch vor einem Ovarialkarzinom und einem hepatozellulären Karzinom (HCC) schützt. Dabei war für die Frauen, die eine niedrige Tagesdosis von 100 Milligramm (mg) eingenommen hatten, eine um 23 Prozent verminderte Erkrankungsrate nachweisbar. Frauen, die die Standard-Dosis von 325 mg pro Tag eingenommen hatten, erkrankten dagegen tendenziell häufiger am Ovarialkarzinom.

Warum ASS, nicht aber andere NSAID vor dem Tumor schützen, konnte die zuständige Wissenschaftlerin Mollie Barnard von der Harvard T.H. Chan School of Public Health nicht erklären. Auch die fehlende Dosis-Wirkungs-Beziehung ist eine Schwäche in der Beweisführung. Allerdings bestätigen die Ergebnisse eine Reihe von Kontrollstudien, nach denen Frauen, die ASS an mindestens sechs Tagen die Wochen einnehmen, zu zehn Prozent seltener an einem Ovarialkarzinom erkranken.

Die Einnahme von Acetylsalicylsäure hat möglicherweise auch auf hepatozelluläre Karzinome vorbeugenden Einfluss. Diese Lebertumore entwickeln sich in der Regel auf dem Boden einer längeren Hepatitis, die durch Alkoholmissbrauch, Adipositas oder durch Virusinfektionen wie Hepatitis B und C ausgelöst werden. Diese Tumore wie auch das Ovarialkarzinom sind in westlichen Ländern relativ selten. An beiden Erkrankungen leiden in Deutschland jährlich etwa 9000 Menschen, von denen allerdings die meisten innerhalb von kurzer Zeit sterben (etwa 7700 Todesfälle pro Jahr).

Interessante Zahlen ergab die Einnahme von ASS bei Leberkrebs: Eine regelmäßige Einnahme von mindestens 325 mg pro Woche war mit einem um 49 Prozent verminderten HCC-Risiko verbunden. Anders als beim Ovarialkarzinom war auch eine Dosis-Wirkungs-Beziehung nachweisbar, was gleichzeitig die Kausalität nachweist. Dabei stieg die protektive Wirkung mit der zunehmenden Dauer der Anwendung.

Die Bedeutung, die sich aus dieser Studie ergibt, könnte für die Lebertumoren größer sein als für das Ovarialkarzinom. Aber auch die Risiken könnten größer sein: Bei Lebererkrankungen kommt es aufgrund der verminderten Bildung von Gerinnungsfaktoren häufig zu Blutungsstörungen. Die zusätzliche Einnahme von ASS könnte vor diesem Hintergrund die Gefahr von tödlichen Blutungen steigern. Noch kann also die Einnahme von ASS zu Präventivzwecken nicht empfohlen werden.

Alexandra Regner,
PTA und Journalistin

Quelle: Ärzteblatt

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