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Übersäuerung

WIEDER IN BALANCE BRINGEN

Ein aus dem Takt geratenes Säure-Basen- Gleichgewicht bleibt oft lange unbemerkt. Doch langfristige Störungen können ein Risikofaktor für die Pathogenese verschiedener chronischer Erkrankungen sein.

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Der Organismus ist auf ein ausgewogenes Verhältnis von Säuren und Basen angewiesen. Nur bei einem stabilen pH-Wert, der nur in engen Grenzen schwanken darf, können alle Stoffwechselvorgänge optimal funktionieren. Dieses Gleichgewicht ist auch entscheidend für die Struktur und Funktion von Proteinen, die Permeabilität von Zellmembranen, die Tätigkeit von Enzymen und Hormonen, die Verteilung von Elektrolyten sowie die Funktion des Bindegewebes.

Verschiedene Studien konnten inzwischen einen Zusammenhang zwischen einer gestörten Säure-Basen-Bilanz und und dem Auftreten bestimmter chronischer Erkrankungen belegen. Allerdings ist es meist schwer, in der Praxis die Symptome einer chronischen Übersäuerung zu erkennen. Typische Symptome wie Müdigkeit, Konzentrationsmangel, Erschöpfungszustände oder Hautprobleme werden nicht unbedingt auf einen gestörten Säure- Basen-Haushalt zurückgeführt.

Chronische Übersäuerung Der pH-Wert des Blutes liegt mit 7,35 bis 7,45 leicht im basischen Bereich. Verschiebt er sich zum Sauren, liegt eine Azidose vor, die mit akuten Störungen einhergeht, die lebensbedrohlich sein können. Auslöser dafür sind häufig organische Grunderkrankungen, wie beispielsweise schwere Nierenfunktionsstörungen, ein Herz-Kreislauf-Versagen, chronische Lungenerkrankungen oder ein entgleister Diabetes mellitus.

URSACHEN FÜR EINE CHRONISCHE ÜBERSÄUERUNG
+ Ernährung Einseitig mit einem großen Konsum an tierischen proteinreichen Lebensmitteln und zu geringem Verzehr an Obst und Gemüse.
+ Diäten und Fasten Bei verminderter Kalorienzufuhr greift der Körper auf seine Fettreserven zurück, was mit vermehrter Freisetzung an Ketosäuren und damit mit einer Übersäuerung einhergeht.
+ Kurzzeitige intensive Kraftanstrengung Unter anaeroben Bedingungen beim Sport kann es zu einer gesteigerten Produktion von Milchsäure kommen.
 + Krankheiten Verschiedene chronische Erkrankungen gehen mit einem veränderten Stoffwechsel einher, der vermehrt Säure freisetzt.
+ Entzündliche Prozesse Zum Beispiel bei Verletzungen, Verbrennungen, Chemo- und Strahlentherapie wird Gewebe zersetzt und damit proteinabbauende Prozesse in Gang gesetzt, die zu Übersäuerung führen.
+ Alter Mit zunehmenden Jahren lässt die Nierenfunktion nach, sodass weniger Säure ausgeschieden wird.
 + Stress und seelische Belastung Hierbei reagiert der Organismus mit einer Stoffwechselumstellung, wodurch vermehrt Säure gebildet wird.

Verschiebt der Blut-pH-Wert sich nur geringfügig innerhalb des Normbereiches, liegt eine latente Azidose vor, die auch chronische Übersäuerung genannt wird und mit einer verringerten Pufferkapazität des Blutes einhergeht.

Säure- oder basenbildend? Das Säure-Basen-Gleichgewicht wird entscheidend durch die Ernährung beeinflusst. Nahrungsmittel unterscheiden sich in ihren säure- beziehungsweise basenbildenen Eigenschaften. Fleisch, Fisch, Getreide- und Milchprodukte sind aufgrund der enthaltenen Proteine klassische Säurebildner. Besonders säurebildend sind schwefelhaltige Aminosäuren wie Methionin und Cystein, die als Schwefelsäure ausgeschieden werden.

Aber auch Purine aus Fleisch, Phosphate aus Wurstwaren oder Softdrinks sowie Alkohol und Nikotin tragen zu einer chronischen Übersäuerung des Organismus bei. Obst, Gemüse und Salat enthalten hingegen einen hohen Anteil an Basen in Form organisch gebundener Mineralstoffe. Bei den heute üblichen Ernährungsgewohnheiten werden mehr säurebildende als basenbildende Substanzen vom Organismus aufgenommen. Ein verhältnismäßig hoher Verzehr von Protein und Getreideprodukten bei gleichzeitig zu geringem Konsum von Obst, Gemüse und Salat führt zu einer Säurebelastung des Körpers. Im Schnitt wird mit der üblichen Mischkost ein täglicher Säureüberschuss von etwa 50 mmol pro Tag zugeführt.

Sauer heißt nicht säurebildend Nicht alles, was sauer schmeckt oder einen sauren pH-Wert hat, ist säurebildend. Der Geschmack eines Lebensmittels sagt nicht automatisch etwas über seinen Einfluss auf die Säure-Basen-Bilanz aus, zumal unser Körper keine Geschmacksrezeptoren für “basisch” besitzt. Entscheidend ist hingegen welche Abbauprodukte bei der Verstoffwechslung im Organsimus entstehen. Beispielsweise liefern saure Obstsorten wie Zitronen viele Basenäquivalente. Süßigkeiten sind hingegen säurelastig. Allgemein gilt, dass der basische Effekt eines Lebensmittels mit seinem Gehalt an organischen Mineralverbindungen (z. B. Citrate) steigt.

Gut geregelt Säuren fallen nicht nur mit der Zufuhr von Lebensmitteln an, sondern auch bei der Verstoffwechselung von Nährstoffen. Um dennoch den pH-Wert in den verschiedenen Organen innerhalb enger Grenzen zu halten, verfügt der menschliche Organismus über verschiedene Puffersysteme, die einen Säure- oder Basenüberschuss schnell und effizient kompensieren.

ANZEICHEN
Klagen Ihre Kunden über folgende Symptome, sollten Sie an das Vorliegen einer chronische Übersäuerung denken:
+ Schlapp und müde
+ Nervosität
+ Leistungsabfall, Konzentrationsschwierigkeiten
+ Verspannungen
+ Rückenschmerzen, Gelenkbeschwerden
+ Spannungskopfschmerzen, Migräne
+ Hautprobleme, zum Beispiel Cellulite

Puffersysteme bestehen aus einer Säure, die positiv geladene Wasserstoffteilchen (H+-Ionen) freisetzen, und einer Base, die H+-Ionen aufnehmen können. Damit sind sie in der Lage, eine bestimmte Menge an Säuren beziehungsweise Basen abzufangen. Für die Konstanthaltung des Blut-pH von pH 7,35 bis 7,45 ist vor allem der Bicarbonatpuffer verantwortlich. Er macht 75 Prozent der gesamten Pufferkapazität des Blutes aus. Im Blut gelöstes Bicarbonat ist in der Lage Säure zu binden, wobei Kohlensäure entsteht, die zu Wasser und Kohlendioxid zerfällt.

Weitere Puffersysteme sind der Hämoglobinpuffer (Redoxsystem des Hämoglobins in den Erythrozyten) und der Phosphat- und der Proteinpuffer im Blutplasma. Die Puffersysteme müssen jedoch ständig regeneriert werden, da sie sich sonst verbrauchen würden. Das bedeutet, sie müssen die abgefangenen Säuren beziehungsweise Wasserstoffionen wieder abgeben, was über die Lunge und die Nieren erfolgt.

»Durch eine erhöhte Atemfrequenz kann der Körper innerhalb kurzer Zeit beträchtliche Säuremengen entfernen.«

Neben den Puffereigenschaften des Blutes sind damit der Gasaustausch in der Lunge und die Ausscheidungsmechanismen der Niere wesentliche Bestandteile des Regulationssystems, die alle miteinander in einem funktionellen Gleichgewicht stehen. Die Niere entfernt mit dem Urin Säure aus dem Organismus. Als einziges Organ kann sie ohne Basenverlust aktiv H+-Ionen abgeben, die vor allem in Form von Ammoniumionen ausgeschieden werden. Ausreichendes Trinken ist dabei Voraussetzung für eine effektive Säureausscheidung.

Über die Lunge wird das Kohlendioxid ausgeatmet, das bei der Neutralisierung von Säure durch den Bicarbonatpuffer entsteht. Durch eine erhöhte Atemfrequenz kann der Körper so innerhalb kurzer Zeit beträchtliche Säuremengen entfernen.

Kompensation bei Überlastung Bei hoher oder langandauernder Säurebelastung sind allerdings die Puffersysteme überlastet und es werden tiefergelegene Körperbereiche wie Knochen und Bindegewebe zur Aufrechterhaltung eines konstanten pH-Wertes herangezogen. Dies kann besonders im Alter der Fall sein, wenn die Filtrationsleistung der Nieren, die das pH-Gleichgewicht des Körpers regulieren, herabgesetzt ist.

Die Fähigkeit der Niere Säuren auszuscheiden, nimmt mit steigendem Lebensalter ab. Pro Lebensdekade sinkt die Nierenfunktion ab etwa 40 Jahren um zehn Prozent. Bei gleichbleibender säureüberschüssiger Nahrung kommt es daher gerade bei Senioren häufig zu einer chronischen Übersäuerung.

Auswirkungen auf Knochen, Bindegewebe und Muskulatur Langfristig kann es zum Verlust der Knochensubstanz kommen: Eine unterschwellige, systemische Übersäuerung steigert die Aktivität der knochenabbauenden Zellen, der Osteoklasten, und hemmt die Aktivität der knochenaufbauenden Zellen, der Osteoblasten. Auch der Knochenmineralgehalt wird negativ beeinflusst, da eine Übersäuerung die Freisetzung von Kalzium und anderen Mineralstoffen (Magnesium, Phosphat) von der Knochenoberfläche bewirkt, wodurch die überschüssigen Protonen abgepuffert werden. Zudem wird durch die chronische Übersäuerung die Kalziumrückresorption vermindert.

Eine ständige Mineralstoffentnahme (besonders von Kalzium) kann den Knochenstoffwechsel massiv stören und langfristig eine Osteoporose begünstigen. Ebenso resultiert aus einer chronischen Übersäuerung eine verminderte Elastizität und Flexibilität der Bindegewebsstrukturen, da anstelle von Wasser Protonen an Glucosaminglykane des Bindegewebes eingelagert werden. Diese Eiweiß- Zucker-Bausteine verlieren dadurch ihre Wasserbindungsfähigkeit.

Diese ist aber für die Funktion von Knorpel, Sehnen und Bändern von entscheidender Bedeutung, da hierdurch Geschmeidigkeit und Belastbarkeit bestimmt wird. Zudem kann mechanische Belastung schneller zum Gelenkverschleiß führen, woraus Entzündungen sowie Verformungen resultieren. Darüber hinaus führt eine Übersäuerung zu erhöhter Aktivität proteinabbauender Systeme in der Muskulatur, was den Verlust von Muskelprotein begünstigt und wiederum eine mögliche Ursache für einen verstärkten Muskelabbau wie beispielsweise den mit zunehmendem Alter verbundenen Muskelschwund sein kann.

Langfristige Folgen Es gilt heute durch Studien als gesichert, dass eine chronische Übersäuerung am Krankheitsgeschehen verschiedener chronischer Erkrankungen wie beispielsweise einer rheumatoiden Arthritis, chronischer Rückenschmerzen und Osteoporose beteiligt ist. So findet man beispielsweise eine deutliche Ansäuerung der Gelenkflüssigkeit bei Patienten mit rheumatoider Arthritis. Diese Übersäuerung ist mitverantwortlich für deren Schmerzproblematik.

SINNLOS: HARNUNTERSUCHUNG
Eine Messung des pH-Wertes des Urins mit Indikatorstreifen ist nicht geeignet, um eine chronische Übersäuerung festzustellen, da nur die momentane freie Säurekonzentration im Urin, nicht jedoch die insgesamt vom Körper produzierte und über die Niere ausgeschiedene Menge an Säure erfasst wird. 99 Prozent der Säuren liegen im Urin hingegen in gebundender Form vor (z. B. als Ammoniumionen), die sich somit der Messung entziehen. Der pH-Wert des Urin weist zudem physiologische Schwankungen auf. Er variiert je nach Tageszeit, körperlichen Aktivitäten und zugeführten Nahrungsmitteln zwischen 4,5 und 8. Aussagekräftige Werte über den Säurestatus liefern nur besondere Labormessungen, wie die Bestimmung der Nettosäureausscheidung im 24-Stunden-Sammelurin oder die Pufferkapazität der Erythrozyten.

Zum einen wird durch die Entzündung in den Gelenken Säure gebildet, welche die typischen Rheumaschmerzen mitverursacht. Zum anderen steigt die Säurebelastung bei einer chronischen Übersäuerung, sodass die Schmerzen noch verschlimmert werden können. Im Umkehrschluss weisen Untersuchungen darauf hin, dass sich die verursachten Beschwerden durch eine Regulierung des Säure-Basen-Gleichgewichts verbessern lassen.

Basenversorgung über die Ernährung anstreben Zur Förderung der Gesundheit von Knochen und Bindegewebe sollte bei der täglichen Ernährung für die Aufnahme basischer Lebensmittel gesorgt werden. Eine Beurteilung der Auswirkungen einzelner Lebensmittel auf den Säure-Basen-Haushalt ist unter Zuhilfenahme von PRAL-Tabellen (Potential Renal Acid Load) möglich. Negative Werte zeigen einen Überschuss an Basen und positive Werte einen Säureüberschuss an.

Bei der Ermittlung der Tabellenwerte wurde berücksichtigt, dass nicht nur der Gesamtgehalt von Säuren und Basen in Lebensmitteln für den Säure-Basen-Effekt von Bedeutung ist, sondern ebenso die jeweilige Resorptionsquote sowie ihre Verstoffwechslung und ihr Ausscheidungsweg. Generell wirken alle Fleisch-, Fisch- und Milchprodukte, aber auch Brot, Nudeln und Reis auf den Körper sauer, während sämtliches Obst, Gemüse und Salat einen Basenüberschuss zuführen.

Basische Mineralstoffpräparate Wird eine ausreichende Basenversorgung mit Obst und Gemüse entsprechend der offiziellen Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) „fünf Mal täglich frisches Obst und Gemüse“ nicht erreicht, kann zusätzlich durch Basensupplemente der Bedarf an basischen Vitalstoffen gedeckt werden. Diese sollten mindestens zwei bis drei Monate lang zur Anwendung kommen. Es sind verschiedene Produkte zur Basensupplementierung erhältlich. Sie enthalten anorganisch oder organisch gebundene Mineralstoffe.

Dabei sind organische Citratverbindungen besonders empfehlenswert. Sie haben den Vorteil, dass sie erst im Dünndarm resobiert werden, sodass im Gegensatz zu organischen Bicarbonaten Interaktionen mit der Magensäure unterbleiben und eine langanhaltende Stabilisierung des Säure-Basen-Gleichgewichts gewährleist wird. In den Zellen binden die Citratanionen die Säure, welche zu Kohlendioxid und Wasser verstoffwechselt und über die Lunge anschließend ausgeatmet wird.

Empfehlen Sie Ihren Kunden die Basensupplemente zum Essen einzunehmen. Bei gleichzeitiger Einnahme von Arzneimitteln ist ein Sicherheitsabstand von circa zwei Stunden sinnvoll. Die Produkte gibt es in verschiedenen Darreichungsformen, die in Speisen und Getränke eingerührt (Granulat), in Wasser aufgelöst (Instantpulver, Heiß- und Kaltgetränk) oder einfach geschluckt (Tabletten) werden können.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 11/14 ab Seite 14.

Gode Meyer-Chlond, Apothekerin

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