Ist es krank, greift das Herz auch selbst ein – ließe sich das therapeutisch nutzen? © spukkato / iStock / Getty Images Plus

Herzerkrankungen | neue Studie

WIE SICH DAS HERZ SCHÜTZT

Fast jeder vierte Todesfall in Deutschland geht auf ein krankes Herz zurück, obwohl sich die therapeutischen Möglichkeiten durch Medikamente oder operative Eingriffe fortlaufend verbessern. Wissenschaftler der Universität Bonn könnten die Basis für weitere Entwicklungen geschaffen haben.

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Für die Studie wurden 180 Frauen und Männer untersucht, 41 waren gesund, der Rest litt unter chronischen Verengungen der Herzkranzgefäße (das sind jene Gefäße, die den Herzmuskel mit Blut versorgen) oder hatte gerade einen Herzinfarkt hinter sich. Vor allem interessierte sich die Forschergruppe um Privatdozent Dr. Felix Jansen für die Endothelzellen der Probanden beziehungsweise was diese so ins Blut absondern. Gemeint sind sogenannte Mikrovesikel. Diese Bläschen enthalten einen Mix verschiedener Substanzen, sie wandern durch die Blutgefäße, bis sie die richtige Empfängerzelle gefunden haben und ihren Inhalt abliefern können. „Wir wollten nun wissen, ob sich der Inhalt dieser Pakete bei Gesunden und Herzkranken unterscheidet“, sagt Dr. Jansen.

Tatsächlich fand das Team bei herzkranken Menschen vorwiegend miRNA-92a – ein in der medizinischen Forschung nicht ganz unbekannter Stoff. Er spielt wohl bei ganz verschiedenen Erkrankungen eine Rolle. miRNA steht dabei für mikro-RNA, das sind Proteine, die die Aktivität verschiedener Gene regulieren. Der Subtyp 92a greift speziell in das Wachstum und die Neubildung von Blutgefäßen ein. „Wir haben nun im Reagenzglas untersucht, warum Herzpatienten mehr miRNA-92a produzieren“, erklärt Jansen. Ein genauer Einblick in die Mikrovesikelausschüttung von Endothelzellen musste her, also wurden die Zellen kurzerhand in Reagenzgläser verfrachtet und auf Diät gesetzt. Die Zellen schnürten daraufhin miRNA-92a-reiche Mikrovesikel ab, die von anderen Endothelzellen aufgenommen wurden. Dort bremste die mikro-RNA dann ein Gen, das normalerweise das Gefäßwachstum bremst, die Blutgefäßbildung wurde also gefördert. „Wir nehmen an, dass der Körper so auf die schlechte Blutversorgung bei einer Verengung der Herzkranz-Arterien reagiert“, vermutet Jansen. „Das Endothel verschickt dann an benachbarte und weiter entfernte Zellen erhöhte Mengen miRNA-92a. Dadurch wird die Gefäßneubildung und damit die Durchblutung des Herzmuskels gefördert.“

Stellt miRNA-92a am Ende sogar einen neuen potenziellen Wirkstoff dar? „Unsere Studie zeigt nun, auf welchen Wegen der Körper die Substanz selber nutzt, um die Folgen einer koronaren Herzerkrankung abzuwenden“, sagt Jansen. „Eine mögliche Strategie könnte daher sein, bei einer Therapie die mikro-RNA ebenfalls in Vesikel zu verpacken. Diese würden einerseits den Wirkstoff vor Abbau schützen; andererseits könnte man sie so adressieren, dass sie nur zu den geeigneten Zielzellen gelangt.“ Das müssen wohl noch weitere Studien zeigen, auch als Biomarker für differenzierte Diagnosen bei Herzerkrankungen könnte sich das messenger-Protein eignen.

Farina Haase,
Apothekerin, Volontärin

Quelle: Informationsdienst Wissenschaft

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