Schlafstörungen
WENN SCHÄFCHENZÄHLEN NICHT HILFT …
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Empfehlung aus der Selbstmedikation Wer leichte medikamentöse Hilfe wünscht, kann sich in der Apotheke zu den zahlreichen homöopathischen, pflanzlichen und chemischen freiverkäuflichen Mitteln beraten lassen. Sanfte Beruhigung finden die Menschen, die Naturheilmittel und homöopathische Alternativen bevorzugen, bei homöopathischen Mono- oder Komplexmitteln. So ist Coffea ein Mittel der Homöopathie zur Behandlung von Schlafproblemen. Coffea wird in der Homöopathie für die Symptome eingesetzt, die der Kaffee normalerweise auslöst, wenn davon zu viel getrunken wurde: Schlaflosigkeit, Unruhe, Schwindel und Nervosität. Eine Kombination aus Passionsblume (Passiflora incarnata), Hafer (Avena sativa), Kaffee (Coffea arabica) und Zincum isovalerianicum ist ein beliebtes Komplexmittel.
Die Passionsblume reguliert das Nervensystem und mindert so Unruhezustände und nervöse Schlaflosigkeit. Hafer wirkt ausgleichend bei Überforderung und Schlafstörungen. Kaffeesamen und Zincum isovalerianicum, homöopathisch dosiert, sollen Nervosität und Schlafstörungen beseitigen. Die einzelnen Komponenten wirken tagsüber beruhigend, ohne dabei müde zu machen. Gelassenheit und Ruhe helfen, am Abend besser in den Schlaf zu kommen. Ebenfalls bewährt hat sich die Kombination aus Cimicifuga, Cocculus, Cypripedium pubescens, Ignatia, Lilium tigrinum, Passiflora incarnata, Platinum metallicum, Valeriana und Zincum valerianicum.
Pflanzlich Eine gute Wahl in der Selbstmedikation gegen leichte Ein- und Durchschlafstörungen sind klassische Phytopharmaka. Arzneipflanzen, die sich bewährt haben, sind Johanniskraut, Lavendel, Baldrian, Hopfen, Passionsblume und Melisse. Ihre standardisierten Extrakte werden zur Beruhigung und Angstlösung oder bei Schlafstörungen eingesetzt. Welches Mittel für welchen Patienten geeignet ist, muss individuell entschieden werden. Lavendelöl gilt als gute Empfehlung für denjenigen, der unter nervös bedingten Unruhezuständen und daraus resultierenden Schlafstörungen leidet. Im ätherischen Öl sind viele verschiedene Substanzen enthalten, zum Beispiel Linalool und Linalylacetat, aber auch Gerbstoffe und Flavonoide. In Tierexperimenten wurden anxiolytische und beruhigende Eigenschaften des Lavendelöls nachgewiesen.
Die Wirkung wird vermutlich über Beeinflussung des Serotoninstoffwechsels vermittelt. Der Serotonin-1A-Rezeptor spielt eine wichtige Rolle in der Entstehung und Behandlung von Angst und Unruhe. In einer Placebo-kontrollierten Studie konnte gezeigt werden, dass Silexan® über eine Herunterregulierung von Serotonin-1A-Rezeptoren im Gehirn beruhigend wirkt. Die Serotonin- Rezeptor-Bindung wurde in für Angsterleben wichtigen Gehirnregionen signifikant reduziert. Am Abend wird das Kreisen der Gedanken so vermindert und das Einschlafen erleichtert. Die Wirkstoffe des Lavendelöls rufen keine bekannten Wechselwirkungen mit an- deren Arzneistoffen hervor. Da Anwender über Aufstoßen nach Einnahme der ätherischen Ölkapseln berichten, sollten PTA und Apotheker raten, die Kapseln zum Abendessen zu nehmen.
Lavendelöle, Badezusätze mit Lavendelöl oder Duftsäckchen im Schlafzimmer können ebenfalls beruhigen. Extrakte aus der Passionsblume (Passiflora incanarta) sind eine weitere Option, wenn Schlafstörungen eher aufgrund von nervöser Unruhe bestehen. Die wirksamen Inhaltstoffe sind Flavonoide, die die GABA beeinflussen und so zur Entspannung führen. Passionsblumenkraut wird als Tee und in oralen Darreichungsformen angeboten. Wer ein pflanzliches Schlafmittel kaufen möchte, denkt zunächst an Baldrian. Der Bal- drianextrakt aus den Wurzeln von Valeriana officinalis ist bewährt und gut verträglich. Forscher haben festgestellt, dass die Inhaltstoffe des Baldrians Neurotransmitter im Gehirn verändern. Hauptinhaltsstoffe sind Valepotriate und ihre Abbauprodukte, die dosisabhängig entweder beruhigend oder schlafanstoßend wirken.
Die Dosis einzuhalten ist wichtig, denn Unterdosierungen, aber auch Überdosierungen können paradoxe Reaktionen auslösen. So wird die bestehende Unruhe dann noch verstärkt. In der Selbstmedikation können auch Produkte, die lediglich zur Beruhigung dienen und höherdosierte, die zur Verbesserung des Schlafes geeignet sind, empfohlen werden. Weitere pflanzliche Beruhigungsmittel sind Zubereitungen aus Extrakten von Hopfen und Melisse. Diese werden häufig zusammen mit Baldrian als Kombinationspräparate empfohlen. Doch jede Arzneipflanze für sich genommen kann als Tee oder Extrakt als Tropfen oder Tabletten als leichtes Schlaf- oder Beruhigungsmittel angewendet werden. Kombinationspräparate haben den Vorteil, dass sie sich in ihrem Wirkungsspektrum gut ergänzen.
Soll zum ersten Mal ein leichtes Schlafmittel angewendet werden, dann sind die milden Phytopharmaka zu empfehlen. Obwohl sie wegen geringer Evidenz in der Leitlinie nur erwähnt werden, berichten viele Patienten über positive Effekte. Nicht zu vergessen ist eine gewisse Placebo-Wirkung, die bei psychisch bedingten Beschwerden diese verbessert. Tabletten mit Baldrian- oder anderen pflanzlichen Extrakten sind gut verträglich. Bis auf Johanniskrautextrakte besteht bei den anderen kein bekanntes Interaktionsrisiko. Apotheker und PTA sollten auf eine regelmäßige Anwendung hinweisen, denn die maximale Wirkung setzt erst nach zwei bis drei Wochen ein. Als Einschlafhilfe sollte die Tablette etwa eine Stunde vor dem Zubettgehen eingenommen werden.
L-Tryptophan Niedrige Serotoninspiegel können Schlafstörungen begünstigen. Aus der Aminosäure L-Tryptophan wird im Körper Serotonin und Melatonin synthetisiert. Daher soll die Zufuhr von L-Tryptophan das Schlafprofil verbessern. Dosierungen von einem Gramm der Aminosäure in Pulverform sollen eine halbe Stunde vor dem Schlafengehen eingenommen werden. Von Vorteil ist die milde Wirkung, ohne ein Hangover am nächsten Tag zu erzeugen. Es ist kein Abhängigkeitsrisiko bekannt. In der Leitlinie zur Therapie kommt L-Tryptophan allerdings nicht vor.
Chemisch in der Selbstmedikation H1-Antihistaminika der ersten Generation haben mehrere Wirkungen und deshalb auch verschiedene Indikationsgebiete. Sie wirken blockierend an histaminergen Re- zeptoren. Da sie die Blut-Hirnschranke überwinden, haben sie zentrale Effekte im Gehirn. So wirken sie dort sedierend, zusätzlich aber auch antiemetisch und antiallergisch. Zur Behandlung allergischer Beschwerden werden Doxylamin und Diphenhydramin fast gar nicht mehr genutzt, weil die Nebenwirkungen, zum Beispiel die Sedierung, hier nicht gewünscht sind. Die Hauptindikationen der „alten“ Antihistaminika sind Übelkeit, Erbrechen und Schlafstörungen. Allerdings sollten sie nur kurzzeitig zum Einsatz kommen. Sie verbessern das Einschlafen durch die schlafanstoßende Wirkung. Bei Abgabe sollte die Einnahme am Abend etwa 30 Minuten vor dem Schlafengehen empfohlen werden.
Es ist sicherzustellen, dass die Schlafdauer bis zum Aufstehen mindestens acht Stunden beträgt, damit ein Hangover am Morgen nicht die Reaktionsfähigkeit einschränkt. PTA und Apotheker sollten vor der Abgabe nach Vorerkrankungen fragen. So sollten Epileptiker, Patienten mit einem erhöhten Augeninnendruck, Prostatahypertrophie und Miktionsstörungen die chemischen Schlafmittel nicht angeraten bekommen. Problematisch sind die sogenannten „dirty drugs“ (Arzneistoffe, die an vielen verschiedenen Rezeptoren binden) auch aufgrund der anticholinergen Nebenwirkungen bei alten Menschen.
Diese sind Mundtrockenheit, Tachykardie, Obstipation, Harnentleerungsstörungen und Kognitionsstörun- gen. Die H1-Antihistaminika erhöhen außerdem das Sturzrisiko, die QT-Zeit und bergen die Gefahr für ein Delir. Aus diesem Grund werden sie auf der Priscus-Liste für potenziell inadäquate Arzneistoffe im Alter geführt. In der Schwangerschaft sind die H1-Antihistaminika eine Therapieoption, wenn kurzfristig eine schlafanstoßende Wirkung benötigt wird. Der Erfahrungsumfang für den Einsatz in der Schwangerschaft ist relativ groß, auch weil sie gegen Schwangerschaftsübelkeit eingesetzt werden können. Die Studienlage bei den pflanzlichen Sedativa ist im Gegensatz dazu eher dünn.
Vorteil Apotheke Die S3-Leitlinie „Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen“ der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin setzt den Schwerpunkt der Therapie auf die nichtmedikamentösen Maßnahmen zur Verbesserung des Schlafes. PTA und Apotheker übernehmen deshalb bei der persönlichen Beratung zu Schlafstörungen eine verantwortungsvolle Aufgabe. Bei ersten Beschwerden kommen die Patienten zunächst in die Apotheke und suchen dort Rat. Im Gegensatz zu Bestellungen im Internet ohne Beratung, kann im persönlichen Gespräch besser eruiert werden, was die Ursachen für die Schlafprobleme sind, was der Betroffene bisher unternommen hat, ob er seine Schlafbedingungen verbessern kann und ob eine ärztliche Diagnostik nötig ist.
Hilfreich ist es, sich den Medikationsplan des Patienten zeigen zu lassen. Er gibt einen Überblick über die Dauer-Medikamente und die Erkrankungen. Oftmals stören Medikamente den Schlaf. Durch Ver- schiebung der Einnahmezeitpunkte kann die Situation häufig verbessert werden. In der Apotheke können Broschüren und Tipps zur richtigen Schlafhygiene mitgegeben werden. Falls PTA und Apotheker die Schlafstörungen als eine Koerkrankung anderer Beschwerden identifizieren, zum Beispiel einer depressiven Verstimmung, dann gilt es, den Patienten an einen Arzt zu verweisen. Eine wichtige Rolle spielen die Mitarbeiter der Apotheke auch bei der Belieferung von Rezepten, auf den Schlafmittel verordnet werden.
Hier können sie zum einen auf die richtige Einnahme hinweisen, nach möglichen Nebenwirkungen wie dem Hangover am nächsten Tag fragen und auf Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten achten. Bei Erstverordnung sollte der Patient erfahren, dass die Dosierung nur langsam erhöht werden darf, damit die Reaktionsfähigkeit nicht zu sehr eingeschränkt wird. Auch vom gleichzeitigen Genuss von Alkohol sollte explizit abgeraten werden. Wer den Eindruck hat, dass der Patient von Schlafmitteln abhängig ist, sollte versuchen, eine vertrauensvolle Basis im Gespräch zu finden und Wege aus der Abhängigkeit aufzuzeigen.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 01/20 ab Seite 34.
Dr. Katja Renner, Apothekerin
Der rastlose Lebensstil der Menschen in den Industrieländern hat nicht nur Einfluss auf das tägliche Leben, sondern auch auf den Schlaf. Die ständige Erreichbarkeit in unserer digitalisierten Welt führt dazu, dass Beruf und Freizeit, Arbeiten und Ruhen nicht mehr klar getrennt sind. Noch am Abend bestimmt das Smartphone den Takt. Abschalten und zu entspannen ist für viele Menschen fast unmöglich. Die Barmer Ersatzkasse hat 4000 Menschen bundesweit online zum „Schlafen in der digitalen Welt“ befragt.
Laut der Umfrage bleibt ein Drittel der Menschen, die Tablets oder Handys permanent im Schlafzimmer haben, häufig oder immer länger als beabsichtigt auf. Von denjenigen, die keine elektronischen Geräte im Schlafraum haben, sind es nur 15 Prozent. 36 Prozent beklagen außerdem Einschlafstörungen. Außerdem wurde nach der üblichen Schlafdauer gefragt. Diese beläuft sich bei 38 Prozent der Befragten in einer typischen Arbeitswoche auf sechs Stunden und weniger. Nur 18 Prozent geben an, mit ihrem Schlaf vollkommen zufrieden zu sein. Die Studie zeigte außerdem, dass private Sorgen, Stress am Arbeitsplatz und gesundheitliche Probleme ebenfalls Ursachen für Schlafstörungen sind.
RegenerationDie Menschen verschlafen ein Drittel ihres Lebens. Das Bedürfnis nach Ruhe und Schlaf, das sich am Abend einstellt, ist physiologisch ganz normal. Jeder Mensch benötigt seinen Schlaf für die Erholung von Körper und Geist. Während alle äußerlichen Aktivitäten eingestellt werden, laufen die inneren Organe auf Hochtouren, so zum Beispiel die Leber, die Nieren und die Haut. Es werden Hormone aus der Hypophyse ausgeschüttet. Aber auch das Immunsystem ruht nicht, während der Mensch schläft. Der Schlaf verläuft in Phasen, die rein äußerlich erkennbar sind: Schlafphasen ohne schnelle Augenbewegungen wechseln sich mit Schlafphasen mit schnellen Augenbewegungen (den sogenannten REM = rapid eye movement – Phasen) ab.
Träume finden überwiegend in den REM-Stadien statt. Der Non-REM-Schlaf wird in drei Abschnitte unterteilt. Diese unterscheiden sich in Bezug auf die vom Schlafenden erzeugten Gehirnwellen. Der Anteil der erholsamen Tiefschlafphasen ist bei Gesunden in den ersten Stunden des Schlafs besonders hoch; das ist der Schlaf mit den langsamen Wellen. Jemanden aus dieser Schlafphase aufzuwecken, ist am schwierigsten. Während des REM-Schlafs werden die Eindrücke des Tages verarbeitet, Lern- und Speicherprozesse im Gehirn finden statt. Wer eine Störung im physiologischen Ablauf der Schlafphasen hat, fühlt sich am nächsten Morgen nicht erholt. Doch wie viel Schlaf ist normal? Die benötigte Schlafmenge, um gut regeneriert und frisch seinen Alltag bestreiten zu können, ist individuell völlig verschieden.
Säuglinge benötigen am meisten Schlaf, etwa 12 bis 15 Stunden täglich, Erwachsene nur noch etwa sieben bis neun und Senioren sieben bis acht Stunden. Wissenschaftler vermuten, dass die jeweils benötigte Schlafmenge zu einem Großteil genetisch angelegt ist. Die Annahme, dass alte Menschen einen deutlich geringeren Schlafbedarf haben als junge Erwachsene, haben aktuelle Studien widerlegt. Allerdings wird der Schlaf im Alter häufiger durch Schmerzen, nächtlichen Harndrang oder chronische Erkrankungen gestört. Die meisten Senioren haben ein polyphasisches Schlafmuster, mit einem nur leichten, zum Teil unterbrochenen nächtlichen Schlaf und kurzen Schlafperioden über den Tag.
Achtung Schlafapnoe-Syndrom!
Die Schlafapnoe äußert sich mit Atempausen, die länger als zehn Sekunden andauern und öfter als fünfmal pro Stunde auftreten. Männer, vor allem mit Adipositas, sind deutlich häufiger betroffen als Frauen. Die Einnahme von Beruhigungsmitteln, Alkohol und großen Mahlzeiten vor dem Schlafengehen wirken sich negativ aus. Die Apnoe fällt zunächst dem Bettpartner auf. Er hört lautes unregelmäßiges Schnarchen mit Atempausen. Weitere Symptome sind nächtliches Schwitzen, morgendliche Kopfschmerzen und ausgeprägte Müdigkeit am Tag.
Bei der Apnoe kommt es zu einer Verlegung der Atemwege während der Respiration. Der Betroffene ringt nach Luft, die Atemwege öffnen sich ein wenig und Luft kann wieder in die Lunge einströmen. Spürbar wird dieser Vorgang durch hörbare Atempausen und nachfolgende laute Schnarchgeräusche. Problematisch ist, dass diese Patienten in der Nacht dauerhaft schlechter mit Sauerstoff versorgt sind. Insbesondere Patienten mit Herzerkrankungen haben ein hohes Risiko für Komplikationen.
SchlaflosWer ständig in seinem Schlaf gestört wird, entwickelt tagsüber Konzentrationsstörungen, ist gereizt und irgendwann psychisch erschöpft. Längerfristige Einschlaf- oder Durchschlafstörungen können Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes und psychische Erkrankungen begünstigen. Über Ein- und Durchschlafstörungen klagen circa 10 bis 30 Prozent der Deutschen. Laut der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) gelten davon etwa sechs Prozent als behandlungsbedürftig. Sie treten als eigenständige, therapiebedürftige Störung, aber auch im Zusammenhang mit einer Vielzahl chronischer Erkrankungen als Begleitsymptom auf.
Schlafstörungen liegen dann vor, wenn jemand mindestens dreimal pro Woche innerhalb eines Monats unter Ein- oder Durchschlafstörungen leidet. Von Einschlafstörungen ist zu sprechen, wenn regelmäßig mehr als eine halbe Stunde Zeit bis zum Einschlafen vergeht. Bei den Durchschlafstörungen wacht der Betroffene nachts auf und kann mindestens eine halbe Stunde nicht wieder einschlafen. Wenn Schlafstörungen mindestens einen Monat andauern und einen hohen Leidensdruck beim Patienten verursachen, dann sollte eine Behandlung eingeleitet wer- den. Vorrübergehende leichte Schlaflosigkeit ist normal und trifft jeden Menschen gelegentlich. Abzugrenzen sind Beschwerdebilder mit echtem Krankheitscharakter.
Woran liegt es? Generell zählen Mediziner mehr als 90 Störungsbilder des Schlaf- Wach-Verhaltens mit verschiedenen Ursachen. Nach der International Classification of Sleep Disorders (ICSD-2) werden Insomnien, schlafbezogene Atemstörungen, Hyperinsomnien bei organischen und psychischen Erkrankungen sowie Schlafstörungen unterschiedlicher Genese unterschieden. Mediziner sprechen von sekundärer Insomnie, wenn äußere Faktoren für die Schlafstörungen verantwortlich sind. Probleme mit dem Ein- oder Durchschlafen sind oft Folge einer anderen Erkrankung. Beispiele sind das Schlafapnoe-Syndrom, das Restless-Legs-Syndrom, Schlafstörungen infolge von Schmerzen, psychischen Erkrankungen, COPD oder Asthma bronchiale. Schlafstörungen, die mit anderen Erkrankungen im Zusammenhang stehen, können nur durch Therapie der Grunderkrankung behoben werden.
Auch Medikamente können den Schlaf aus dem Takt bringen. Arzneimittel, die das Einschlafen verschlechtern, sind zum Beispiel Psychopharmaka wie selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer, zum Beispiel Citalopram, Sertralin oder Fluoxetin. Hier ist es besonders wichtig, dass PTA und Apotheker auf den richtigen Einnahmezeitpunkt am Morgen hinweisen. Sympathomimetika in Erkältungsmitteln haben ebenfalls aktivierende Wirkung und können abends eingenommen zu Schlafstörungen führen. Auch der lipophile Betablocker Metoprolol löst diese Nebenwirkung bei einem Teil der Patienten aus. Wer Diuretika benötigt, kennt den vermehrten Harndrang. Mehrfach in der Nacht „raus zu müssen“, ist ein häufiger Grund für mangelnde Therapietreue bei Patienten, die Entwässerungsmittel verordnet bekommen. Die Lebensführung nimmt ebenfalls deutlichen Einfluss auf den Schlaf. So klagen Schichtarbeiter mit wechselnden Tag- und Nachtschichten über gestörten Schlaf.
Aber auch schlechte Schlafbedingungen, wie zum Beispiel eine durchgelegene Matratze, zu hohe oder zu niedrige Raumtemperatur, Lärm und Licht als Störfaktoren müssen in Betracht gezogen werden. Unterschieden werden die Insomnie, also der Schlafmangel und Störungen des Schlafverlaufs bezüglich der Dauer, der Qualität und des Eintrittszeitpunkts aufgrund emotionaler Ursachen, die als Dyssomnien bezeichnet werden. Unter der nichtorganischen Hypersomnie ist eine extreme Tagesschläfrigkeit mit Schlafanfällen, die nicht auf einen objektiven Schlafmangel zurückzuführen ist, zu verstehen. Dieses seltene Störungsbild kommt zum Beispiel zusammen mit psychischen Erkrankungen wie der bipolaren Störung vor. Als Parasomnien werden unnormale Episoden während des Schlafes, zum Beispiel Schlafwandeln und Albträume bezeichnet. Hier ist die Ursache in der Regel bei psychischen Faktoren zu finden.
Das sollten Sie Ihren Kunden fragen:
+ Wie äußern sich Ihre Schlafprobleme?
+ Wie häufig bzw. seit wann haben Sie die Schlafstörungen?
+ Bringen Sie die Schlafstörungen mit bekannten Ursachen in den Zusammenhang, wie Stress, aktuellen Ereignissen, Erkrankungen oder mit Ihrer Schlafumgebung?
+ Wann gehen Sie abends zu Bett und wie lange schlafen Sie bis zum ersten Aufwachen?
+ Schlafen Sie über Tag, wenn ja, wie lange?
+ Beschreiben Sie Ihr Schlafritual am Abend.
+ Trinken Sie abends Alkohol?
+ Wann nehmen Sie Ihr Abendessen ein? Wie umfangreich ist es?
+ Gibt es Vorerkrankungen oder Dauermedikamente, die berücksichtigt werden sollten?
+ Welche Maßnahmen haben Sie bereits ergriffen – medikamentös/nichtmedikamentös?
DiagnostikDie Betroffenen empfinden einen hohen Leidensdruck bei dauerhaften Schlafstörungen, denn sie spüren Müdigkeit und klagen über fehlende Leistungsfähigkeit am Tage. Zu bedenken sind die Risiken der Tagesschläfrigkeit zum Beispiel im Straßenverkehr. So sollten PTA und Apotheker Betroffene in der Apotheke umfassend befragen, um die Grenzen der Selbstmedikation zu erkennen. Wenn andere Erkrankungen, Medikamente oder ein unklares Beschwerdebild ohne bisherige Abklärung vorliegen, sollte der Patient zum Arzt geschickt werden. Werden Ursachen in der Lebensführung (Ernährung, Schlafgewohnheiten, Bewegungsmangel und leichter Stress) identifiziert, können in der Apotheke Empfehlungen zur Schlafhygiene und zur kurzfristigen Selbstmedikation gegeben werden.
In der Arztpraxis wird eine ausführliche Anamnese zur Einordnung der Schlafproblematik vorgenommen. Das Führen eines Schlaftagebuchs hilft, weitere Informationen über schlafstörende Faktoren zu gewinnen. Sehr sinnvoll ist auch, den Bettnachbarn einzubeziehen, um Schnarchen, Atemaussetzer und unruhiges Schlafverhalten zu erkennen. Eine weitere körperliche Untersuchung soll organische Ursachen ausschließen. Bei bestehenden Beschwer- den kann die Diagnostik im Schlaflabor erforderlich sein. Hier werden meistens in zwei aufeinanderfolgenden Nächten Untersuchungen zur Schlafstruktur, der Schlafphasen, der nächtlichen Bewegungen, Herzrhythmus und der Atmung vorgenommen.
In den Schlaf findenDie Therapie der Schlafstörungen ist mehrschichtig. Die Basis besteht in der Schulung einer guten Schlafhygiene. Viele Patienten sind sich gar nicht bewusst, dass ihre Lebensführung für den gestörten Schlaf verantwortlich ist. Die S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) verweist als erstes auf verhaltenstherapeutische Maßnahmen. So sind Entspannungsübungen wie die progressive Muskelrelaxation nach Jacobsen, Achtsamkeitstraining und Bewegung wichtige Techniken, um zu lernen abzuschalten und dann auch in den erholsamen Schlaf zu finden. Einen Versuch wert ist es, den Schlaf einzuschränken, sodass ein leichtes Schlafdefizit entsteht, das den Schlafdruck am Abend erhöht.
Wenn diese Maßnahmen nicht ausreichen, sollte eine Therapie mit Hypnotika erwogen werden. Bei der Auswahl sollten die individuellen Bedingungen des Patienten zu Vorerkrankungen und Unverträglichkeiten beachtet werden. Bei der Verordnung von Sedativa sind einige Grundsätze zu beachten.
Die 6-K-Regel besagt:
- Klare Indikation
- Kleinstmögliche Dosis
- Kurze Verordnungsdauer
- Kein abruptes Absetzen
- Kontraindikationen und Interaktionen beachten
- Kombination mit nichtmedikamentösen Methoden
Mit diesen Prinzipien soll zum einen die individuelle Verträglichkeit sichergestellt und zum anderen das Risiko einer Suchtentwicklung gesenkt werden.Um das Abhängigkeitspotenzial zu reduzieren, gibt es unterschiedliche Therapiestrategien, zum Beispiel die Standardintervalltherapie mit maximaler Dauer von einem Monat und Absetzen für einen Monat und eventuell erneuter Behandlungseinheit sowie die intermittierende Gabe des Schlafmittels zwei- bis dreimal pro Woche. Als verschreibungspflichtige Sedativa bei Schlafstörungen werden Benzodiazepine, Antidepressiva, niedrigpotente Neuroleptika und Z-Substanzen verordnet.
Achtung kurze Therapie Früher waren Benzodiazepine die Allzweckwaffe gegen Schlafstörungen und Ängste. Sie wurden seit den 1960er Jahren groß- zügig wegen der großen therapeutischen Breite und ihres Sicherheitsprofils eingesetzt. Benzodiazepine haben antikonvulsive, muskelrelaxierende und sedierende Eigenschaften, hingegen kein erhöhtes kardiales oder renales Risiko. In den letzten beiden Jahrzehnten haben die Verordnungszahlen deutlich abgenommen, weil die Substanzen dieser Wirkstoffgruppe ein hohes Abhängigkeitspotenzial aufweisen. Bereits nach wenigen Wochen stellt sich eine deutliche Toleranzentwicklung ein, sodass die Benzodiazepine nach heutigen Erkenntnissen maximal vier bis sechs Wochen eingesetzt werden sollen. Die pharmakologische Wirkung beruht auf der Bindung an GABAA-Rezeptoren (gamma-Aminobuttersäure).
Die gamma-Aminobuttersäure ist der wichtigste inhibitorische Neurotransmitter im ZNS und steuert die Signalweiterleitung, die für den Schlaf, die Hirnströme, Gefühle von Angst und vieles mehr verantwortlich ist. Benzodiazepine verstärken die Wirkung von GABA am Rezeptor. Benzodiazepine unterscheiden sich im Wesentlichen aufgrund ihrer Halbwertzeiten. Zu beachten ist, dass die Metabolite auch ihrerseits zum Teil noch aktiv sind und ebenfalls lange Halbwertzeiten haben. So sollte Diazepam aus diesem Grund nicht bei älteren Patienten eingesetzt werden, weil die Gefahr der Akkumulation und der erhöhten Sturzgefahr besteht. Wenn Benzodiazepine als Schlafmittel verordnet werden, sollten Wirkstoffe wie Oxazepam und Lorazepam mit kurzen Halbwertzeiten bevorzugt werden.
Im höheren Alter sind Benzodiazepine nicht die erste Wahl, da sie häufig zum Hangover am nächsten Tag führen, Muskelschwäche, Mattigkeit empfunden wird und das Risiko für ein Delir und demenzielle Symptome verstärken. Die Einschränkung des Reaktionsvermögens ist zu beachten, wenn berufstätige Patienten Benzodiazepine einnehmen und am nächsten Morgen mit dem Auto zur Arbeit fahren oder an Maschinen arbeiten. Menschen, die in der Vorgeschichte bereits Substanzmissbrauch betrieben haben, sollten keine Benzodiazepine einnehmen. Risikogruppen sind Patienten mit psychischen Erkrankungen, Menschen mit chronischen Schmerzen, Alkoholiker und Menschen mit chronischen Schlafstörungen.
Die Kombination mit Alkohol, Drogen und Psychopharmaka kann zu Atemdepression und Kreislaufstillstand führen. Die gemeinsame Einnahme mit Clozapin und Olanzapin ist absolut beziehungsweise relativ kontraindiziert. Patienten mit COPD, Schlafapnoe-Syndrom oder Myasthenia gravis sollten ebenfalls nicht mit Benzodiazepinen behandelt werden. In der Schwangerschaft können Wirkungen auch das Kind betreffen, da die Arzneistoffe plazentagängig sind. Der Dauergebrauch kann beim Neugeborenen das „Floppy Infant Syndrom“ mit Muskel- und Trinkschwäche hervorrufen. Die Z-Substanzen Zopiclon und Zolpidem haben ebenfalls gute Wirksamkeit bei Einschlafstörungen. Im Vergleich zu den Benzodiazepinen haben sie kürzere Halbwertzeiten, Zolpidem eine bis drei Stunden; Zopiclon fünf bis acht Stunden.
Deshalb eignen sie sich weniger zur Behandlung von Durchschlafstörungen. Sie sind verträglicher und haben ein geringeres Abhängigkeitspotenzial. Z-Substanzen setzen ebenfalls am GABAA-Rezeptor an, allerdings mit einer anderen Selektivität. So haben sie keine antiepileptische Wirkung, verbessern jedoch den Schlaf. Nach längerer Einnahme besteht hier auch ein Gewöhnungseffekt, wenn auch geringer als bei den Benzodiazepinen. Wegen der kürzeren Halbwertzeiten kommt es seltener zum hang over. Nebenwirkungen wie Schwindel, eingeschränkte Kognition und Sturzgefahr beschränken die Anwendung im Alter. Laut Priscus-Liste sollen bei Patienten ab 65 Jahren Dosierungen von 5 Milligramm Zolpidem und 3,75 Milligramm Zopiclon nicht überschritten werden.
Bei korrekter Anwendung von Benzodiazepinen und Z-Substanzen über einen kurzen Zeitraum (bis zu vier Wochen) haben sie wenig Einfluss auf den wichtigen REM-Schlaf; die Schlafstadien II und III werden verlängert und das Stadium IV verkürzt. Nach Absetzen der Substanzen kann es zu einem unerwünschten REM-Rebound, also einem erhöhten Anteil von REM-Schlafphasen, kommen. Das bedeutet, dass der Patient sehr intensive und lange Traumphasen hat, die ihn unerholt aufwachen lassen. Tagsüber fühlt sich der Patient dann gerädert und gereizt, was den erneuten Griff zur Tablette und den Einstieg in einen Teufelskreis begünstigt. Bei längerer Einnahme kann sich durch den Rebound sogar eine völlige Schlaflosigkeit einstellen.
AntidepressivaWegen der Risiken von Benzodiazepinen und Z-Substanzen, bevorzugen viele Ärzte für die dauerhafte Therapie von Schlafstörungen andere Arzneistoffe mit einem Sedierungspotenzial. Antidepressiva wie Mirtazapin und trizyklische Antidepressiva weisen ein geringes bis kein Abhängigkeitspotenzial auf, und auch die sogenannte Rebound-Insomnie bleibt nach Absetzen aus. Sie werden in der Regel in niedrigeren Dosierungen eingesetzt als zur Therapie der unipolaren Depression. Bei Doxepin verschreiben Ärzte zum Beispiel meist 10 bis 50 Milligramm (mg), während zur Behandlung von Patienten mit Depressionen 100 bis 300 mg erforderlich sind. Sedierende Antidepressiva werden häufig eingesetzt, wenn die Schlafstörungen mit einer depressiven Symptomatik einhergehen.
Als reine Schlafmittel kommen sie off-label zum Einsatz. Von Nachteil sind vor allem die anticholinergen Eigenschaften sedierender trizyklischer Antidepressiva. Mirtazapin hat zusätzlich ein leichtes Risiko, die QT-Zeit im EKG zu verlängern. Antidepressiva können auch die REM-Schlafphasen unterdrücken. Ein Wirkstoff, der den REM-Schlaf nicht verändert, deshalb gerne als Schlafmittel bei alten Menschen verordnet wird, ist das trizyklische Antidepressivum Trimipramin. Neben Doxepin und Trazodon gehört Trimipramin zu den Arzneistoffen, die in kontrollierten klinischen Studien bezüglich Sicherheit und Wirksamkeit bei der Therapie von Patienten mit primärer chronischer Insomnie am besten bewertet wurden.
AntipsychotikaGerade in der Gerontopsychiatrie werden Substanzen mit beruhigender und antipsychotischer Wirkung verordnet. Die niedrigpotenten Antipsychotika der ersten Generation Pipamperon und Melperon haben eine Indikation für die Behandlung von Schlafstörungen. Sie sind relativ gut verträglich, weil sie kaum anticholinerge Nebenwirkungen hervorrufen. Dennoch ist zu beachten, dass die antidopaminergen Wirkungen bei Patienten mit Morbus Parkinson kontraproduktiv sind und Übelkeit, Erbrechen, zentrale Störungen und Bewegungsstörungen hervorrufen können. Pipamperon kann die QT-Zeit verlängern und sollte bei Risikopatienten mit kardialen Vorerkrankungen und anderen QT-Zeit-verlängernden Medikamenten nach Risiko-Nutzen-Abwägung eingesetzt werden.
Melatonin Der Schlaf-Nacht-Rhythmus wird physiologisch durch vom Körper gebildetes Melatonin, das aus Serotonin als Vorstufe im Gehirn gebildet wird, gesteuert. Im Dunkeln wird der Botenstoff ausgeschüttet und liegt in drei- bis zwölffacher Konzentration vor. Als Medikament gibt es in Deutschland ein zugelassenes Arzneimittel, das bei der Indikation Schlafstörungen Menschen über 55 Jahre verordnet werden kann. Wie verträglich Melatonin in der Langzeitanwendung ist, wurde noch nicht ausreichend erforscht. Normalerweise werden zwei Milligramm abends etwa 30 Minuten vor dem Schlafengehen eingenommen.
Tipps für die Schlafhygiene
Halten Sie sich an regelmäßige Schlaf- und Aufstehzeiten. Vermeiden Sie große Mahlzeiten am Abend. Lassen Sie den Abend entspannt ausklingen. Vermeiden Sie regelmäßigen hohen Alkoholkonsum. Trinken Sie abends keine koffeinhaltigen Getränke. Achten Sie auf eine gute Schlafatmosphäre – richtige Matratze, gute Belüftung des Schlafraumes und Temperatur nicht höher als 20 Grad. Bewegen Sie sich regelmäßig an der frischen Luft. Vermeiden Sie den Mittagsschlaf bzw. begrenzen Sie ihn auf maximal 30 Minuten. Verbannen Sie elektronische Geräte aus dem Schlafzimmer. Fixieren Sie sich nicht zu sehr auf ihren Schlaf, übertriebene Erwartungen können oft nicht erfüllt werden.