Mangelernährung
WENN DIE ERNÄHRUNG INSTABIL IST
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PTA und Apotheker kennen ihre Kunden oft sehr gut, sodass ihnen Veränderungen wie eine plötzliche Gewichtsabnahme in der Regel auffallen. Das Apothekenpersonal sollte das Thema am besten diskret und sensibel ansprechen und Betroffenen anbieten, mit ihnen gemeinsam den Speiseplan näher zu betrachten. Wichtig ist dabei, auch an Nebenwirkungen der aktuellen Medikation zu denken, denn einige Wirkstoffe gehen mit Begleiterscheinungen wie Appetitverlust, Übelkeit, Mundtrockenheit oder Geschmacksverlust einher.
Patienten mit einem gravierenden Gewichtsverlust sollten unbedingt einen Arzt konsultieren, denn schwere Erkrankungen oder ein stark erhöhter Kalorienbedarf (zum Beispiel bei Hyperthyreoidismus) können zur Unterernährung führen. Auch der Konsum von Alkohol oder Tabak wirkt sich negativ aus: Zu viel Alkohol mindert den Appetit und kann zusätzlich die Resorption und Verwertung von Nährstoffen einschränken, während Rauchen den Geschmacks- und Geruchssinn dämpft und Nahrungsmittel weniger appetitanregend wirken.
Arten und Definitionen Der Begriff „Mangelernährung“, auch Malnutrition genannt, ist bislang noch nicht eindeutig definiert, man geht jedoch davon aus, dass eine Mangelernährung vorliegt, wenn Betroffene zu wenig Nahrung aufnehmen, um ihren Nährstoffbedarf abzudecken. Unterernährte nehmen nicht genügend Kalorien auf, sodass bei ihnen primär die Körperfettmasse abnimmt. Auch die Nährstoffverwertung kann gestört sein, sodass es zu einem unkontrollierten Abbau von Körpersubstanz kommt. Eine Mangelernährung entsteht unter anderem durch eine Malassimilation (Oberbegriff für Maldigestion und Malabsorption), also eine verminderte Nährstoffverwertung aufgrund von Störungen des Verdauungstraktes.
Bei einer Malabsorption können die aufgespaltenen Nahrungsbestandteile nur schlecht durch die Darmwand in die Lymph- oder Blutbahn aufgenommen werden. Als Ursache kommen chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, Infektionen, postoperative Zustände oder Überempfindlichkeitsreaktionen in Betracht. Ist die enzymatische Spaltung der Nahrung beeinträchtigt, spricht man dagegen von einer Maldigestion. Gründe dafür sind Enzymdefekte, Magenresektionen, Erkrankungen der Leber, der Gallenwege oder der Bauchspeicheldrüse. Chronische Erkrankungen wie gastrointestinale Leiden oder obstruktive Lungenerkrankungen gelten ebenfalls als Auslöser für die Entstehung von Unter- oder Mangelernährung.
Auch physische Behinderungen wie Kau- und Schluckstörungen, die etwa bei Ösophaguskarzinomen oder Kopf-Hals-Tumoren auftreten, wirken sich negativ auf die Nahrungsaufnahme aus. Ins- besondere bei stationär behandelten Personen begünstigen Malignome, neuropsychiatrische Störungen, chronische Lebererkrankungen, Niereninsuffizienz oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen eine Mangelernährung. Kinder mit Mukoviszidose, Morbus Crohn oder mit angeborenem Herzfehler sind ebenfalls häufig unterernährt. Ein weiterer Begriff ist die sogenannte Kachexie, eine „Auszehrung des Körpers“.
Es handelt sich dabei um ein komplexes metabolisches Krankheitsbild mit Gewichtsverlust, Entzündungsreaktionen, Müdigkeit sowie Reduzierung der Körperzellmasse und Muskelkraft. Anorexie bedeutet wörtlich übersetzt „Appetitlosigkeit“, ihre bekannteste Form ist die Magersucht (Anorexia nervosa). Die Sarkopenie kennzeichnet sich hingegen durch einen altersbedingten Verlust an Muskelmasse und Muskelkraft. Die Lebensqualität der Senioren ist dadurch häufig eingeschränkt, denn sie leiden oft unter funktionellen Defiziten sowie unter zunehmenden Behinderungen.
Auch bei gleichbleibendem Körpergewicht kann eine Mangelernährung vorliegen. Bei einer qualitativen Mangelernährung fehlt es dem Körper an essenziellen Nährstoffen wie Vitaminen, Spurenelementen, Mineralstoffen oder Fettsäuren. Sowohl die Symptomatik des Kunden als auch eine klinisch-chemische Untersuchung sind zur Diagnostik hilfreich. Klinische Beschwerden, die auf einen Nährstoffmangel hinweisen, sind beispielsweise eine Gingivitis (Vitamin C), Nachtblindheit (Vitamin A), Anorexie (Vitamin B1, B12, C) oder Pigmentationen (Niacin).
Diagnostik durch BMI Untergewicht infolge einer Unterernährung lässt sich mithilfe des Body-Mass-Index diagnostizieren. Zur Berechnung teilt man das Körpergewicht in Kilogramm durch die Größe in Meter zum Quadrat. Der errechnete Wert wird in Abhängigkeit von seiner Höhe einer der Kategorien Untergewicht, Normalgewicht, Übergewicht, extremes Übergewicht oder Adipositas zugeordnet. Der BMI gilt als eine schnelle und einfache Methode, um das eigene Körpergewicht einzuordnen, allerdings unterliegt er einigen Schwächen. Wer viel Sport treibt und eine schwere Muskelmasse besitzt, kann beispielsweise mit der Formel fälschlicherweise als übergewichtig eingestuft werden.
Liegt der BMI bei Betroffenen mit Verdacht auf eine Unterernährung unterhalb der entsprechenden Grenzwerte, sollte eine weitere Diagnostik erfolgen. Bei einem krankheitsassoziierten Gewichtsverlust spielt die Krankheitsaktivität eine entscheidende Rolle. Niedrige Serumkonzentrationen des Plasmaproteins Albumin deuten auf einen Schwund der Körperzellmasse, auf einen schlechten Ernährungsstatus sowie auf eine hohe Krankheitsaktivität hin. Bei einem Eiweißmangel verbraucht der Organismus die körpereigenen Proteinreserven – es kommt zum Abbau von Muskelmasse. Symptome eines Eiweißmangels sind unter anderem Dekubitus, Muskelatrophie, Wundheilungsstörungen, Muskelschwäche oder Ödeme.
Gravierende Konsequenzen Fehlernährungen wirken sich negativ auf die Morbidität und Mortalität von Patienten aus: Die Wundheilung ist gestört, das Infektionsrisiko erhöht und bestimmte Patientengruppen (wie beispielsweise HIV-Infizierte oder Menschen mit einer Niereninsuffizienz oder Lebererkrankung) weisen in Kombination mit der Mangelernährung eine erhöhte Mortalität auf. Darüber hinaus haben Mangelernährte nach einem Schlaganfall, nach Eingriffen an Herz, Lunge oder Leber oder mangelernährte Patienten mit Hüftfrakturen ein größeres Sterberisiko.
Risikogruppe SeniorenGerade bei hochbetagten Menschen bietet sich die Unterscheidung zwischen der quantitativen und der qualitativen Malnutrition an. Bei der quantitativen Mangelernährung ist die Nahrungsaufnahme eingeschränkt, sodass der Körper nicht mehr genug Kalorien und Nährstoffe erhält und darauf mit Abgeschlagenheit, Gewichtsverlust und Infektanfälligkeit reagiert. Die qualitative Malnutrition ist weniger offensichtlich als die quantitative: Die Körperfunktionen lassen meist nach, das Immunsystem ist geschwächt und Betroffene werden anfälliger für Infektionen und Krankheiten. Außerdem ist die Wundheilung oftmals verzögert und die Gefahr von Schwindel, Stürzen und Knochenbrüchen steigt.
Darüber hinaus weisen mangelernährte Senioren ein erhöhtes Sterblichkeitsrisiko auf. Sind Senioren in den Teufelskreis der Mangelernährung geraten, kann dies schwerwiegende Folgen haben – verlorene Körpermasse oder Nährstoffdefizite lassen sich nicht mehr so schnell normalisieren. PTA und Apotheker können einen Beitrag zur Aufklärung von Angehörigen und Senioren leisten, indem sie darüber informieren, dass zwar der Energie- aber nicht der Nährstoffbedarf im hohen Lebensalter abnimmt. Der Vitalstoffbedarf steigt sogar: Eine Ernährung mit viel Eiweiß, Nährstoffen und Vitaminen ist im hohen Alter notwendig, um die Körperfunktionen aufrechtzuerhalten.
Verschiedene Auslöser führen dazu, dass sich ältere Menschen häufig fehlernähren. Im Folgenden sind die häufigsten Ursachen dargestellt:
1. Persönliche Lebensumstände:
- Trauer und Einsamkeit, zum Beispiel durch den Tod des Lebenspartners, führen zu Appetitlosigkeit.
- Die Motivation zur Zubereitung des Essens lässt nach.
- Der Weg zum Supermarkt fällt schwer.
- Armutsprobleme und eine niedrige Rente erschweren es, hochwertige Lebensmittel zu kaufen.
- Das Essen in einem Heim bei Pflegebedürftigkeit geht mit Schamgefühlen einher.
2. Krankheiten / Medikamente, die das Ernährungsverhalten beeinflussen können:
- Depressionen,
- Demenz,
- Sehbehinderungen oder Schluckstörungen (Dysphagie),
- Zustände nach Unfällen und Stürzen,
- Arzneimittel, die zu Nebenwirkungen wie Appetitverlust oder Magen-Darm-Beschwerden führen.
3. Altersspezifische Besonderheiten:
- Nachlassen von Appetit und Durst,
- ausgedehnteres Sättigungsempfinden,
- eingeschränkte Mobilität,
- veränderte Kaugewohnheiten,
- verändertes Geschmacks- und Geruchsempfinden.
4. Postoperative Situationen, denn danach besteht ein erhöhter Nährstoffbedarf. Besonders gefährdet sind:
- Senioren, die auf einer Intensivstation liegen,
- hochbetagte Menschen nach einer Magen- oder Darmresektion.
Angehörige und Pfleger sollten unbedingt alarmiert sein, wenn die Person innerhalb kürzester Zeit ungewollt an Gewicht verliert, unter Erbrechen oder Durchfall leidet oder über aus- geprägte Müdigkeit und Schwäche klagt. Das sogenannte MUST (Malnutrition Universal Screening Tool)-Screening wurde ursprünglich für geriatrische Patienten im ambulanten Bereich entwickelt und ist ein hilfreiches Werkzeug, um den defizitären Ernährungszustand festzustellen. Das Ergebnis dient als Basis für ein maßgeschneidertes Ernährungsprogramm in der ambulanten oder stationären Pflege.
Auch eine einseitige Ernährung kann, obwohl sie energiereich ist, zu einer Mangelernährung führen.
Psychische Ursachen Auch bei einer Magersucht sind Betroffene extrem untergewichtig, sie haben große Angst davor, an Körpergewicht zuzulegen. Oft liegt das Gewicht 15 Prozent unter der Norm. Patienten schätzen ihren Körper nicht realistisch ein und halten sich trotz des Untergewichts für zu dick. Sie vermeiden (hochkalorische) Speisen und missbrauchen nicht selten Medikamente wie Appetitzügler, Diuretika und Abführmittel, um weiter Gewicht abzunehmen. In vielen Fällen beginnt die Erkrankung in der Jugend oder im jungen Erwachsenenalter und persistiert über Jahre.
Kanadische Wissenschaftler begleiteten Essgestörte über einen Zeitraum von 20 Jahren und stellten dabei eine Mortalitätsrate von zehn Prozent fest. Die Behandlung einer Magersucht basiert auf psychotherapeutischen, medizinischen und ernährungstherapeutischen Elementen. Bei stark untergewichtigen Personen muss zunächst einmal das Körpergewicht stabilisiert werden, indem sie beispielsweise über eine Magensonde hochkalorische Nahrung erhalten. Je nach individueller Ausprägung der Erkrankung ist eine ambulante oder stationäre Therapie erforderlich.
Bei Personen, bei denen eine Gewichtsstabilisierung dringend nötig ist, wird eine stationäre Aufnahme empfohlen. Das langfristige Ziel besteht in einer Ernährungsumstellung, damit Betroffene ein gesundes Essverhalten erlernen und eine realistische Einstellung zu ihrem Körper entwickeln. Magersüchtige sollten nach der Entlassung weiterhin ambulant betreut werden, um bei Rückfällen rasch handeln zu können.
Tumorkachexie Viele Krebspatienten sind von Mangelernährung und dem Abbau von Fett- und Muskelmasse betroffen, bei bestimmten Krebsarten wie dem Pankreaskarzinom ist die Quote besonders hoch. Die aktiven Zytokine beeinflussen den Hormon- und Stoffwechselhaushalt, begünstigen den Rückgang der Muskulatur sowie die Zersetzung der Eiweiße, während der Aufbau neuer Eiweiße verlangsamt ist. Folglich tritt ein kataboler Zustand ein, denn Muskel- und Fettmasse werden stärker ab- als aufgebaut, dennoch bleibt das Hungergefühl aus. Auch die Tumoren selbst wirken sich negativ aus, da sie chronische Entzündungen hervorrufen und den Stoffwechsel ankurbeln.
Darüber hinaus ist die Aufnahme der Nährstoffe im Magen-Darm-Trakt vermindert. Zusätzlich führen Krebstherapien zu Übelkeit, Erbrechen, Mundtrockenheit, Sättigungsgefühlen, Entzündungen der Mundschleimhaut und des Zahnfleischs, Pilzinfektionen im Mundraum, Schluckproblemen, Geruchsstörungen, Verstopfungen oder Durchfällen. Um eine Kachexie zu diagnostizieren, müssen folgende Kriterien erfüllt sein:
- ungewollter Gewichtsverlust in den letzten sechs Monaten von mehr als fünf Prozent,
- Body Mass Index unter 20 und ungewollter Gewichtsverlust im letzten halben Jahr von mehr als zwei Prozent,
- gravierender Abbau der Muskulatur von Armen, Beinen, Schulter- und Beckengürtel und ungewollter Gewichtsverlust im letzten halben Jahr von mehr als zwei Prozent.
Eine Tumorkachexie vermindert die Lebensqualität und körperliche Leistungsfähigkeit enorm, außerdem werden Betroffene anfälliger für Infektionen. Zur Verbesserung des körperlichen Zustands werden unter anderem appetitssteigernde Mittel, Steroide, Hemmstoffe der Zytokine, Aminosäuren oder der tumorhemmende Wirkstoff Thalidomid verwendet. Neben Unterstützung in Form von Ernährungsberatung, hochkalorischer, eiweißreicher Nahrung und körperlichen Trainings stehen Betroffenen mit ernsthaften Erkrankungen und einhergehender Mangelernährung – zum Beispiel bei Tumorerkrankungen – auch Angebote psychologischer Hilfen zur Verfügung.
Schlaganfall und Parkinson Viele Patienten mit neurologischen Erkrankungen (Morbus Parkinson, Amyotrophe Lateralsklerose, Schlaganfälle, Multiple Sklerose) haben erhebliche Schwierigkeiten, sich adäquat zu ernähren, denn die Leiden gehen häufig mit Schluckstörungen (Dysphagie) einher. In einer australischen Studie wurde beispielsweise der Ernährungsstatus von Schlaganfallpatienten mit dem sogenannten „Patientengenerierten Subjektiven Globalen Assessment (PG-SGA)“ erhoben. Die Wissenschaftler stellten unter anderem fest, dass fast 20 Prozent der Probanden zum Aufnahmezeitpunkt bereits mangelernährt waren.
Diese Personengruppe war zugleich mit einer längeren Verweildauer im Krankenhaus sowie mit einer erhöhten Komplikationsrate belastet. Die Dysphagie hat nicht nur eine unzureichende Ernährung zur Folge, sondern kann aufgrund des hohen Aspirationsrisikos auch zu lebensbedrohlichen Lungenentzündungen führen. Bei Schluckstörungen sollte unbedingt auf eine geeignete Konsistenz der Speisen, auf die Verordnung von Heilmitteln (Förderung des Schluckvorgangs als Teil der Stimm-, Sprech- und Sprachbehandlung) sowie auf die Verbesserung der Mund- und Essmotorik als Teil der Ergotherapie geachtet werden.
Kunden mit Dysphagie können auf Trinknahrung mit dickflüssiger Konsistenz, ähnlich wie Honig, zurück- greifen. Diese wird beispielsweise bei Schluckstörungen, die durch neurologische Erkrankungen zustande kommen, empfohlen. Auch spezielle Andickungspulver können helfen: Durch Quellmittel, wie beispielsweise Xanthan, können flüssige Speisen wie Suppe oder Getränke in eine sichere, puddingartige Konsistenz für Betroffene mit Schluckstörungen überführt werden. Diese sind allerdings nicht verordnungsfähig.
Gerade im Alter tritt eine Mangelernährung häufig auf – und wird trotzdem häufig unterschätzt oder vernachlässigt.
Trinknahrung und Sondenkost Als enterale Ernährung bezeichnet man die Nahrungsaufnahme über den Gastrointestinaltrakt, entweder oral oder mit Hilfe einer Ernährungssonde. Je nach Applikationsart unterscheidet man Trinknahrung und Sondenkost. Flüssige Aufbaunahrung, also Trinknahrung, kann als Ersatz für die reguläre Ernährung dienen. Die Konsistenz ist vergleichbar mit der eines Milchshakes, allerdings enthalten die Zubereitungen spezielle Nährstoffzusammensetzungen, um den Organismus optimal zu versorgen. Aufbaunahrung verfügt über Kohlenhydrate, Fette, Eiweiße, Vitamine und Mineralstoffe, ist hochkalorisch (enthält also viel Energie) und ist in der Regel in verschiedenen Geschmacksrichtungen erhältlich, sodass individuelle Vorlieben berücksichtigt werden und für Abwechslung (neutral, fruchtig, herzhaft) gesorgt ist.
Manche Varianten sind zusätzlich mit Ballaststoffen angereichert. Trinknahrung kann leicht aufgenommen werden und bereitet selbst Patienten, die unter Schluckbeschwerden leiden, keine Probleme. Nach § 21 der Arzneimittelrichtlinie (AM-RL) gilt eine „fehlende oder eingeschränkte Fähigkeit zur ausreichenden normalen Ernährung …“ als Voraussetzung für die Verordnung enteraler Ernährung, wenn sonstige Maßnahmen zur Verbesserung der Ernährungssituation nicht ausreichen. Ist es Betroffenen nicht mehr möglich, sich über Trinknahrung zu versorgen, wird auf eine enterale Ernährung per Sonde zurückgegriffen.
Der Mund-Rachen-Raum wird dabei zwar ausgespart, jedoch ist der Magen-Darm-Trakt weiterhin für die Verdauung zuständig, sodass die organischen Funktionen erhalten bleiben. Sondennahrung ist ebenfalls flüssig und von sehr geringer Viskosität, damit sie gut über die Sonde verabreicht werden kann. Der Geschmack spielt dabei keine Rolle, da die Geschmacksknospen der Mundschleimhaut mit der Nahrung nicht in Berührung kommen. Man differenziert zwischen der transnasalen, transoralen und perkutanen Sonde, außerdem ist eine Unterteilung nach dem Nahrungsumfang (Vollkost, leichte Vollkost, Schonkost oder Reduktionsdiät) möglich.
Letzter Ausweg Ist die Zufuhr von Nahrung über den Magen-Darm-Trakt nicht mehr erfolgreich und sind alle anderen Formen der Ernährung (orale Trinknahrung, enterale Sondennahrung) ausgeschöpft, bietet sich die parenterale Ernährung (PE) an. Dabei erhält der Patient intravenös (also unter Umgehung des Magen-Darm-Traktes) Nährstoffe, die als Fertigbeutel oder Rezeptur verordnet werden. Es handelt sich bei PE um Arzneimittel, die dem Arzneimittelgesetz unterliegen, verordnungsfähig sind, jedoch bei Indikation und Präparateauswahl dem Prinzip der Wirtschaftlichkeit unterliegen. Der Gesamtenergieumsatz, der bei der individuellen Auswahl zu berücksichtigen ist, übertrifft in der Regel den Grundumsatz nur geringfügig, da Betroffene meist bettlägerig sind.
Allerdings sind bei der Abschätzung weitere Faktoren zu berücksichtigen, sodass sich die Berechnung schwierig gestalten kann. Wichtige Energielieferanten in der PE sind Kohlenhydrate oder Lipidemulsionen sowie Aminosäuren, da sie die Aufrechterhaltung einer ausgeglichenen Stickstoffhomöostase gewährleisten. Auch Flüssigkeit, Vitamine und Spurenelemente werden bei Bedarf ergänzt, wobei Vitamine und Spurenelemente aus Gründen der Haltbarkeit in den Lösungen nicht enthalten sind, sondern kurz vor der Applikation ergänzt werden. Man unterscheidet zum einen die längerfristige (mehr als sieben Tage andauernde) Therapie über einen zentralvenösen Katheter, zum anderen die kurzfristige Ernährung über einen periphervenösen Zugang.
Die PE geht mit gewissen Risiken einher, die insbesondere bei der Langzeittherapie eintreten können. Dabei handelt es sich um Katheterinfektionen sowie um metabolische oder hepatische Komplikationen (zum Beispiel Fettleber, Cholestase, Osteoporose, Hyperglykämie, Osteomalazie). Auch die Gefahr eines Refeeding-Syndroms, bei dem sich der Körper an die geringe Nahrungszufuhr gewöhnt hat und es nicht mehr schafft, die Kalorien zu verarbeiten, besteht: Es führt zum Auftreten von Ödembildung, Herz-Rhythmus-Störungen oder Herzinsuffizenz.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 11/19 ab Seite 14.
Martina Görz, PTA, M.Sc. Psychologie und Fachjournalistin