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Weleda AG | Trendforschung

DEUTSCHE BEVORZUGEN SELBSTBESTIMMUNG, ABER MACHEN DAS BESTE AUS FREMDBESTIMMUNG

Die Weleda Trendforschung 20221 hat die Auswirkungen verschiedener Formen von Selbst- und Fremdbestimmung auf das psychische und körperliche Wohlbefinden untersucht und wollte in einer repräsentativen Erhebung von den Deutschen wissen: Welche Arten von Fremdbestimmung werden als besonders einschränkend empfunden? (Wie) Äußert sich Kontrollverlust körperlich und mental?

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Die Mehrheit der Deutschen ist überzeugt: Wir sind heute gesamtgesellschaftlich freier in Entscheidungen und Lebensgestaltung als vor 30 Jahren: Ein gutes Drittel (37 %) findet, wir leben 2022 „etwas“ selbstbestimmter, knapp die Hälfte (47 %) würde sogar sagen „deutlich“. Im eigenen Leben gibt es dabei offenbar eine Diskrepanz zwischen dem beruflichen und privaten Bereich: Während 68 Prozent voll und ganz zustimmen, im Privatbereich viele eigene Entscheidungen treffen zu können, geben dies nur 28 Prozent für den Job an.

Jedoch fühlen sich 44 Prozent durch die Vorgaben ihres Arbeitgebers gar nicht, weitere 35 Prozent nur wenig gestresst. Es hat für die Deutschen also offenbar einen höheren Stellenwert, über das Privatleben frei bestimmen und die Freizeit selbst gestalten zu können. Hierfür hat etwa jede*r Zweite (49 %) pro Woche sechs Stunden oder mehr Zeit. 33 Prozent können über acht Stunden mit Ak-tivitäten verbringen, auf die sie Lust haben, doch eine*r von zehn Befragten hat pro Woche weniger als zwei Stunden Zeit für sich.

Frauen geben dies mit 13 Prozent mehr als doppelt so häufig an wie Männer (6 %); den höchsten Wert nach Altersgruppen haben mit 15 Prozent die „RHoLer“ („Rush Hour of Life“, 30–39 Jahre). Doch alles in allem bewerten die Deutschen das Ausmaß der Selbstbestimmung offenbar positiv: Nur 3 von 100 sind „sehr unzufrieden“ mit ihrem Leben, über drei Viertel (79 %) sind nach eigener Aussage mindestens „eher zufrieden“.

Negativschlagzeilen und Bürokratie sorgen bei Jung und Alt für Stress

Weder die Chefin und festgelegte Arbeitszeiten noch familiäre Verpflichtungen und Beziehungsalltag (38 % „gar nicht“) führen also subjektiv zu starker subjektiver Einschränkung. Auf Platz 1 der Faktoren von außen, von denen sich die Deutschen (sehr) stark gestresst fühlen, liegt die wirtschaftliche Situation (steigende Preise, Inflation etc.) mit 67 Prozent. Nachrichten von Krieg und Umweltzerstörung überfordern fast genauso viele (62 %).

Der Hälfte der Bevölkerung machen bürokratische Vorgaben sowie Einschränkungen durch höhere Gewalt, z. B. die Pandemie, zu schaffen (jeweils 50 %). Während negative Nachrichten und starre Behörden über alle Altersgruppen hinweg zu Frust führen, belasten feste Termine jeglicher Art, gesellschaftliche Normen oder auch das Gefühl, etwas zu verpassen, die Jüngeren (18–39 Jahre) deutlich häufiger (sehr) stark. Gleichzeitig scheint die Altersgruppe der 18- bis 29-Jährigen von zu viel Entscheidungsfreiheit am ehesten überfordert zu sein: 28 Prozent von ihnen geben an, freie Strukturen und flexible Zeiteinteilung als Stressor zu empfinden – gegenüber 17 Prozent im Gesamtdurchschnitt.

Unruhe, Gereiztheit und Gedankenkreisen häufigste Beschwerden bei Fremdbestimmung

Psychobiologisch ist (wahrgenommener) Kontrollverlust ein zentraler Bestandteil der Stressdefinition: Das Gefühl, einer Situation nicht Herr zu sein, versetzt uns in Alarmbereitschaft. Dass akuter Stress unwillkürlich auch somatische Reaktionen hervorruft, ist evolutionsbiologisch in der sogenannten „Fight or Flight“-Reaktion begründet: Durch Ausschüttung von Stresshormonen wie Kortisol und Adrenalin macht sich unser Organismus für Kampf oder Flucht bereit.

Und auch wenn bedrohliche Situationen heute nicht mehr aus der Auseinandersetzung mit einem wilden Tier entstehen, hat sich die Stressreaktion im Laufe der Zeit kaum verändert. So lässt sich z. B. das Herzrasen vor einer wichtigen Präsentation erklären. 25 Prozent der Deutschen reagieren in Situationen des Kontrollverlusts nach eigener Angabe oft oder immer mit Unruhe bzw. Nervosität oder schlechter Laune bzw. Gereiztheit. Bei fast ebenso vielen (23 %) beginnen die Gedanken zu kreisen. Angstgefühle und anschließende Probleme beim Ein- oder Durchschlafen berichten je 11 Prozent.

Bei den stressbedingten Beschwerden lässt sich zudem eine allgemeine Tendenz beobachten: Befragte, die sich in der Ausbildung (Schule, Lehre, Universität) befinden, reagieren häufiger als Berufstätige oder Pensionierte, Frauen häufiger als Männer und Jüngere stärker als Ältere. Wenn die Deutschen zur Linderung stressbedingter Beschwerden auf rezeptfreie Arzneimittel aus der Apotheke zurückgreifen, achten sie zunächst v. a. darauf, dass keine Gefahr der Abhängigkeit besteht (49 %).

Je gut einem Drittel (35 %) ist wichtig, dass das Präparat Wirkstoffe aus der Natur enthält und keine Tagesmüdigkeit verursacht. 30 Prozent wünschen sich, dass es ausgeglichen macht und so einen guten Schlaf fördert, jede*r Fünfte bevorzugt ein Arzneimittel, das die Selbstheilungskräfte anregt. Neurodoron® Tabletten von Weleda etwa sind darauf ausgerichtet, den Organismus ganzheitlich zu stabilisieren.

Die arzneiliche Komposition aus potenziertem Gold, Kalium phosphoricum und Ferrum-Quarz ist natürlich wirksam bei stressbedingter Erschöpfung und unterstützt dabei, das Nervensystem zu stärken. Doch auch ausreichend und guter Schlaf sind ein wichtiges Rezept für die Stressresilienz. Calmedoron® Streukügelchen beruhigen mit natürlichen Pflanzenauszügen bei Unruhe und Nervosität, fördern das Einschlafen und helfen so, den Tag-Nacht-Rhythmus zu stabilisieren. 

Kontrollverlust: mit steigendem Alter steigt auch die Gelassenheit

Kognitive Strategien zum Umgang mit Situationen, auf deren äußere Gegebenheiten sie keinen Einfluss haben, scheinen viele Deutsche bereits verinnerlicht zu haben: Jede*r Dritte (34 %) gibt an, dabei oft oder immer entspannt zu bleiben. Dies liegt offenbar auch an der positiven Einstellung, mit der die Mehrheit solchen Situationen begegnet: 74 Prozent akzeptieren, dass sie die äußeren Umstände sowieso nicht ändern können und versuchen deshalb, sich nicht aufzuregen.

Doch nicht nur ein gelassenes Gemüt hilft den Deutschen, sie wissen sich auch selbst zu helfen und eine zunächst passive Rolle in eine aktive zu drehen: 79 Prozent stimmen (eher) zu, das Beste aus der Situation zu machen, z. B., indem sie etwa lästige Wartezeiten für andere Dinge wie Nachdenken oder Lesen nutzen. 68 Prozent versuchen sogar, aus alltäglichen Schwierigkeiten Erkenntnisse fürs weitere Leben zu gewinnen. Deutlich weniger, aber immerhin noch etwa die Hälfte (53 %) ärgert sich zwar über Unannehmlichkeiten. Aber nur 2 von 10 Befragten (22 %) stimmen (eher) zu, sich in diesen Situationen ohnmächtig oder gelähmt zu fühlen.

Die Fähigkeit, selbst schwierigen Situationen etwas Positives abzugewinnen, zeigt sich auch daran, dass vergleichsweise wenige Deutsche „ungewolltes Alleinsein“ als Stressor angeben: 42 Prozent fühlen sich durch unfreiwillige „Me-Time“ „gar nicht“ eingeschränkt. Und auch die Zahl derer, die angaben, sich mindestens einmal pro Woche einsam zu fühlen, ist zwar mit 32 Prozent nicht gering, aber deutlich rückläufig im Vergleich zum Vorjahr (42 %)2 – und 77 Prozent fühlen sich heute nicht einsamer als vor der Pandemie.

Viele Deutsche scheinen also gut mit sich selbst zurechtzukommen und die Überzeugung „allein ≠ einsam“, die sich schon in der Weleda Trendforschung 2021 abgezeichnet hat, für sich als weitere Strategie zu nutzen wissen. Situationen, über deren äußere Gegebenheiten sie keine Kontrolle haben, werden von den Deutschen also insgesamt eher als Übung in Gelassenheit gesehen. Dabei bestätigt sich die bei den körperlichen, unwillkürlichen Reaktionen angedeutete Tendenz auch durch die kognitive, bewusste Herangehensweise: Je älter, desto gelassener und abgeklärter (v. a. 60+).

Selbstdetermination = Freiheit statt Qual der Wahl

Wer die Deutschen bittet, sich bei Schlagworten rund um Autonomie auf Skalen zu verorten, wird also feststellen: Sie übernehmen lieber Verantwortung statt sie abzugeben, bevorzugen es, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen statt anderen die Entscheidung zu überlassen und sehen Selbstbestimmung tendenziell als Freiheit, Fremdbestimmung als Einengung. In oder nach Situationen, auf die sie wenig Einfluss nehmen können, zeigen v. a. Jüngere, Frauen und Schüler*innen/Student*innen (körperliche) Stressbeschwerden.

Doch insgesamt begegnen die Deutschen Kontrollverlust statt mit Passivität und Ohnmachtsgefühlen mit einer positiven Einstellung und kognitiven Strategien, um das Beste aus der Situation zu machen. Hierbei, so Prof. Dr. Sonia Lippke, Leiterin der Abteilung Gesundheitspsychologie und Verhaltensmedizin an der Jacobs University Bremen, ist Selbstwirksamkeit sehr wichtig: „Wer das Gefühl hat, dass er bzw. sie nichts selbst beeinflussen kann und immer wieder schlechte Erfahrungen macht, der fühlt sich frustriert. Im schlimmsten Falle entwickelt sich eine sog. gelernte Hilflosigkeit oder Depression. Deswegen ist es ganz wichtig, auch in schwierigen Situationen noch kleine Handlungsspielräume zu erhalten. Viele Menschen haben beispielsweise gelernt, dass bei einer Quarantäne immer noch kleine Entscheidungen wichtig sind, wie z. B. wann aufstehen oder essen, welche Filme anschauen oder wie Freunde kontaktieren. Da kann man sich dann immer noch sehr selbstwirksam fühlen, weil man an den Zielen selbst festhält und diese trotz all der Unwägbarkeiten erreichen kann.“

Exkurs

Wunsch nach (Gesundheits-)Optimierung: Fluch und Segen? 

65 Prozent der Deutschen überlegen in Situationen des Kontrollverlusts, wie man sie wohl verbessern könnte. Ein Streben nach immer weiterer Optimierung zeichnet unsere Zeit in vielen Bereichen aus – von Technik über Medizin bis hin zu Bildung unnd Gleichberechtigung. Auch der rasante Aufstieg von Gesundheitsapps zeugt von diesem Wunsch. Die häufigste Antwort der Deutschen auf die Frage, warum sie Gesundheitsapps nutzen, lautet: „Ich will gesund bleiben." (39%), fast jede*r Fünfte (18%) nennt als Grund: „Ich will einfach besser werden."
Ob Pulsmessung für effektiveres Joggen, Kalorienrechner oder Meditations-Apps für angeleitete Entspannung: Gesundheit und Wohlbefinden können mit dem Smartphone quantifiziert und so vermeintlich optimiert werden. In vielen Bereichen bieten digitale Gesundheitsanwendungen im weitesten Sinne (Videosprechstunden, Apps, Health Gadgets wie Fitbit) das Potenzial, die eigene Gesundheit zu stärken.
Telemedizinische Konsultationen etwa haben den Vorteil der Ortunabhängigkeit und können den Mangel an Angeboten (z.B. von Psychotherapie) kompensieren3, visuelles Biofeedback und motivierende Push-Benachrichtigungen von Fitnessapps können zu einer gesundheitsförderlichen Änderung des Lebensstils führen.4
Doch bei exzessiver Nutzung können die Apps u.U. den gegenteiligen Effekt haben: Die ständigen Benachrichtigungen können den Stress erhöhen und insbesondere bei Kindern und Jugendlichen birgt der Druck zur Optimierung aus psychologischer Sicht die Gefahr eines verringerten Selbstwertgefühls oder gar psychiatrischer Störungen wie Magersucht.5
Bei allen Vorzügen, die Gesundheitsapps auch für Stressreduktion und Fitness also zweifellos bieten: Sie sollten in Maßen genutzt werden und können Selbstregulation von innen – etwa durch Sport und Entspannungstechniken, kognitive Strategien und Regulationsarzneimittel – nicht ersetzen.


1 Weleda Trendforschung 2022, repräsentative Umfrage von Bilendi im Auftrag von Weleda, Stichprobe: 1.031 Personen der deutschen Bevölkerung ab 18 Jahren, Befragungszeitraum 14.07. bis 27.07.2022. Erhebungsart: online.
2 Weleda Trendforschung 2021, repräsentative Umfrage im Auftrag von Weleda. Stichprobe: 1.002 Personen der deutschen Bevölkerung ab 18 Jahren. Bilendi GmbH. Befragungszeitraum: 22.–28.07.2021. Erhebungsart: online.
3 Lippke S et al. Adherence With Online Therapy vs Face-to-Face Therapy and With Online Therapy vs Care as Usual: Secondary Analysis of Two Randomized Controlled Trials. Journal of Med Internet Res 2021; 23 (11): e31274.
4 Guza E, Gao L, Lippke S. Internet Behavior and Satisfaction with Sleep, Health, Quality of Life and Physical Activity Self-Efficacy as Components of Subjective Well-Being: Findings from an Online Survey [Accepted manuscript]. Europe's Journal of Psychology. http://doi.org/10.23668/psycharchives.5068.
5 Lehmkuhl G. Selbstoptimierung – ein Thema für die Kinder- und Jugendpsychiatrie? Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie 2018; 46 (2): 93–95. https://doi.org/10.1024/1422-4917/a000570.

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