Ein IQ beschreibt nur das, was auch getestet wurde.
WAS MACHT EIN HIRN INTELLIGENT?
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Kennen Sie das auch? Sie stehen auf dem Bahnsteig, haben noch keine Fahrkarte, Ihre S-Bahn kommt gleich, doch Sie kommen einfach nicht an den Fahrscheinautomaten heran, weil ein Fahrgast vor Ihnen einfach nicht mit der Bedienung des Geräts klar kommt? Denken Sie da auch manchmal „Was für ein Blödmann!“? Offenbar ist für die Menüführung eines solchen Automaten die Intelligenz mancher Mitbürger bereits überfordert.
Aber sind diese Menschen deshalb auch gleich „blöd“? Zu dieser seit der Antike diskutierten Frage existieren in der Psychologie verschiedenste Modelle und Messgrößen. Grundsätzlich beschreibt Intelligenz unterschiedliche kognitive Leistungsfähigkeiten, aber eine einzelne Messgröße, die das Spektrum der verschiedenen kognitiven Fähigkeiten gleichermaßen gut abbilden würde, existiert nicht.
Am nächsten kommt einem Allgemeingültigkeitsanspruch wohl der sogenannte Generalfaktor der Intelligenz nach Spearman aus den 1920er-Jahren: Er entdeckte, dass Leistungen in verschiedenen Intelligenztests wenn auch nicht immer stark, so doch positiv miteinander korrelieren. Umgangssprachlich bedeutet das, wenn jemand einen bestimmten Test seiner geistigen Leistungsfähigkeit gut besteht, ist es wahrscheinlich, dass er in einem anderen Test auch gut abschneidet.
Es scheint also bestimmte Voraussetzungen zu geben, die in gewissem Maße für alle Geistesleistungen relevant sind. Nachdem in der Vergangenheit verschiedenste Theorien zu diesem Thema aufgebracht und wieder verworfen worden sind, etwa dass die Intelligenz von der Hirngröße oder dem Verhältnis von Hirn- zu Körpergröße abhängen könnte, ist die moderne Neurobiologie dem Verständnis dessen, was ein Gehirn zu einem intelligenten Gehirn macht, einen großen Schritt näher gekommen (zumindest wenn man den g-Faktor zu Grunde legt).
Dazu wurden Patienten mit Hirnschäden untersucht und die Auswirkungen des Ortes dieser Schädigungen auf den g-Faktor bestimmt. Dabei zeigte sich zum einen, dass besonders Schädigungen von Verbindungen zwischen Hirnregionen, die für spezifische Geistesleistungen zuständig sind, den g-Faktor senken. Besonders relevant waren hier Nervenfasern zwischen Regionen, die konzeptuelles Wissen beinhalten und solchen, in denen das Arbeitsgedächtnis verortet ist. Zum anderen existiert eine Region im linken Frontalhirn, deren Schädigung sich besonders negativ auf den g-Faktor auswirkt.
Wesentliche Voraussetzung für ein intelligentes Gehirn scheint also eine gute Kommunikation zwischen Wissensspeichern und dem Arbeitsgedächtnis zu sein, wobei der jeweilige Zugriff verschiedener Regionen auf den Arbeitsspeicher wohl von einer übergeordneten, frontalen Region kontrolliert wird. Es läuft also gut, wenn die, die was beizutragen haben, gut kommunizieren, das Ganze aber von einem übergeordnetem Zentrum, dem „Chef“ sozusagen, koordiniert wird – so kennen Sie das ja vielleicht auch …
ZUR PERSON
Prof. Dr. Holger Schulze
Hirnforscher
Holger.Schulze@uk-erlangen.de
Prof. Dr. Schulze ist Leiter des Forschungslabors der HNO-Klinik der Universität Erlangen-Nürnberg
sowie auswärtiges wissenschaftliches Mitglied des Leibniz-Instituts für Neurobiologie in Magdeburg.
Seine Untersuchungen zielen auf ein Verständnis der Neurobiologie des Lernens und Hörens.
www.schulze-holger.de
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 08/14 auf Seite 12.
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