Ein Sauteur-d’Alfort-Kaninchen läuft im Handstand.
Sauteur-d’Alfort-Kaninchen können nicht hoppeln, stattdessen gehen sie in den Handstand. © Carneiro M. et al., 2021, PLOS Genetics*

Osterhase | Gangverhalten

WARUM AUS DEM HOPPELN EIN HANDSTAND WIRD

Es kann kein Zufall sein: Pünktlich zu Ostern entschlüsselten portugiesische Forscher das Gen, das Kaninchen hoppeln lässt. Oder auch nicht. Wie bei der bedauernswerten Rasse der Sauteur-d’Alfort-Kaninchen, die sich durch eine Genmutation nur im Handstand fortbewegen können.

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Hasen, Kängurus und auch andere kleine Nagetiere können es: Sie hüpfen, wenn sie sich schnell fortbewegen. Das australische Beuteltier in großen, eleganten Sprüngen, das heimische Kaninchen in eher drolligen Hopsern. Doch halt, nicht allen ist es gegeben. Wenn die französische Rasse Sauteur d’Alfort es eilig hat, läuft sie nur auf den Vorderpfoten.

Denn um zu laufen, bedarf es einer fein abgestimmten Koordination; die Beine müssen in genau der richtigen Reihenfolge bewegt werden, wobei es einer ständigen Abgleichung zwischen Auge, Gehirn und Nervenbahnen im Rückenmark bedarf. So lange es gemütlich von Grashalm zu Grashalm geht, bekommen es die französischen Nager noch hin – dann setzen sie ganz langsam Bein vor Bein, und zwar alle viere. Doch wenn es schnell vorangehen soll, kommt die Kommandozentrale im Kopf durcheinander und die beiden Hinterläufe bewegen sich völlig unkoordiniert, was ein Hoppeln unmöglich macht.

Schon die kleinen Sauteur d’Alforts lernen in ihren ersten vier Lebensmonaten diesen Nachteil auszugleichen, indem sie einfach auf die Vorderläufe umschalten und auf diesen blitzschnell durch die Gegend handständern.

Der Wissenschaft ließ dieses Phänomen keine Ruhe. So kreuzten die portugiesischen Forscher um Miguel Carneiro an der Universität von Porto die Sateurs mit normalen Hauskaninchen (die selbstredend hoppelten wie die Weltmeister). Und siehe da: Von 52 Enkeln konnten 40 ganz normal auf allen vieren hüpfen, zwölf dagegen liefen immer noch im Handstand. Blutproben ergaben: Schuld daran ist eine spezielle Mutation des RORB-Gens. Dieses codiert einen Rezeptor, der vor allem im Gehirn und in den peripheren Nerven vorkommt. Die Mutation sorgt dafür, dass Sateur-Kaninchen weniger funktionsfähige Rezeptoren im Rückenmark haben; dadurch können bestimmte Signale, die für die Koordination der Beine beim Hoppeln verantwortlich sind, nicht korrekt verarbeitet und weitergeleitet werden.

Wer davor noch einen Zweifel am Fluch der Inzucht gehabt hat, der lernte nun umzudenken: Im Handstand bewegte sich nämlich nur, wer von beiden Elterntieren das kaputte Gen geerbt hatte. Bei heterozygoten Individuen, die eine mutierte und eine funktionsfähige Variante hatten, konnten die Forscher zwar etwas weniger intakte RORB-Rezeptoren nachweisen – hoppeln konnten diese Tiere aber normal.

Das kennt man ja von anderen Erbkrankheiten, zum Beispiel von der Hämophilie: Auch hier überdeckt das voll funktionsfähige Allel das defekte. Und doch ist es „die erste Beschreibung eines Gens, das für die springende Fortbewegung benötigt wird. Diese Studie liefert ein seltenes Beispiel für ein abnormales Gangverhalten, das auf eine einzelne Basenveränderung zurückgeführt werden kann", schlussfolgern die Forscher.

Auch bei anderen Tierarten spielt das RORB-Gen eine wichtige Rolle für die motorische Koordination. Mäuse zum Beispiel watscheln bei einem Defekt, das hat eine frühere Studie ergeben. Und so scheint die portugiesische Studie zu unterstreichen, dass auch bei Kängurus und Hasen diese spezielle Mutation dazu führt, dass aus dem Hüpfen ein Handstand wird.

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Alexandra Regner,
PTA und Medizinjournalistin

Quelle: Wissenschaft.de 
*Zur  Bildquelle: Das Bild entstammt dem Artikel "A loss-of-function mutation in RORB disrupts saltatorial locomotion in rabbits" von Carneiro M et al.: https://journals.plos.org/plosgenetics/article?id=10.1371/journal.pgen.1009429 Dies ist ein Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Creative-Commons-Attributionslizenz verbreitet wird, die die uneingeschränkte Nutzung, Verbreitung und Vervielfältigung in jedem Medium erlaubt, sofern der ursprüngliche Autor und die Quelle genannt werden.

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