Regelmäßiges Blutdruckmessen und die tägliche Tablette gegen Bluthochdruck gehören für viele Senioren zum Alltag. © dolgachov / iStock / Getty Images Plus

Hypertonie | Alter

WANN ES NICHT SINNVOLL IST, DEN BLUTDRUCK ZU SENKEN

Im Alter darf es etwas mehr sein – den Blutdruck auch konsequent nach dem 85. Lebensjahr zu senken, wirkt sich nicht positiv auf die Gesundheit aus. So das Ergebnis einer aktuellen prospektiven Beobachtungsstudie.

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Eigentlich gilt bei der Behandlung der Hypertonie: Je tiefer umso besser. In den deutschen Leitlinien wird bisher eine Senkung des systolischen Blutdrucks unter 140 mmHg empfohlen. Nach den Ergebnissen der SPRINT-Studie 2015 wird sogar über eine Senkung unter 120 mmHg diskutiert, vor allem Risiko-Patienten sollen davon profitieren. Die Studie wurde damals frühzeitig aus ethischen Gründen abgebrochen, da die Gruppe mit der stärkeren Blutdrucksenkung einen signifikanten gesundheitlichen Vorteil gegenüber ihrer Kontrollgruppe mit den Standard-Zielwerten von unter 140 mmHg zeigte. Und jetzt liest man, dass der Blutdruck im Alter ruhig höher gehalten werden kann? Dass eine Therapie mit blutdrucksenkenden Mitteln sogar mit einer erhöhten kognitiven Einschränkung und einem erhöhten Sterberisiko bei Senioren jenseits des 85. Lebensjahres einhergeht? Wie passt das zusammen?

Forscher der Universität Bern und Leiden begleiteten in der „Leiden 85-plus“-Studie eine Gruppe Senioren der Jahrgänge 1912 bis 1914 über einen Zeitraum von über 20 Jahren, genauer seit 1997. 44 Prozent der insgesamt 570 Probanden nahmen bereits zu Beginn der Studie blutdrucksenkende Mittel gegen arterielle Hypertonie ein. Und tatsächlich konnten die Wissenschaftler zeigen, dass die Senkung des Blutdrucks mit einem erhöhten Sterberisiko in Verbindung gebracht werden kann: Je tiefer der Wert sank, umso höher war die Sterblichkeit. Natürlich kann die Studie diesen Zusammenhang nicht beweisen, ein erhöhtes Lebensalter bringt nun mal auch ein erhöhtes Sterberisiko mit sich. Allerdings liegt die Vermutung einer Kausalität nahe, denn die Gruppe ohne blutdrucksenkende Mittel zeigte keine mit dem Blutdruck verbundene Sterblichkeit auf. Zusätzlich fiel auf, dass Patienten unter einer antihypertensiven Therapie auch schneller geistig, also kognitiv, abbauten.

Der Widerspruch zu bereits durchgeführten Studien, die einen niedrigen Zielwert auch für Senioren von unter 130 mmHg (aktuelle US-Empfehlung) aufführen, fiel natürlich auch den Forschern auf. Sie kritisieren vor allem die Durchführung der Studien und die Auswahlkriterien der Probanden – alte, gebrechliche Menschen mit hohem Sterberisiko werden meist von vornerein ausgeschlossen, müssten dann aber die leitliniengerechte Medikation einnehmen. In den Augen der Forscher sei dies nicht die geeignete Basis für die Auswahl einer Pharmakotherapie für betagte und hochbetagte Menschen. Hier liegt nach ihnen auch der Vorteil der „Leiden 85-plus“-Studie, die keine Selektion vornahm und alle Bewohner der niederländischen Stadt Leiden ab 85 Jahren einlud teilzunehmen. So fanden sich auch demente oder pflegebedürftige Personen unter den Teilnehmern.

Farina Haase,
Apothekerin, Volontärin

Quelle: Ärzteblatt

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