Bundestag | Gesetzentwurf
VORBEHALTE GEGEN DAS APOTHEKENSTÄRKUNGSGESETZ
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Mit dem Gesetzentwurf soll die flächendeckende Arzneimittelversorgung der Bevölkerung durch Vor-Ort-Apotheken gestärkt werden. Anlässlich einer Anhörung des Gesundheitsausschusses des Bundestages am 16. September, äußerten sich Sozial- und Gesudheitsexperten in schriftlichen Stellungnahmen dazu. Denn die geplante Neuregelung zur Einhaltung des einheitlichen Abgabepreises für verschreibungspflichtige Medikamente wird von den Experten als europarechtlich riskant eingestuft. Sachverständige kritisieren außerdem, dass den Apotheken mehr Geld für Dienstleistungen gewährt werden solle, die im Ergebnis womöglich kein Beitrag zur Verbesserung der Versorgung seien.
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung:
„Mit der Reform will die Bundesregierung nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) von 2016 einheitliche Preise für verschreibungspflichtige Medikamente sicherstellen und Rabattangebote europäischer Versandapotheken verhindern. Der Gesetzentwurf sieht dazu vor, dass die Regelungen zur Einhaltung des einheitlichen Abgabepreises für Arzneimittel in das Sozialgesetzbuch V (SGB V) eingefügt werden. Bei Verstößen drohen Vertragsstrafen von bis zu 50 000 Euro. Neu geregelt wird, dass die Rechtswirkung des Rahmenvertrages über die Arzneimittelversorgung auch für Versandapotheken aus der EU Voraussetzung dafür ist, zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) Arzneimittel als Sachleistung abgeben und abrechnen zu können. Darüber hinaus sollen Apotheker im Rahmen regionaler Modellvorhaben die Möglichkeit erhalten, Erwachsene gegen Grippe zu impfen. Zudem sollen Apotheker auf Wiederholungsrezepte bis zu drei weitere Male Arzneimittel an chronisch kranke Patienten ausgeben können. Apotheker sollen schließlich auch mehr Geld für Notdienste und spezielle Dienstleistungen bekommen, etwa für die Versorgung von Krebskranken oder Pflegefällen. Durch eine entsprechende Änderung der Arzneimittelpreisverordnung sollen 150 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden.“
Es herrschen gemischte Gefühle, was den Gesetzentwurf betrifft:
Die AOK hält Selektiverträge als Voraussetzung für eine Abrechnung mit der Krankenkasse für denkbar. Besonders in ländlichen Gebieten sei eine bessere Versorgung durch zusätzliche Leistungen von Apotheken erstrebenswert, allerdings gebe es immer noch keinen konkreten Themenkatalog für einheitliche pharmazeutische Dienstleistungen. Somit ist zu befürchten, dass Versichertengelder nicht zur Qualitätsverbesserung beitragen, sondern nur zu einem weiteren finanziellen Standbein für einzelne Apotheken wird, kritisierte der AOK-Verband.
Ähnlich kritisch äußerte sich der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV): Dieser möchte den Apothekenmarkt für neue Versorgungsformen öffnen und die Vergütung umstrukturieren. Die vorgeschlagenen Regelungen reichten laut GKV nicht aus, um eine patienten- und zukunftsorientierte Versorgung langfristig sicherzustellen. Außerdem bestünde die Gefahr, dass die Preisvorschrift nicht mit dem Europarecht vereinbar sei und dass die Geltung der gesamten Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) verloren gehe. Laut GKV müsse der Gesetzentwurf europarechtskonform ausgestaltet werden und pharmazeutische Dienstleistungen müssten einen „wirklichen“ Mehrwert bringen.
Auch die Bundesärztekammer (BÄK) und die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft äußerten sich kritisch zu den zusätzlichen pharmazeutischen Dienstleistungen. Diese könnten dazu führen, dass Leistungen doppelt honoriert werden, was Nachteile für das solidarisch finanzierte Gesundheitswesen mit sich brächten. Die BÄK ist gegen Impfungen durch Apotheker. Bei seltenen Impfkomplikationen seien ärztliche Notfallbehandlungen erforderlich.
Für den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) sei die geplante rechtliche Konstruktion unnötig: Die Vor-Ort-Apotheke bleibt laut DGB die mit Abstand wichtigste Anlaufstelle für Versicherte – Von den 35 Milliarden Euro, die Apotheken mit rezeptpflichtigen Medikamenten umsetzten, entfielen ein bis zwei Prozent auf den Versandhandel.
Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) hält den Gesetzentwurf für eine „tragfähige Grundlage“ für eine nachhaltig und spürbar gestärkte Arzneimittelversorgung. Allerdings sollte laut ABDA der einheitliche Apothekenabgabepreis auch für Arzneimittel gelten, die aus dem Ausland an Privatversicherte und Selbstzahler außerhalb der GKV abgegeben werden.
Sabrina Peeters,
Redaktionsvolontärin
Quelle: bundestag.de