Beziehungsstress
VOM UMGANG MIT SCHWIERIGEN KOLLEGEN
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Hier wird der „Kuppler“ anders tituliert. Die Person, die eine vermittelnde Tätigkeit ausübt, wird „Chef“ genannt. Und wenn der Chef eine Kollegin einstellt – gleiches gilt natürlich auch für einen männlichen Kollegen – die einem auf Anhieb unsympathisch ist, kann man dagegen so gut wie gar nichts tun. Oder doch? Die allererste Maßnahme besteht darin, den inneren Fatalismus zu bekämpfen: Selbstverständlich kann man nicht die Persönlichkeit der neuen Kollegin ändern.
Aber es ist durchaus möglich, die eigene Einstellung gegenüber der auf den ersten Blick unsympathisch wirkenden Kollegin zu modifizieren. Bloß weil jemand – beispielsweise durch den Kleidungsstil – sich von meiner Lebenswelt unterscheidet, muss diese Person nicht per se ein schlechter Mensch sein.
Auch eine äußerlich supermodische „Tussi“ hat ein Herz und ist vielleicht besonders tierlieb oder hilft ihrer Oma im Haushalt. Es ist also wichtig, eine andere Person nicht gleich in ein stereotypisches Raster einzuordnen. Geben wir der neuen Kollegin erst einmal eine Chance, sie wirklich kennenzulernen. Das bedeutet, dass wir uns darum bemühen, uns an den tatsächlichen Handlungen zu orientieren und nicht an unseren Vermutungen beziehungsweise Vorurteilen.
Empathie statt Antipathie Der zweite gedankliche Schritt besteht darin, sich in die neue Kollegin einzufühlen: Wie wird sie uns wahrnehmen? Könnte es sein, dass sie umgekehrt unser leger-sportliches Outfit als schlampig empfindet? Und wäre es dann auch denkbar, dass sie von vornherein damit auch einen etwas harscheren Umgangston im Miteinander assoziiert, der ihr so gar nicht liegt?
Einerlei, welche konkrete Typen-Konstellation vorliegt – Tatsache ist, dass die meisten Menschen im Berufsleben ihr Gegenüber unter zweierlei Fragestellungen mental abtasten: Kann ich dieser Person vertrauen? Und wird sie auch fachlich kompetent sein? Um Antworten auf beide Fragen zu finden, ist es wichtig, auch die Reihenfolge der beiden Grundfragen zu beachten und zuerst den emotionalen Aspekt zu klären: Bevor man in die eigentliche Arbeit einsteigt, ist ein unverbindliches Gespräch – etwa in der Pause bei einer Tasse Kaffee – hilfreich. Wir sollten dabei der „Neuen“ mit einer großzügigen Portion Freundlichkeit entgegenkommen.
Brücke bauen Das bedeutet nicht, dass man die eigenen Positionen verleugnet und als Weichei auftritt. Aber vielleicht kann man eine Brücke aus der eigenen Lebenswelt hin zu derjenigen der künftigen Kollegin bauen. Wenn man selbst beispielsweise ein Faible für schöne Blumen hat, dann besteht der kommunikative Bezugspunkt zur modisch auftretenden Kollegin darin, dass man gemeinsam einen Sinn für Ästhetik hat.
Übrigens: Es ist natürlich schlauer und wirkt auch sympathischer, wenn Sie beim ersten Gespräch viele Fragen stellen und nicht andauernd nur von sich selbst erzählen. Das signalisiert Interesse und sorgt für eine gute Atmosphäre im Kennenlern-Gespräch. Denken Sie daran: Bei Menschen, die denselben Beruf gewählt haben, ist die Wahrscheinlichkeit extrem groß, dass es auch noch einige weitere verbindende Schnittstellen gibt.
Fachlich nicht den Streber geben Wenn es dann, nach dem ersten kommunikativen Austausch auf der eher persönlichen Ebene um die Arbeit geht, ist es ebenfalls sinnvoll, zunächst ein wenig zurückhaltend zu agieren. Gleich die überkompetente Alleswisserin herauszuhängen ist für eine halbwegs harmonische Zusammenarbeit definitiv abträglich – schließlich sind Streber im Allgemeinen doch eher unbeliebt. Umgekehrt ist es ein feiner Zug, wenn man derjenigen Person, die sich auf neuem, ihr unbekanntem Terrain bewegt, auch bei passender Gelegenheit Anerkennung zollt. Das wirkt souverän und wird in der Regel mit Sympathiepunkten belohnt.
Bei Konflikten ruhig bleiben Aber wie sollte man sich verhalten, wenn es mit einer Kollegin dann doch zum Zoff kommt? Die allerwichtigste Empfehlung besteht darin, Ruhe zu bewahren und dadurch seinen Streitpartner auszutricksen: Act like Buddha did! Dazu eine kleine Geschichte: Als der weise Buddha eines Tages von einem Zeitgenossen übel beschimpft wurde, blieb er so lange ruhig, bis dieser irritiert fragte, warum er nicht reagiere. Buddha stellte dem Streithansel eine Gegenfrage: „Wem gehört ein Geschenk, das man nicht annimmt?“ Richtig, dem Schenkenden. Und genauso ist es auch mit dem Ärger. Wer sich auf einen „Streit-Geschenk“ erst gar nicht einlässt, hat schon gewonnen.
Deeskalierende Streit-Techniken Gelingt es aber partout nicht, einen Konflikt völlig abzuwenden, gibt es immer noch ein paar Streit-Techniken, die dazu beitragen, dass die Sache glimpflich abgeht. So ist es beispielsweise geschickt, seine Einwände grundsätzlich in der Ich-Form zu kommunizieren. Also: Statt darauf zu beharren, dass eine Behauptung ganz allgemein nicht wahr sei, ist folgende Formulierung vorzuziehen: „Ich habe diesen Vorfall aber anders wahrgenommen und empfunden als du.“
Einen Beitrag zur Versachlichung einer hitzigen Diskussion kann auch darin bestehen, eine kleine Pause zu initiieren. „Können wir später noch einmal darüber reden?“ ist die simpelste Form dieser Deeskalations-Technik. Manchmal muss man nicht gleich das komplette Gespräch verschieben, sondern es reicht schon, für eine kurze Unterbrechung zu sorgen und beispielsweise vorzuschlagen, dass man ein Glas Wasser holen möchte.
Sich nicht provozieren lassen So wie eine gut gemeinte Kritik hilfreich sein kann, so kann selbstverständlich eine Streiterei, bei der sich beide Seiten mit Respekt begegnen, auch Gutes bewirken. Dumm nur, dass viele Menschen dazu neigen, sich unreflektiert in Rage zu reden. Wenn dann die Emotionen hochkochen, fallen schnell Sätze, die alles niederbügeln – die berüchtigten Killerphrasen. Beispiele gefällig? „Was soll denn der Quatsch?“, „Davon hast du ja überhaupt keine Ahnung!“ oder „Was soll ich denn damit?“ Wenn ein Streit im schlechten Sinne schon so weit gediehen ist, wird es gefährlich.
Unter Umständen neigen wir dazu, uns unüberlegt Genugtuung zu verschaffen und auf der gleichen Ebene zu kontern: „Das sagt die Richtige!“ wäre beispielsweise ein typischer Gegenangriff. Wer dann auch noch seine Körpersprache nicht im Griff hat und etwa mit dem Zeigefinger herumfuchtelt, hat alles falsch gemacht. Denn: Blöderweise hat man sich mit solchen Reaktionen auf dasselbe niedrige Niveau begeben wie sein Konterpart. Und genau diese Niveaulosigkeit ist dann ursächlich der Grund, warum diese Art von (asozialen?) Streitereien unfruchtbar bleibt und in einer Art Beschuldigungs-Sackgasse endet.
Die Ebene wechseln Hier gibt es nur wenige Möglichkeiten, um wieder auf eine sachlichere Ebene zurückzukommen. So kann man beispielsweise darum bitten, genauer zu erläutern, warum etwas von der Gegenseite als „Quatsch“ empfunden wird. Oder man beschreibt aus einer übergeordneten Perspektive den Gesprächsverlauf und versucht, seinem Kontrahenten damit klar zu machen, dass man sich emotional verheddert hat. Hilft auch dieser Abkühlungsversuch nicht, ist es vermutlich das Beste, das Gespräch freundlich zu beenden und möglicherweise am nächsten Tag bei geeigneter Gelegenheit den Gesprächsfaden wieder aufzunehmen.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 03/18 ab Seite 64.
Claus Ritzi, Pharmajournalist (wdv)