Nikotin ist eine Substanz, die blitzschnell abhängig macht. Forscher untersuchen eine neue Therapiemöglichkeit, die Rauchern das Abgewöhnen ermöglichen soll. © Ralf Geithe / iStock / Getty Images Plus

Dopamin und GABA | Belohnungssystem

VIELVERSPRECHENDER NEUER THERAPIEANSATZ GEGEN DIE NIKOTINSUCHT

Es ist schon komisch: Da wird einem nach der ersten Zigarette schlecht und dann möchte man die Finger nicht mehr vom Rauchen lassen. Wissenschaftler haben nun den widersprüchlichen Effekt von Nikotin untersucht – in der Hoffnung, neue Therapiemethoden zur Behandlung von Nikotinabhängigkeit zu finden.

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Nikotin ist, wie alle wissen, eine stark suchterzeugende Substanz und man kommt nicht so ohne weiteres von ihr los. Es scheint paradox, dass sich die Berichte alle ähneln: Beim ersten Zug an der Kippe schmeckt alles eklig, manche Menschen erbrechen sich sogar und einige wenige sind bereits nach diesem einen Erlebnis für alle Zeit geheilt. Doch bei den vielen anderen kommt es zu einem besonderen Effekt: Was zuerst als unangenehm empfunden wurde, wandelt sich in ein angenehmes Gefühl, das man stets wiederholen möchte: eine Sucht eben.

Forscher um den Wissenschaftler Taryn Grieder von der University of Toronto wollten wissen, wo die Aversion im Gehirn entsteht, denn bisher nahm man an, dass die Ursache für die gegensätzlichen Wirkungen von Nikotin auf Nervenreaktionen in verschiedenen Teilen des Gehirns beruht. In Toronto verfolgte man allerdings eine andere Spur: Der Fokus des Teams richtete sich auf unterschiedliche Nerven in einem speziellen Gehirnareal, das für sein Belohnungssystem bekannt ist: das Tegmentalis ventralis Areal (VTA). Es schüttet in zwei Teilbereichen unterschiedliche Neurotransmitter aus: Dopamin oder GABA (Gamma Amino-Buttersäure). Speziell gezüchtete Mäuse hatten entweder nur Dopamin- oder nur GABA-Rezeptoren, sodass man die belohnende oder abschreckende Wirkung von Nikotin genau zuordnen konnte.

Dabei zeigte sich: Die Dopamin-Neuronen im VTA waren für die Abneigung verantwortlich, während die GABA-Neuronen bei den Mäusen Belohnungsgefühle im Zusammenhang mit Nikotingaben vermittelten. Das steht interessanterweise im Widerspruch zu der bisher angenommenen Regel, dass Dopamin das wichtigste Belohnungssystem im Hirnsystem darstellt. Doch Nikotin hat wohl die Fähigkeit, verschiedene Neuronen anzusprechen, die dann wieder auf andere Regionen zugreifen. Die Forscher fanden nun folgendes heraus: Wenn jemand zum ersten Mal raucht, zielt das Nikotin auf alle seine Rezeptoren im VTA ab und erzeugt sowohl Gefühle des Vergnügens als auch der Abneigung. Wenn der „Ersttäter“ dann weiter raucht, verschiebt sich das System zugunsten des Vergnügens: „Je mehr jemand raucht, desto mehr verändern sich die Mengen an Rezeptoren und die Signalprozesse im Belohnungssystem des Gehirns“, erläutert das Grieder.

Und wenn sich schließlich die Nikotinabhängigkeit einstellt – das geht ganz schnell – ändert sich offenbar auch die Rolle der Dopamin-Neuronen. Während sie bei nicht abhängigen Tieren für die Abneigung verantwortlich sind, vermitteln sie bei abhängigen Mäusen wiederum die Abneigung gegen den Entzug der Substanz. Die angenehme Wirkung wird nun um den Drang erweitert, das Gehirn weiter mit Nikotin zu versorgen. „Wenn man zur Sucht übergeht, ändert sich das Motivationssystem des Gehirn“, sagt Grieder. „Es geht nicht mehr nur darum, das gute Gefühl zu bekommen – es geht darum, die schlechten Gefühle zu lindern, wenn nicht genug Nikotin im System vorhanden ist.“

Ansatz der Forscher ist es nun, eine bekannte Therapie bei Alkoholismus auch bei Rauchern anzuwenden: Durch ein Medikament wird die Verwendung der Substanz so unangenehm für den Nutzer, dass er die Finger davon lässt. Denn die zurzeit verwendeten Nikotinersatztherapien haben allesamt nur einen mäßigen Erfolg.

Alexandra Regner,
PTA und Journalistin

Quelle: www.wissenschaft.de

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