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Kaffee

UNGESUND? NICHT DIE BOHNE!

Lange Zeit hielt man das koffeinhaltige Getränk für gesundheitsschädlich. Doch neuere Studien zeigen: Es kann sogar vor Krankheiten schützen. Doch wer sollte sich beim Konsum besser zurückhalten?

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Dass das Getränk munter macht, ist bereits seit dem neunten Jahrhundert bekannt. In der Region Kaffa im Südwesten Äthiopiens wurde die Kaffeebohne nämlich der Legende nach von hungrigen Ziegen als Nahrungsmittel entdeckt. Als diese dann mitten in der Nacht noch putzmunter waren, kamen die Hirten auf die Idee, die Frucht selbst zu nutzen. Sie zermahlten sie und verarbeiteten sie mit Öl zu kleinen Kugeln, die sie dann während ihrer langen Wanderungen kauen konnten, um wach zu bleiben.

Der Siegeszug des Kaffees Aus Äthiopien brachten Sklavenhändler die Bohnen bereits im 14. Jahrhundert in die arabische Welt, aber erst hundert Jahre später lernte man dort den Kaffee als Getränk schätzen. Der Hauptumschlagplatz für den Handel war die Stadt Mokka . Die gesamte arabische Welt verfiel dem Genussmittel und auch im Osmanischen Reich entstanden immer mehr Kaffeehäuser.

DIE DOSIS MACHT DAS GIFT
Wie viel Koffein zu viel ist, ist individuell unterschiedlich und auch abhängig vom bisherigen Konsum. Dosen über ein Gramm gelten als gefährlich, bei Kindern können etwa zehn Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht sogar schon grenzwertig sein. Zum Vergleich: Eine Tasse Kaffee enthält etwa 100 Milligramm Koffein. Zehn Gramm gelten als tödlich für einen Erwachsenen, das entspricht also etwa 100 normalen Tassen Kaffee. Natürlich kann niemand so viel Koffein allein durch Kaffeetrinken aufnehmen. Doch mit Starbucks & Co. sind auch bei uns die XXL-Mengen eingezogen. So enthält der Kaffee „Grande” mit seinem halben Liter etwa 500 mg Koffein – so viel wie fünf normale Tassen Kaffee. Bei vielen kann das schon unangenehme Begleiterscheinungen auslösen.

Doch gleichzeitig entbrannte auch eine heftige Diskussion darüber, ob Kaffee nützlich oder schädlich sei. Viele verteufelten ihn als Droge, so wie der Statthalter des ägyptischen Sultans, der 1511 alle Kaffeehäuser in Mekka schließen ließ. Auch später noch bekämpften die Sultane die Kaffeesucht immer wieder mit Verboten, was aber nur den illegalen Handel und Konsum anregte. Unter Sultan Murad dem Vierten (1612 bis 1640) wurde der Konsum sogar mit dem Tod bestraft. Erst 1839 wurde das Getränk im Osmanischen Reich legalisiert, da war er in anderen europäischen Ländern schon längst angekommen: Venedig, London, Amsterdam, Bremen und Hamburg wurden Anfang des 17. Jahrhunderts die größten Umschlagplätze.

Von der Droge zum Szenegetränk Somit konnte sich der Kaffee auch in Europa etablieren, doch die Bohnen waren teuer und der Genuss nur den Reichen vorbehalten. Auch diese Zeiten sind lange vorbei. Mittlerweile gehört eine Tasse Kaffee für viele zum Frühstück, das „Kaffeetrinken”, hat sich für den Nachmittag etabliert, und seit es Kaffeehausketten gibt ist er in seinen vielen Spielarten sogar zum Szenegetränk geworden.

Es gibt viele verschiedene Sorten und unterschiedliche Röstverfahren. Bei uns wird hauptsächlich Café Arabica und Café Robusta getrunken, meist in der Frühstücksröstung, das heißt, nicht zu hell und nicht zu dunkel. Je nach Sorte, Röstverfahren und Zubereitungsart schmeckt der Kaffee unterschiedlich und belastet den Körper auch anders. Denn eine Sache hat sich in all den Jahrhunderten kaum geändert: Die Diskussion darüber, ob er nun der Gesundheit schadet oder nicht. Schuld daran ist der Hauptwirkstoff im Bohnenkaffee: das Koffein. Es ist im Gegensatz zum Ersatzkaffee aus Malz, Getreide oder Zichorie nur im Bohnenkaffee enthalten.

Der „Wachmacher-Effekt” durch Koffein Dieses verursacht die belebende Wirkung, denn es gehört zur Gruppe der stimulierenden psychotropen Drogen, das heißt der Stoffe, die unsere Wahrnehmung anregen. Koffein ist nicht nur in Kaffee, sondern auch in Tee enthalten, allerdings ist es dort an Polyphenole gebunden und wird dadurch erst im Darm aus den Blättern gelöst. Im Kaffee liegt Koffein hingegen in einem Chlorogensäure-Kalium-Komplex vor und wird bereits im Magen freigesetzt, wodurch Kaffee uns schneller anregt als Tee.

Koffein kann die Blut-Hirn-Schranke passieren und wirkt als Adenosinantagonist direkt auf das zentrale Nervensystem. Adenosin ist der Stoff, der uns entspannt und müde macht. Er entsteht in den Nervenzellen bei jeder Reizübermittlung. Je höher die Nervenaktivität, desto mehr Adenosin wird gebildet. Anschließend dockt es an spezielle Rezeptoren auf den Nervenzellen an und blockiert dadurch anregende Neurotransmitter wie Noradrenalin oder Dopamin. Dadurch wird die Nerventätigkeit zurückgefahren, die Gefäße weiten sich und der Blutdruck sinkt – kurz: der Körper entspannt.

Adenosin bewahrt unser Gehirn und unseren Körper also vor Überanstrengung, macht uns aber auch müde, weil es auf das Schlafzentrum einwirkt. Koffein verhindert diese Wirkung, da es eine ähnliche Struktur wie Adenosin hat und daher an die gleichen Rezeptoren andockt, allerdings ohne sie zu aktivieren. Somit sind sie für das Adenosin geblockt, und dem Gehirn wird die Botschaft „einen Gang runterschalten” nicht übermittelt.

»Koffein gehört zur Gruppe der stimulierenden psychotropen Drogen.«

Im Gegenteil: Durch das Koffein erhöht sich die Herzfrequenz und auch der Blutdruck steigt leicht. Hierdurch wird dem Gehirn ein vermehrter Energiebedarf vorgespiegelt, woraufhin der Körper den Stoffwechsel hochfährt. Auch die Bronchien erweitern sich, sodass der Körper mehr Sauerstoff aufnehmen kann. Die Spannung der Gehirngefäße (Hirntonus) wird erhöht, was Leistungsfähigkeit und Konzentration steigert. Zudem weiten sich die Blutgefäße in Armen und Beinen, was zu einer besseren Durchblutung der Extremitäten führt.

Koffein schärft also nicht nur unsere Sinne, sondern macht unseren Körper auch leistungsbereiter. Außerdem kann es Schmerz hemmen, denn Adenosin kann an den Nervenenden einen unverhältnismäßigen Schmerzreiz (Hyperalgesie) auslösen. Werden die Adenosin-Rezeptoren durch Koffein blockiert, wird auch dieser Schmerzreiz unterbrochen.

Zu viel Koffein Diese Wirkungen hat Koffein allerdings nur, wenn man normale Mengen davon zu sich nimmt. Führen wir unserem Körper zuviel davon zu, werden Gehirn und Körper durch die übermäßig lange Blockade der Adenosinrezeptoren überanstrengt. Wir bekommen Herzrasen, Angstzustände, Schweißausbrüche und Durchfall, denn Koffein regt auch die Darmperistaltik an. Es wirkt dann auch nicht mehr nur auf die Hirnrinde, sondern auf alle Gehirnareale, die an der Motorik beteiligt sind und wir werden zappelig und unruhig.

frisch geröstete kaffeebohnen
Beim Rösten kommt es zum Aufplatzen der Bohne.

Allerdings reagiert der Körper auf starken, länger anhaltenden Kaffeekonsum mit dem Ausbilden neuer Adenosinrezeptoren, sodass bereits nach einer Woche die anregenden und schmerzstillenden Wirkungen des Kaffees abnehmen. Dieser Gewöhnungseffekt erklärt auch, warum Kaffee bei Vieltrinkern eigentlich gar keine belebende Wirkung mehr hat. Er kann andererseits auch zu einer leichten Abhängigkeit führen, die sogar Entzugssymptome wie Kopfschmerzen hervorrufen kann. Nimmt man dann ein Schmerzmittel mit Koffein ein, verschwindet zwar der Entzugskopfschmerz, dafür hat man dem Körper aber wieder abhängig machendes Koffein zugeführt – ein Teufelskreis.

Die beruhigende erste Viertelstunde Das Koffein im Kaffee wirkt nicht sofort nach dem Trinken, sondern etwa erst eine Viertel- bis halbe Stunde danach. Zuerst wirkt das Getränk also tatsächlich beruhigend, sogar einschläfernd, weil das Schlafzentrum im Gehirn besser durchblutet wird. Passt man diese Zeit vor der eigentlichen Wirkung des Koffeins ab, kann man Kaffee als Einschlafhilfe nutzen. Diese Wirkung macht man sich mittlerweile in Altenheimen und Krankenhäusern zu Nutze. Hierdurch verhindert man auch den für ältere Menschen typischen Atemabfall beim Hinlegen, sodass dadurch das Einschlafen leichter fällt.

Kaffee zur Krebsvorsorge? Er enthält ein wichtiges Vitamin, das Niacin (Nikotinsäure). Dieses ist an vielen Stoffwechselvorgängen beteiligt, wird zur Zellregeneration benötigt und besitzt möglicherweise eine antioxidative Wirkung, die eventuell vor Krebs schützen könnte. Bisherige Studien hierzu scheinen das zu bestätigen: So verringern sechs bis sieben Tassen Kaffee pro Tag das Brustkrebsrisiko offenbar um bis zu 40 Prozent. Bereits bei normalen Konsum sinkt das Risiko für Nierenkrebs um mehr als die Hälfte. Außerdem wurden schützende Wirkungen von Kaffee bei Dickdarm- und Blasenkrebs nachgewiesen. Seit man vermutet, dass ein Mangel des Botenstoffs Dopamin eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Parkinson und Alzheimer spielt, wird Kaffee auch hier eine gesundheitsfördernde Wirkung zugesprochen, da er die Ausschüttung von Dopamin erhöht.

VORSICHT SCHWANGERE!
Eine Gruppe sollte sogar ganz auf Kaffee verzichten: Bei werdenden Müttern zeigten Untersuchungen, dass mit jeder Tasse das Risiko für eine Totgeburt steigt. Vier bis sechs Tassen pro Tag erhöhten das Risiko um 80 Prozent, ab der siebten Tasse sogar um 200 Prozent.

Die vier größten MythenKaffee entzieht dem Körper Wasser: Früher empfahl man, pro Tasse Kaffee ein Glas Wasser zu trinken. Heute weiß man, dass Kaffee den Körper nicht austrocknet. Tatsächlich hat er anfänglich eine leicht harntreibende Wirkung. Diese nimmt jedoch schon nach kurzer Zeit der Gewöhnung ab, denn der Körper produziert einfach größere Mengen des Hormons, das den Wasserhaushalt steuert. Regelmäßige Genießer dürfen Kaffee also zu ihrer täglichen Flüssigkeitsbilanz hinzurechnen.

Bei Magenproblemen sollte man nur entkoffeinierten Kaffe trinken: Auch das ist nicht richtig. Die Magenschmerzen entstehen nicht durch das Koffein, sondern durch die Bitterstoffe und die Chlorogensäure, die im Kaffee enthalten sind. Statt auf koffeinfreien sollte man also lieber auf langsam und schonend gerösteten Kaffee setzen. Je langsamer dieser geröstet wird und je geringer die Hitze beim Röstprozess ist, desto weniger magenfeindliche Stoffe enthält er.

Kaffee ist schlecht fürs Herz: Natürlich bekommt man nach dem übermäßigen Genuss von koffeinhaltigem Kaffee Herzrasen, diese Beschwerden verschwinden jedoch wieder. In groß angelegten Studien wurde nie eine dauerhafte Schädigung des Herz-Kreislauf-Systems durch Kaffeegenuss nachgewiesen.

Kaffee verursacht Diabetes: Immer wieder wurde behauptet, dass Kaffee die Insulinproduktion hemme. Eine Studie aus dem Jahr 2004 mit über 100 000 Teilnehmern zeigte aber, dass ein Genuss von sechs bis sieben Tassen am Tag das Diabetesrisiko bei Männern um 50, bei Frauen um 30 Prozent senkte.

Fazit Kaffee ist also viel besser als sein Ruf. Trotzdem sollten chronisch Herzkranke vorsichtig sein und nicht mehr als eine Tasse Kaffee pro Tag konsumieren.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 10/12 ab Seite 138.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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