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Flugangst

UNERREICHBARE FERNZIELE

Die Bandbreite reicht von leichtem Unbehagen bis zu völliger Panik. Manche Betroffene weigern sich sogar, in die Maschine zu steigen. Dabei könnte den meisten geholfen werden, wenn sie sich damit auseinandersetzen würden.

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Der berühmte Filmemacher Lars von Trier legt auch sehr weite Strecken lieber auf dem Boden zurück, ebenso wie Schauspielerin Whoopi Goldberg. Während diese beiden offen über ihre Flugangst reden, verstecken sich andere lieber hinter Schutzbehauptungen wie“ Ich lehne Fliegen wegen der damit verbundenen Umweltverschmutzung ab“.

Dabei ist Flugangst weit verbreitet: In einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach gaben 16 Prozent der Interviewten an, Angst vor dem Fliegen zu haben. Weitere 22 Prozent verspürten im Flugzeug immerhin ein Unbehagen. In einer Erhebung der GfK Marktforschung litten drei Prozent der Teilnehmer unter Flugangst mit starken Angstgefühlen, jeder zwölfte fühlte sich im Flieger unsicher und nervös. Knapp neun Prozent der befragten Personen waren aufgrund ihrer Angst noch nie geflogen. Aber auch Vielflieger, die bislang keine Probleme hatten, kann sie plötzlich treffen.

Die Angst vor dem Fliegen gehört zu den so genannten konkreten Angststörungen oder Phobien. Wissenschaftlich spricht man auch von Aviophobie. Wie alle Phobien zeichnet sich die Flugangst durch eine Angstreaktion aus, die durch eine bestimmte Situation ausgelöst wird, ohne dass objektiv eine akute Bedrohung oder Gefahr besteht. Je nach Ausprägung kann sie sich lediglich durch ein leichtes Unbehagen bemerkbar machen. Am anderen Ende der Skala jedoch steht panische Angst, die das Fliegen unmöglich machen kann.

Symptome Eigentlich ist Angst eine ganz normale und wichtige Funktion des Körpers: Sie versetzt ihn in die Lage, in einer potenziell gefährlichen Situation mit erhöhter Leistungsfähigkeit zu reagieren. Normalerweise sollte sie daher nur in tatsächlich bedrohlichen Situationen auftreten und nach überstandener Gefahr wieder abklingen.

Bei einer Angststörung wie der Flugangst ist dieses Gleichgewicht gestört. Körperlich kann sie sich auf unterschiedliche Weise äußern. Zu typischen Symptomen gehören Schweißausbrüche, Herzrasen, feuchte oder kalte Hände, Durchfall, Übelkeit oder auch das Gefühl, keine Luft zu bekommen. Wovor genau die Betroffenen Angst haben, ist verschieden: So sind laut Lufthansa besonders Menschen gefährdet, die zu Platz-, Kontakt- oder Höhenangst neigen.

Diese Faktoren treffen auf das Fliegen im besonderen Maße zu, es entsteht das Gefühl, der Situation machtlos ausgeliefert zu sein. Manche Menschen haben auch Angst vor Turbulenzen, davor abzustürzen oder befürchten bei völlig normalen Fluggeräuschen Triebwerkausfälle. Mitunter werden die körperlichen Symptome der Angst selbst als bedrohlich oder sogar lebensbedrohlich empfunden – die Angst verstärkt sich – ein Teufelskreis entsteht. Manche Betroffene entwickeln Angst vor der Angst.

Die natürliche Reaktion ist, Flugreisen zu vermeiden. Solange man beruflich nicht fliegen muss und sowieso am liebsten im Schwarzwald oder an der Ostsee Urlaub macht, ist dagegen nichts einzuwenden. Aber was, wenn im Job doch mal ein Flug angesagt ist, ein Reisebericht aus Peru doch neugierig gemacht hat oder gar der Nachwuchs ein Jahr in Übersee plant? Dann hilft nachgewiesenermaßen eins: Der Angst ins Auge blicken.

Schnelle Behandlungserfolge Wie viele Phobien ist auch die Flugangst gut behandelbar. Das Prinzip ist einfach: Wem es gelingt – zunächst nach spezieller Vorbereitung und mit professioneller Unterstützung – eine Flugreise zu unternehmen, wird die Erfahrung machen, dass er unbeschadet am Ziel ankommt und die befürchteten Katastrophen nicht eingetreten sind. Beim nächsten Mal wird die Angst schon etwas geringer ausfallen.

Gute Behandlungserfolge lassen sich durch eine kognitive Therapie, eine Verhaltenstherapie oder eine Kombination aus beiden erzielen. Bei der Ersteren (cognoscere, lat. erkennen, wahrnehmen) geht es im Gespräch mit dem Therapeuten darum zu erkennen, welche – unpassenden – Denkmuster zu der Flugangst führen. Diese werden dann gezielt aufgebrochen und bewusst verändert. Durch eine Verhaltenstherapie sollen entsprechend eingefahrene -muster erkannt und verändert werden. Auch Entspannungstechniken spielen eine wichtige Rolle.

Zu den bekanntesten Maßnahmen gegen Flugangst zählen Seminare, wie sie beispielsweise in Zusammenarbeit mit einer Airline angeboten werden. Diese bestehen typischerweise aus drei Bausteinen. Zum einen erläutert ein erfahrener Pilot die technischen Grundlagen des Fliegens. Viele Katastrophengedanken können hierdurch abgemildert werden, weil sich herausstellt, dass sie auf Unwissen und Irrtümern basieren.

Außerdem vermitteln Psychologen wissenschaftliche Informationen über das Phänomen Angst und stellen die Ungefährlichkeit der körperlichen Symptome heraus. Die Teilnehmer erlernen Entspannungsmethoden wie progressive Muskelentspannung und Atemtechniken. Schließlich werden unpassende Gedankenmuster analysiert und Techniken erlernt, wie diese unterbrochen beziehungsweise ersetzt werden können.

Ausgerüstet mit diesem neuen Wissen und Handwerkszeug unternehmen die Seminarteilnehmer in Begleitung der Psychologen zum Abschluss des Seminars einen Flug. Die Erfahrung zeigt, dass fast alle sich trauen teilzunehmen und dass bei ihnen die Angst auf dem Rückflug bereits deutlich geringer ist als auf dem Hinflug. In Einzelfällen können die Probleme aber auch tiefer liegen, sodass die üblichen Seminare nicht ausreichen, um sie zu lösen. Andererseits wird es vielfach genügen, sich anstelle eines (kostenpflichtigen) Seminars ein Buch zum Thema zu besorgen und durchzuarbeiten.

Tipps gegen Flugangst Wem etwas mulmig ist, dem helfen vielleicht auch einfache Tricks: Wer bereits am Tag vorher eincheckt, bekommt mit hoher Wahrscheinlichkeit seinen Wunschsitzplatz. Um nicht in Stress zu geraten, sollte man ausreichend früh am Flughafen sein. Kleidung im Zwiebellook kann man dem Bedarf – Frösteln oder Schweißausbruch – anpassen.

Wer die Crew direkt beim Einsteigen informiert, dass er etwas flugängstlich ist, dem fällt es während des Flugs vielleicht leichter, Fragen zu stellen – und beruhigende Antworten zu bekommen. Zudem kann es hilfreich sein, sich mit dem Nachbarn unterhalten oder sich mit einem spannenden Buch oder Film abzulenken. Kommt die Angst doch, kann man mit Atem- und Entspannungstechniken gegenarbeiten. Medikamente, wie zum Beispiel Beruhigungsmittel, sollten nur in Absprache mit einem Arzt eingenommen werden. Alkohol ist nicht zu empfehlen.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 10/13 ab Seite 138.

Dr. Anke Benckendorff, Medizinjournalistin

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