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Ektoparasiten

(UN)-SICHTBARE PLAGEGEISTER

Wer von Läusen, Flöhen oder Milben befallen ist, hat meist nicht nur ein medizinisches, sondern auch ein gesellschaftliches Problem. Denn nur zu gerne unterstellt man ihm mangelnde Sauberkeit, auch wenn das oft gar nicht stimmt.

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Läuse, Wanzen, Flöhe und Milben, aber auch Stechmücken oder Zecken zählen zu den Ektoparasiten, also Parasiten, die äußerlich an ihrem Wirt schmarotzen. Dabei schaden sie ihm zwar nicht direkt, können aber Folgeinfektionen auslösen oder gefährliche Krankheiten übertragen. Parasiten vermehren sich gerne dort, wo ungünstige hygienische Bedingungen herrschen und Menschen dichtgedrängt zusammen leben.

Daher assoziieren viele mit einem Parasitenbefall sofort die Schlagworte „unhygienisch” oder gar „asozial”. Tatsächlich gingen viele Ektoparasitenepidemien, vor allen Dingen mit Kopfläusen und Bettwanzen, mit der Verbesserung des Lebensstandards und der Hygiene stark zurück. Seit ein paar Jahren sind einige der unliebsamen Untermieter aber wieder auf dem Vormarsch – und mangelnde Hygiene hat damit wenig zu tun.

Die Rückkehr der Bettwanzen Sie galten hier zu Lande schon als ausgestorben. Doch seit einigen Jahren kehren die kleinen Blutsauger in die Schlafzimmer der Deutschen zurück. Der Grund: Fernreisen und Warenexporte aus fremden Ländern, über die Bettwanzen als „blinde Passagiere” wieder eingeschleppt wurden. Dabei reisten sie mit Containerschiffen, in Cargoflugzeugen und in Urlaubsmitbringseln oder warteten schon in fremden Hotelbetten.

Bereits vor zwei Jahren meldeten die USA Bettwanzenalarm. Zwei weltbekannte, exklusive Markenläden mussten sogar schließen, weil ihre Waren wanzenverseucht waren. Normalerweise spritzen die Händler in ihren Lagern regelmäßig Pestizide, doch die Tiere waren gegen die Gifte immun geworden. Ein Riesenproblem, denn resistente Parasiten können sich munter vermehren – und das auch bei uns. Vorsicht ist daher auch bei heimischen Second-Hand-Waren oder Antiquitäten geboten, denn Bettwanzen verstecken sich gerne in CD-Hüllen, zwischen Buchseiten oder in Bilderrahmen, wo sie monatelang ohne Nahrung überleben können. Der ahnungslose Käufer schleppt sie dann unbemerkt in seine Wohnung ein.

Wanzen werden schnell zur Plage Sie sind etwa fünf Millimeter lang und können bis zu eineinhalb Jahre alt werden. In dieser Zeit bringen sie Unmengen an Nachkommen zur Welt, denn ein Bettwanzenweibchen legt täglich bis zu zwölf Eier und die Larven sind nach zwei Monaten ebenfalls wieder geschlechtsreif. Sie ernähren sich vom Blut ihrer Wirte. Nachts werden sie von der Körperwärme angelockt und saugen sich minutenlang mit Blut voll.

Da Bettwanzen nur nachts aktiv und mit dem bloßen Auge kaum zu erkennen sind, denken Betroffene zuerst einmal an eine Mückenplage, denn die Bissstellen jucken stark. Auf einen Bettwanzenbefall kann jedoch ein ganz spezifischer Geruch hinweisen: Ein stinkendes Sekret, dass die Parasiten über eine Drüse an ihren Beinen abgeben. Sein Geruch ist süßlich- ölig und sehr unangenehm. Blutflecken auf den Laken, Wanzenkot oder die abgeworfenen, bräunlichen Hüllen der gehäuteten Wanzen können ebenfalls ein Indiz für einen Befall sein.

Die Parasiten können monatelang ohne Nahrung und Wasser überleben. Sie verstecken sich in kleinsten Ritzen, häufig in den Tapetenstößen, daher auch ihr umgangssprachlicher Name „Tapetenflunder”. Hat man sie erst einmal in der Wohnung, bekommt man sie nur schwer wieder los. Wirkliche Abhilfe kann nur ein Schädlingsbekämpfer schaffen, denn es müssen hochwirksame Insektizide eingesetzt werden. Da besonders die Eier sehr widerstandsfähig sind, muss die Behandlung mehrmals wiederholt werden. Meist kommt auch noch eine Wärme- oder Kältebehandlung zum Einsatz.

»Für Ektoparasiten muss sich niemand schämen, da man bei einem Befall nicht auf mangelnde Hygiene schließen kann.«

Beim Verdacht auf Bettwanzen sollte man auf jeden Fall einen Fachmann rufen, da der Befall sonst sehr schnell außer Kontrolle geraten kann. Bettwanzen verursachen aber nicht nur Juckreiz, sondern können für Menschen wirklich gefährlich werden. So reagieren manche Menschen allergisch auf einen Biss bis hin zum anaphylaktischen Schock. Zudem konnte man in den Parasiten schon über 20 verschiedene Erreger nachweisen, darunter auch Hepatitis- und HI-Viren. Generell wäre also sogar eine Infektion mit HIV über eine Bettwanze möglich, ein solcher Fall wurde jedoch noch nie dokumentiert.

Filzläuse Ein Parasit, der in den westlichen Industrienationen mittlerweile sehr selten geworden ist, ist die Filzlaus. Wer dennoch betroffen ist, für den ist ein solcher Befall jedoch mit der wohl größten Scham verbunden, denn Filzläuse siedeln sich bevorzugt im Genitalbereich an und werden auch meist beim Geschlechtsverkehr übertragen. Daher gehören sie zu den sexuell übertragbaren Krankheiten. Seltener wechseln die Läuse über Kleidung, Bettwäsche oder Handtücher ihren Wirt. Manchmal siedeln sie sich auch im Brust- oder Achselhaar an, in Kopfoder Barthaaren hingegen sind sie fast nie zu finden.

Filzläuse sind wirtsspezifisch, sie befallen nur Menschen und da – bedingt durch die Übertragungsart – hauptsächlich Erwachsene. Nur einen knappen Millimeter sind die kleinen Blutsauger groß, trotzdem kann man sie mit bloßem Auge als schwarze Punkte erkennen. Filzläuse besitzen bekrallte Beine, mit denen sie sich an Haaren sehr gut festhalten können. Dort legt sie auch ihre Eier ab, die „Nissen”, die sie mit einem speziellen Sekret in der Nähe der Haarwurzel befestigen. Das Sekret trocknet und wird dabei hart, so dass die Nissen sehr fest am Haarschaft kleben.

Bis zu drei Eier kann ein Weibchen pro Tag legen. Nach einer Woche schlüpfen die Larven, die zwei Wochen später selbst geschlechtsreif sind. Die Blutmahlzeit einer Filzlaus kann sich über Stunden hinziehen, daher entstehen an der Bissstelle auch meist kleine Blutergüsse, die sich blau oder graublau verfärben. Der Biss löst einen brennenden Juckreiz aus. Werden die betroffenen Stellen zu stark gekratzt, können sich auch sekundäre Hautinfektionen entwickeln.

Generell können die Wunden Krankheitserregern als Eintrittspforte dienen, daher sollte ein Filzlausbefall so schnell wie möglich behandelt werden. Allerdings fällt er meist erst relativ spät durch den Juckreiz und die blauen Verfärbungen an den Bissstellen auf, denn die Parasiten verharren am liebsten an ein und derselben Stelle. Manchmal finden sich kleine rotbraune Flecken an der Wäsche, wobei es sich um den Kot der Läuse handelt.

Auch bei Filzlausbefall spielt mangelnde Hygiene nur eine untergeordnete Rolle. Vielmehr ist eher das Sexualverhalten ausschlaggebend. Kondome können einen Befall mit Filzläusen nicht verhindern, da die Tiere sich über die Schamhaare weiter verbreiten.

Filzläuse bekämpfen Es gibt spezielle Medikamente, meist mit den Wirkstoffen Permethrin, Pyrethrum oder Dimeticon. Zusätzlich werden die betroffenen Stellen nass mit einem speziellen Läusekamm ausgekämmt, der auch die Nissen entfernt. Diese Behandlung muss mehrmals durchgeführt werden, so lange, bis man keine Eier oder Läuse mehr im Kamm findet. Unterstützend kann man die Haare im Schambereich abrasieren.

WAS TUN BEI BETTWANZENBEFALL
+ Sämtliche Bett- und Nachtwäsche mit 90 °C waschen
+ In einem anderen Zimmer schlafen
+ Bei Licht schlafen (Wanzen kommen bei Licht nicht gerne aus ihren Verstecken)
+ Bissstellen mit Juckreiz stillenden Gels versorgen, möglichst Produkte mit desinfizierender Wirkung wählen
+ Bei allergischer Reaktion Antihistaminika einsetzen, Arzt aufsuchen
+ Umgehend einen Schädlingsbekämpfer bestellen

Um einen Neubefall zu verhindern, muss Wäsche bei mindestens 60 °C gewaschen werden. Wenn das nicht geht, sollte sie luftdicht für mindestens einen Monat in Plastiksäcken verstaut werden. Die Wäsche ins Kühlfach zu geben, wie das zum Beispiel bei Motten empfohlen wird, ist bei Läusen kontraproduktiv, denn bei geringer Temperatur verlängert sich ihre Lebenszeit! Kämme und Bürsten sollte man eine Viertelstunde in 60 °C heißem Wasser einweichen und danach eine Stunde lang in eine Desinfektionslösung legen.

Milben sind Spinnentiere. Am bekanntesten sind wohl die Hausstaubmilben, die sich in Matratzen, Teppichen und Polstern ansiedeln und sich von den Hautschuppen ihres Wirtes ernähren. Eigentlich sind sie harmlos, können jedoch bei einigen Menschen schwere Allergien auslösen. Bei schon bestehenden Allergien sollte man vorbeugen: Glatte, leicht zu reinigende Bodenbeläge statt Teppich, Bettwäsche jeden Tag lüften und häufig waschen, Matratzen ebenfalls regelmäßig lüften, spezielle Allergikermatratzenschoner benutzen sowie waschbare Kopfkissen und Decken kaufen.

Ein anderer, besonders unangenehmer Vertreter der Milbenfamilie ist die Sarcoptesmilbe. Sie löst die Krätze aus, eine extrem juckende Dermatose. Die Sarcoptesmilbe gräbt kleine Gänge in die Haut und legt dort ihre Eier ab. Schlüpfen daraus die neuen Milben, beginnen diese, unter der Haut entlang zu wandern. Das löst den extremen Juckreiz aus. Durch die typischen, auch mit bloßem Auge erkennbaren Bohrkanäle in der Haut ist die Krätze leicht zu diagnostizieren.

Wie bei den anderen Ektoparasiten auch, ist die Ursache für das Auftreten von Krätzemilben keineswegs mangelnde Hygiene. Vielmehr werden sie dort übertragen, wo viele Menschen eng zusammen leben. Besonders immungeschwächte Personen sind anfällig für eine Infektion, denn ein gesunder Organismus kann die Milbenpopulation noch leicht unter Kontrolle halten. Daher treten Krätzeepidemien gehäuft in Alten- und Pflegeheimen auf. In Einzelfällen können jedoch auch Schulen, Kindergärten und sogar Krankenhäuser betroffen sein.

Normalerweise lässt sich eine Krätzeinfektion durch die einmalige Anwendung von Permethrinsalbe effektiv bekämpfen. Auch Teebaumöl soll wirksam sein, darf jedoch nur bei Menschen, nicht bei Haustieren angewandt werden. Bei Befall mit Krätzemilben sollten Gegenstände, die von mehreren Personen benutzt werden, regelmäßig desinfiziert werden. Nacht-, Bett- und Leibwäsche muss bei mindestens 60 °C gewaschen oder für einige Tage luftdicht in Plastiktüten gelagert werden. Krätzemilben überleben außerhalb des menschlichen Körpers höchstens vier Tage.

Es geht auch anders: Hilfreiche Blutsauger Unter den Ektoparasiten nehmen Blutegel eine Sonderstellung ein, denn sie können sowohl Krankheiten übertragen als dieses auch gezielt lindern. Blutegel können bis zu 30 Jahre alt werden. Von diesen etwa handtellerlangen Parasiten kann man durchaus auch in unseren Breitengraden befallen werden, denn sie leben in sauberem Süßwasser, das für ihren bevorzugten Wirt, den Menschen, auch als Badegewässer attraktiv ist.

In Mitteleuropa sind sie zwar nicht mehr so häufig vertreten wie früher, aber bei Urlauben in Nordafrika und Kleinasien sollte man auf der Hut sein, denn dort sind sie noch sehr weit verbreitet. Blutegel erkennen ihre Beute an den Wasserbewegungen, denen sie folgen. Haben sie den Wirt ausgemacht, heften sie sich mit Saugnäpfen an, ritzen mit ihren scharfen Kalkzähnchen die Haut auf und beginnen mit der Blutmahlzeit. Das Saugen am Wirt dauert etwa eine Stunde, danach fällt der Egel von selbst ab.

Mechanisch kann man ihn nur sehr schwer entfernen, lediglich auf einen Feuerreiz reagiert er sofort. Wenn man von einem Blutegel befallen wurde, hilft es also, kurz die Flamme eines Feuerzeugs an das Tier zu halten. Daraufhin lässt er sofort von der Haut ab. Es ist wichtig, einen Blutegel so schnell und so schonend wie möglich zu entfernen, denn der Parasit kann viele Krankheitserreger übertragen.

»Die Therapie mit Blutegeln wird im Bereich der Alternativmedizin angewandt.«

Blutegel können eine Blutmahlzeit mit Hilfe von Darmbakterien bis zu zwei Jahre lang als Nahrungsquelle aufbewahren. Dadurch verbleiben aber auch aufgenommene Krankheitserreger so lange in dem Parasiten. Besonders häufig wurden Streptokokken und Chlostridien nachgewiesen, in einem Experiment konnte ein Egel sogar HIV übertragen.

Blutegelbehandlung Der Parasit hat aber auch eine gute Seite, nämlich dann, wenn er medizinisch eingesetzt wird. Etwa 2000 Jahre lang wurde die Blutegeltherapie in fast allen traditionellen Medizinsystemen angewendet, bevor sie vor 200 Jahren in Vergessenheit geriet. Mittlerweile ist sie wieder fester Bestandteil der Alternativmedizin. Sie gehört zu den „ausleitenden Verfahren”, die zur Entgiftung des Körpers beitragen sollen.

Eine Studie wies eine Wirksamkeit bei Kniegelenksarthrose nach, wobei 80 Prozent der Patienten von einer monatelang anhaltenden Schmerzlinderung berichteten. Andere, kleinere Studien zeigten bei anderen Arthrosearten sowie der Fingergelenksarthritis ebenfalls eine schmerzstillende und -lindernde Wirkung.

In der Schulmedizin werden Blutegel hauptsächlich nach Transplantationen äußerer Körperteile eingesetzt. Im Speichel der Tiere fanden Wissenschaftler rund 100 Substanzen, die blutgerinnungshemmend, entzündungshemmend und schmerzstillend wirken. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem Hirudin. Es stoppt einerseits die Blutgerinnung und wirkt andererseits gefäßerweiternd und entzündungshemmend. Dies trägt dazu bei, dass der Blutfluss reguliert, die Wundheilung verbessert und eine Nekrose beziehungsweise die Abstoßung der Transplantate verhindert wird.

Eine Blutegelbehandlung ist aufgrund der Wirkweise des Hirudins auch bei Thrombosen und Venenentzündungen möglich. Bei der Blutegelbehandlung werden speziell gezüchtete Egel für etwa eine Stunde vorsichtig an die betroffenen Körperstellen angelegt. Danach fallen sie von selbst ab, wobei die Nachblutung durch leichte Verbände gestoppt wird. Jeder der speziell gezüchteten Egel wird nur für eine Behandlung genutzt, um das Infektionsrisiko für die Patienten zu minimieren.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 08/12 ab Seite 14.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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