Das Mausmodell zeigte: Auch wenn traumatische Erlebnisse an den Nachwuchs weitergegeben werden, so hat die Umwelt zum Glück auch noch einen Einfluss auf die Ausprägungen. © familylifestyle / iStock / Getty Images Plus

Epigenetik | Traumaforschung

TRAUMATISCHE SPUREN IM ERBGUT

Erleben wir prägende Ereignisse, können sich Traumata in Form von Verhaltensveränderungen oder psychischen Störungen äußern – und diese Erfahrung können wir sogar an unsere Kinder weitergeben. Doch nichts ist festgeschrieben, der genetische Vorgang ist komplexer.

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Denn diese Auswirkungen hinterlassen ihre Spuren nicht direkt in den Genen, sondern vielmehr in den epigenetischen Strukturen, die die Aktivität der Gene beeinflussen. Professor Isabelle Mansuy von der ETH Zürich verfolgte diese Spuren an Labormäusen bis in die folgenden Generationen der Nachkommen. So registrierte das Forscherteam um Mansuy epigenetische Veränderungen in der DNA von Nachkommen männlicher und weiblicher Mäuse, die in ihrer Kindheit durch eine unvorhersehbare Trennung von ihrer Mutter traumatisiert waren. Die Folgen waren unter anderem: verändertes Sozialverhalten, kognitive Defizite, aber auch ein gestörter Glucosestoffwechsel oder funktionelle Veränderungen in Haut und Knochen.

Wie wird die Genaktivität nun beeinflusst? Veränderungen fand das Team an verschiedenen Strukturen. Zum Beispiel an den Histonen, die das Erbgut verpacken und Einfluss darauf haben, welche Genabschnitte abgelesen werden und welche nicht. Einen ähnlichen Einfluss haben auch angeheftete Methylgruppen: Mit Hilfe der Methylierung können einzelne DNA-Abschnitte für die Replikation markiert werden. Nicht-kodierende RNA enthält selbst zwar keinen Bauplan, beeinflusst aber auch die Genaktivität während der Zellteilung. In jeder Zelle existiert also neben allen Erbinformationen in der DNA selbst auch noch ein epigenetischer Code. So fanden die Wissenschaftler die Spuren des Traumas auch in anderen Körperzellen, nicht nur im Gehirn. Zum Beispiel in Blut-, Sperma- oder Eizellen. „Dabei sind jeweils spezifische Gene in diesen Zellen betroffen, was vermutlich auch Auswirkungen auf die Funktion der betroffenen Organsysteme haben kann“, erklärt Mansuy.
Im Gegensatz zur DNA ist der epigenetische Code allerdings durch das Verhalten und äußere Umstände beeinflussbar. Dies zeigten auch die Ergebnisse der Epigenetikern: Eine positive und anregende Umgebung führte bei den beeinträchtigten, verhaltensgestörten jungen Mäusen dazu, dass die traumatisch-stressbedingten Spuren im Alter wieder verschwanden. Diese Erfahrung gaben sie dann auch (positiv) verändert an ihre Nachkommen weiter, mittels des epigenetischen Codes.

Aktuell untersucht das Team um Professor Mansuy Gruppen von Erwachsenen und Kindern, die traumatischen Erfahrungen ausgesetzt waren, nach epigenetischen Veränderungen. Endgültige Ergebnisse sind bislang nicht bekannt, die Epigenetikerin berichtet aber: „Die Ergebnisse sehen vielversprechend aus“.

Farina Haase,
Apothekerin, Volontärin

Quelle: Informationsdienst Wissenschaft

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