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Tiere In Der Apotheke

TAUBHEIT BEI WEISSEN HUNDEN

Bereits Ende des 19. Jahrhunderts wurde ein Zusammenhang zwischen Taubheit und der Pigmentierung von Fell und Augen beschrieben, vor allem bei Hunden mit weißem Fell und blauen Augen.

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Die meisten Untersuchungen, die sich mit der angeborenen Taubheit beschäftigen, konzentrieren sich vor allem auf die Rasse der Dalmatiner, denn sie weist die höchste Taubheitsinzidenz auf. Amerikanischen Studien zufolge sind etwa acht Prozent aller Dalmatiner auf beiden Ohren taub, bei 22 Prozent besteht eine einseitige Taubheit; somit sind 20 bis 30 Prozent der Dalmatiner betroffen. In Europa ist die Rate der völlig tauben Dalmatiner niedriger, möglicherweise bedingt durch den Ausschluss blauäugiger Tiere aus der Zucht im Gegensatz zu den amerikanischen Standards. Dalmatiner leiden insgesamt doppelt so oft unter Taubheit wie die übrigen Rassen, es handelt sich jedoch nicht um ein alleiniges Problem speziell bei dieser Rasse.

Weiß als Risikofaktor Da bei bestimmten Rassen besonders häufig Taubheit auftritt – neben Dalmatinern sind unter anderem auch der Englische Setter und der Bullterrier betroffen – gilt es inzwischen als unumstritten, dass die Taubheit vererbt werden kann. Weiße Pigmentierung ist ein Risikofaktor für Taubheit bei Hunden und anderen Tieren, der Vererbungsmechanismus ist jedoch noch nicht vollständig erforscht. Generell muss unterschieden werden, ob ein Hund bereits seit Geburt taub ist oder ob die Taubheit erst im Laufe der weiteren Lebenszeit aufgetreten ist, zum Beispiel im Alter. Es steht demnach nicht immer von vorneherein fest, ob die Taubheit durch genetische Vererbung entstanden ist oder ob sie eventuell durch eine Otitis ausgelöst wurde. Eine Unterscheidung zwischen vererbter und erworbener Taubheit ist ohne Zuchtversuche nicht möglich.

Die häufigste Form Beim Dalmatiner hat sich gezeigt, dass sich nach der Geburt das Hörvermögen bis zum Alter von drei Wochen normal entwickelt, danach kommt es zu einer Degeneration bestimmter Zellen, die den Hörverlust bedingen. Hinsichtlich des Geschlechts konnten Studien keine Unterschiede feststellen, Rüden wie Hündinnen sind also gleichermaßen vertreten.

Wie kann Taubheit festgestellt werden? Mit verschiedenen Verhaltenstests sollen bestimmte Reaktionen auf Geräusche nachgewiesen werden, wobei visuelle Zeichen, Vibrationen und Berührungen vermieden werden müssen. Auf-den- Boden-Stampfen oder in-die-Hände-Klatschen sind wegen der entstehenden Vibrationen folglich unzuverlässige Hörtests. Dabei muss zusätzlich berücksichtigt werden, dass sich die Gehörgänge bei Welpen frühestens ab dem 12./13. Lebenstag öffnen. Die meisten Hör-Tests sind nur bedingt tauglich, denn die Reaktion von Tieren kann sich rasch ändern. Tiere unter Stress reagieren möglicherweise gar nicht, obwohl ihr Gehör einwandfrei funktioniert. Einseitig taube Tiere können mit derartigen Tests überhaupt nicht festgestellt werden. Taube Welpen wiederum versuchen, den Hörverlust zu kompensieren, indem sie sich zum Beispiel an ihren Geschwistern orientieren, was zu einem falschen Ergebnis führen kann.

BAER testet Gehör Für ein objektives Ergebnis sind elektrodiagnostische Untersuchungen erforderlich. Um ein einwandfreies Hörvermögen nachweisen zu können, kann frühestens ab der fünften Lebenswoche der sogenannte BAER-Test (Brain Stem Auditory Evoked Response oder AEP von „akustisch evozierte Potenziale“) durchgeführt werden. Damit kann das Gehör verlässlich und rasch auf seine Funktion geprüft werden. Diese Untersuchung wird auch beim Menschen durchgeführt. Beim Welpen oder auch ausgewachsenen Hund werden dafür einige Nadelelektroden im Bereich der Ohren und des Nackens befestigt, über die die Reaktion von Innenohr und Gehirn auf einen standardisierten Stimulus-Click mittels Ohrhörer abgeleitet und als Kurvendiagramm dargestellt werden.

Anhand der Kurve kann man feststellen, ob am Ohr Höraktivität stattfindet oder nicht. Für die Untersuchung, die nur wenige Minuten dauert und die das Tier kaum spürt, ist eine leichte Sedierung nötig. Beidseitig taube Hunde können wahrscheinlich auch ohne medizinische Untersuchung entdeckt werden. Doch die ein- seitige Taubheit kann mit Sicherheit nur durch die audiometrische Untersuchung festgestellt werden. Diese Hunde hören scheinbar normal und können so den genetischen Defekt sozusagen unbemerkt weitervererben. Doch das müssen verantwortungsbewusste Züchter vermeiden, denn Wegzüchten ist nicht möglich.

Auch wenn nur ein Elternteil einseitig taub ist Sowohl ein- als auch beidseitig taube Elterntiere haben einen größeren Anteil an tauben Nachkommen als beidseitig hörende Eltern. Taube Eltern können aber auch normal hörende Welpen und normal hörende Eltern können taube Welpen haben. Das zeigt, wie schwierig es ist, züchterisch dagegen effektiv vorzugehen. Um die Zahl tauber Welpen zu reduzieren, sollte auf keinen Fall mit ein- oder beidseitig tauben Eltern gezüchtet werden, auch Verpaarungen von Elterntieren, in deren Nachzucht gehäuft taube Welpen aufgetreten sind, sollten vermieden werden.

Fazit: Taube Hunde sind nicht dumm Es dürfen keine, auch nicht nur einseitig taube Hunde, zur Zucht verwendet werden. Bei jedem Hund eines Wurfes sollte unbedingt ein audiometrischer Test durchgeführt werden. Einseitig taube Hunde dürfen nur nach Kastration weitergegeben werden, oder mit dem Käufer muss diesbezüglich ein Vertrag vereinbart werden. Taube Hunde haben das Problem, dass sie eine Geräuschquelle nicht so einfach lokalisieren können. Sie werden deshalb häufig fälschlich für „dumm“ gehalten, wenn sie gerufen werden und dann in der falschen Richtung suchen – wenn ihr Handicap nicht erkannt wird. Wer sich dennoch für einen tauben Hund entscheidet – Hundeerfahrung sollte dann allerdings Voraussetzung sein –, wird erkennen, dass Anhänglichkeit und Lernfähigkeit bei tauben Hunden enorm sein können, denn die Taubheit wird kompensiert, indem sie durch andere Sinnesorgane zumindest teilweise ersetzt wird. Taubheit bedeutet zwar eine Behinderung, nicht jedoch, dass es sich um ein minderwertiges Tier handelt! 

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 05/17 ab Seite 52.

Dr. Astrid Heinl-Zapf, Tierärztin

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