3D-Illustration einer Schilddrüse im menschlichen Körper© peterschreiber.media / iStock / Getty Images Plus
Die beiden Seitenlappen der Schilddrüse umspannen die Luftröhre in der Form eines Schmetterlings. Daher spricht man häufig auch von der Schmetterlingsdrüse.

Steuerzentrale

EIN LEBEN OHNE SCHILDDRÜSE

Viele unserer Organe sind lebenswichtig, auf andere können wir, wenn’s sein muss, verzichten. So etwa auf die Schilddrüse. Wann muss sie entfernt werden? Und wie kommen wir ohne sie zurecht?

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Klein, aber oho! Obwohl sie nur in etwa so groß wie eine Walnuss und mit rund 20 bis 30 Gramm ein echtes Leichtgewicht ist, reguliert die Schilddrüse in unserem Körper eine Vielzahl von Prozessen.

Ihren Sitz hat die wirkmächtige Mini-Steuerzentrale im vorderen Halsbereich direkt unterhalb des Kehlkopfs. Ihre beiden mit einer Gewebebrücke verbundenen Seitenlappen umspannen die Luftröhre in der Form eines Schmetterlings. Aus diesem Grund wird die Schilddrüse auch liebevoll als Schmetterlingsdrüse bezeichnet.

Kleines Organ mit großer Wirkung

Ihre wichtigste Aufgabe besteht darin, die Hormone Thyroxin (auch: Tetrajodthyronin), kurz T4 genannt, und Trijodthyronin, kurz T3, zu produzieren und wohldosiert ins Blut abzugeben.

Diese Botenstoffe werden an allen Ecken und Enden des Körpers benötigt. Quasi alle Zellen stehen unter ihrer Regie: Schilddrüsenhormone kontrollieren unter anderem das Herz-Kreislauf-System und die Aktivität der Nieren, regulieren den Energieverbrauch, sind wichtig für die Aufrechterhaltung der Körpertemperatur, bestimmen die Funktionen des Gehirns und der Muskeln, mischen kräftig mit bei Wachstumsprozessen, Entwicklung und Fruchtbarkeit und beeinflussen nicht zuletzt auch die Psyche und das seelische Gleichgewicht. Die Auflistung macht klar, dass eine nicht einwandfrei funktionierende Schilddrüse weitreichende Auswirkungen auf den gesamten Organismus haben kann und Behandlungsbedarf besteht.

Bekannte Schilddrüsenerkrankungen sind unter anderem eine Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose), bei der das Organ zu viele Hormone bildet, eine Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose), bei der zu wenig Hormone produziert werden, sowie die Schilddrüsenvergrößerung (Struma). Viele Schilddrüsenerkrankungen können mit Medikamenten oder spezieller Strahlentherapie, der sogenannten Radiojodtherapie, behandelt werden, bei anderen ist eine Operation ratsam, mitunter sogar zwingend notwendig.

Wann wird die Schilddrüse entfernt?

Obwohl die Schilddrüse ein so bedeutsames Steuerorgan ist, kann der Mensch ohne sie leben – und uneingeschränkt uralt werden. Die vollständige Entfernung der kleinen Hormondrüse heißt fachsprachlich Thyreoidektomie. Von diesem Eingriff unterscheiden Spezialisten andere, weniger radikale Operationen, bei denen Teile des Schilddrüsengewebes erhalten bleiben. Dazu zählen unter anderem die fast-totale Thyreoidektomie, bei der auf einer oder beiden Seiten ein Geweberest von insgesamt weniger als zwei Gramm belassen wird, sowie die beidseits subtotale Resektion, bei der auf beiden Seiten Reste von jeweils ein bis vier Gramm erhalten werden. Ist nur ein Schilddrüsenlappen erkrankt, ist es möglich, nur diesen operativ zu entfernen. Dieses Verfahren heißt im Fachjargon Hemithyreoidektomie.

Eine Thyreoidektomie ist vonnöten, wenn die Diagnose „Schilddrüsenkarzinom“ heißt. Schilddrüsenkrebs ist eine seltene bösartige Tumorerkrankung mit guter Prognose. Etwa 6000 Menschen – deutlich mehr Frauen als Männer – erkranken deutschlandweit pro Jahr daran. Schilddrüsenkarzinome können in jedem Alter auftreten, erreichen ihren Häufigkeitsgipfel jedoch zwischen dem vierten und fünften Lebensjahrzehnt.

Weitere Erkrankungen, die eine vollständige oder teilweise Schilddrüsenoperation oft erforderlich beziehungsweise empfehlenswert machen, sind unter anderem krebsverdächtige Schilddrüsenknoten, symptomatische Schilddrüsenvergrößerung, Schilddrüsenüberfunktion, Schilddrüsenentzündung sowie die Basedow-Krankheit. Dabei handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, bei der der Körper Antikörper gegen Bestandteile der Schilddrüse bildet. Diese führen zu einer Schilddrüsenüberfunktion, bei manchen Patienten mit Beteiligung der Augen.

Generell gilt: Bei vielen Schilddrüsenerkrankungen gibt es Alternativen zur Operation, weshalb es für Patienten sinnvoll ist, sich die Vor- und Nachteile von ausgewiesenen Spezialisten (z. B. in einem Schilddrüsenzentrum) erläutern zu lassen. Ein Vorteil operativer Verfahren besteht darin, dass sich der gewünschte Effekt unmittelbar nach dem Eingriff einstellt.

Was bedeutet es, ohne Schilddrüse zu leben? 

Wurde die Schilddrüse operativ komplett entfernt, sind Betroffene lebenslang auf eine Hormonersatztherapie angewiesen; meist reicht dazu die Einnahme einer Tablette am Tag aus. Ohne medikamentösen Hormonersatz würde es nach einer Thyreoidektomie automatisch zu einer Schilddrüsenunterfunktion kommen, deren negative Folgen mannigfaltig sind. Erschöpfung, Verstopfung, depressive Verstimmungen, erhöhte Infekt- und Kälteempfindlichkeit gehören unter anderem dazu.

Regelmäßige ärztliche Kontrolluntersuchungen, bei denen die Hormonwerte im Blut gemessen werden, geben Aufschluss darüber, ob die Hormondosis optimal ist oder angepasst werden muss. Sind die Medikamente richtig eingestellt und werden diese konsequent eingenommen, ist ein Leben ohne Schilddrüse ohne Einschränkungen möglich.

Interessant zu wissen: Wurde nur ein Teil des Schilddrüsengewebes operativ entfernt, kann das verbliebene (ausreichend große und funktionstüchtige) Restgewebe den Körper ausreichend mit Schilddrüsenhormonen versorgen, sodass oft keine Hormonersatztherapie erforderlich ist.

Übrigens...

Für die Hormonproduktion ist die Schilddrüse auf Jod angewiesen. Das essenzielle Spurenelement muss über die Nahrung aufgenommen werden. Der Bedarf von Jugendlichen und Erwachsenen bis 50 Jahren liegt laut Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) bei 200 Mikrogramm täglich, ab 51 Jahren bei 180 Mikrogramm. Schwangere brauchen 230 Mikrogramm pro Tag, Stillende sogar 260 Mikrogramm.

Die besten Jodquellen sind Seefisch und Meerestiere; Milch und Eier sind bei entsprechender Fütterung der Tiere ebenfalls gute Lieferanten. Ratsam: Jodiertes Speisesalz in der Küche verwenden. Ein Jodmangel kann neben verschiedenen unspezifischen Symptomen eine umgangssprachlich als Kropf bezeichnete Jodmangel-Struma verursachen.

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