Haut und Psyche
SPIEGEL DER SEELE
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Die Haut ist mehr als nur ein Organ: Schamgefühle lassen sie erröten, Furcht führt zum Erblassen, Stress zu hektischen Flecken und Emotionen können eine Gänsehaut zur Folge haben – die Haut zeigt demnach die aktuelle Stimmung an. Ihr Zustand gibt Auskunft über die psychische und physische Verfassung eines Menschen, denn sie stellt eine Schnittstelle zwischen Körper und Seele dar. Kaum ein Organ reagiert so empfindlich auf äußere und innere Einflüsse. Dass seelische Probleme sich über die Haut äußern können, verwundert angesichts der Sensibilität des Organs nicht. In den letzten Jahrzehnten haben Hauterkrankungen immer mehr zugenommen – Neurodermitis und Schuppenflechte gelten seitdem als Volkskrankheiten.
Zwar besteht in der Regel eine genetische Veranlagung, ob und wann die Dermatosen ausbrechen, hängt allerdings auch von der seelischen Verfassung ab. Forscher haben Untersuchungen durchgeführt, in denen sie Personen mit Neurodermitis in Stresssituationen brachten. Bereits nach zehn Minuten war im Blut eine erhöhte Anzahl von aktivierten Entzündungszellen nachweisbar. Auch auf Gefühle von Ekel kann die Haut reagieren, wie man am Beispiel von Lippenherpes sieht. Wissenschaftler zeigten Probanden Fotos mit ekelerregenden Motiven (Teller mit Essensresten oder benutzte Gläser) oder schöne Bilder mit Blumenwiesen. 40 Prozent der Versuchspersonen, die die Ekelbilder betrachteten, entwickelten einen Lippenherpes.
Das geht unter die Haut Glatte, reine Haut steht für Attraktivität und Gesundheit und zeigt dem Gegenüber, dass es sich lohnt, sich mit der Person zu vermehren – ein evolutiver Reflex. Sichtbar kranke Haut hingegen schreckt ab und wird häufig mit Antipathie in Verbindung gebracht. Kunden mit Hauterkrankungen sind daher gleich doppelt belastet: Zum einen leiden sie unter den Beschwerden, zum anderen stellen mögliche Schamgefühle zusätzlich eine enorme Belastung dar. Oft beeinträchtigen daraus resultierende Kontaktschwierigkeiten von Betroffenen zu ihren Mitmenschen die Lebensqualität.
Korrelation mit psychischen Erkrankungen Somit sind Dermatosen nicht nur auf die medizinische Problematik zu reduzieren, sondern müssen unter einem biopsychosozialen Aspekt ganzheitlich beleuchtet werden. Auch bei der jeweiligen Therapie sind unter anderem der Lebensstil, die Bewältigungsstrategien sowie die Persönlichkeit zu beachten. Da sich Kunden mit Schuppenflechte beispielsweise sozial ausgegrenzt fühlen, leiden sie häufiger an Depressionen und nehmen vermehrt Antidepressiva im Vergleich zur Normalbevölkerung ein.
Laut einer europäischen Studie leiden 29 Prozent der Hautkranken gleichzeitig auch an einer psychischen Erkrankung. Die Wissenschaftler um Florence Dalgard von der Universität Oslo fanden außerdem heraus, dass der Anteil der Personen mit Depressionen unter den Hautkranken doppelt so hoch ist wie in der Kontrollgruppe, darüber hinaus litten Betroffene anderthalbmal so häufig an Angsterkrankungen und Suizidgedanken. Personen mit Neurodermitis und Psoriasis weisen häufig eine erhöhte Ängstlichkeit und Stressvulnerabilität sowie eine geringere Überzeugung von der eigenen Selbstwirksamkeit auf.
Multifaktorielles Geschehen Die Stressbewältigungskompetenz in Bezug auf die jeweilige Erkrankung ist individuell und hängt unter anderem davon ab, wie das soziale Umfeld mit der Dermatose umgeht. Persönliche und zwischenmenschliche Risiko- und Schutzfaktoren, das Alter sowie das Geschlecht sind psychologisch relevant, außerdem fühlen sich Personen mit Hautveränderungen im Gesicht oder an den Händen stärker von der ästhetischen Norm abweichend.
Psychische Komponente beachten Es gibt sogar das Fachgebiet der psychosomatischen Dermatologie. Es beschäftigt sich mit den Hautkrankheiten wie Neurodermitis, Psoriasis, Akne, Urtikaria oder Kontaktdermatitis, bei denen psychische Ursachen, Folgen und Begleitumstände von Bedeutung sind. Die psychosomatische Dermatologie teilt die Hautkrankheiten in drei Gruppen ein: Hauterkrankungen infolge eines psychiatrischen Leidens (zum Beispiel somatoforme Störungen, dermatologische Wahnsyndrome oder vorgetäuschte Störungen), Hauterkrankungen, die mit seelischen und psychosozialen Konsequenzen einhergehen, Hauterkrankungen, bei denen psychosomatische Aspekte von Bedeutung sind (Neurodermitis, Psoriasis, Akne, Urtikaria usw.).
Dermatosen werden ganzheitlich unter dem Aspekt des biopsychosozialen Modells betrachtet. Betroffene mit Neurodermitis sollen beispielsweise ein Kratztagebuch führen, um zu erkennen, in welchen Situationen der Juckreiz auftritt. Wurden die Stressfaktoren erst einmal erkannt, lassen sie sich in Zukunft besser vermeiden. Die Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin (DGPM) fordert, im Rahmen der Therapie von Hauterkrankungen die Diagnostik und Behandlung gleichzeitig auftretender psychischer Erkrankungen stärker zu berücksichtigen. Liegen der Hauterkrankung psychische Ursachen zugrunde, ist eine Behandlung nur dann ausreichend, wenn sie die psychische Komponente etwa durch eine Psychotherapie oder durch Entspannungsmethoden mit einbezieht.
Gezielte BehandlungUm die Compliance zu stabilisieren, sollte die verordnete oder empfohlene Therapie möglichst einfach und effizient sein. Patienten mit Hauterkrankungen, die unter einer Cortisonangst leiden, sollte man wegen ihrer Befürchtungen keine milden Hydrocortisonpräparate verschreiben, anstelle von eigentlich notwendigen potenteren Mitteln. Durch derartige Maßnahmen fallen die Ängste Betroffener nicht geringer aus, stattdessen ist der Effekt der Behandlung nicht zufriedenstellend. Komplizierte Behandlungspläne verschlechtern die Compliance und können vom Patienten als therapeutische Unsicherheit interpretiert werden. Zur Stärkung der Compliance ist es demnach ratsam, wenn möglich nur ein topisches Arzneimittel zu verordnen – eventuell ergänzt durch ein Pflege- oder Reinigungsprodukt und/oder bei Bedarf durch ein systemisches Medikament.
Take-Home-Message Die Folgen einer schlechten Compliance sind gravierend und führen zu einer Verzögerung der Heilung oder einer Exazerbation der Hauterkrankung. PTA und Apotheker können einen Beitrag dazu leisten, die Compliance bei der Anwendung von Dermatika zu stärken. Kunden sollten präzise über die Häufigkeit, Art und Dauer der Behandlung informiert werden. Bei einem regelmäßigen Patientenkontakt sprechen PTA und Apotheker am besten mit Betroffenen über den individuellen Therapieverlauf und weisen sie darauf hin, wie wichtig es ist, die vorgeschriebene Dosierung einzuhalten und geduldig zu bleiben. Edukative Maßnahmen helfen dabei, Kunden den Sinn ihrer Therapie zu erläutern.
Den Artikel finden Sie auch in der Sonderausgabe Apothekenkosmetik der PTA IN DER APOTHEKE ab Seite 16.
Martina Görz, PTA, M.Sc. Psychologie und Fachjournalistin