Eine Frau versieht die Tür mit einem Bitte-nicht-stören-Schild.
Für die Menschen gilt beim Sex: „Bitte nicht stören“. © StockSeller_ukr / iStock / Getty Images Plus

Sexualität | Verhalten

SEX? JA, ABER BITTE NICHT STÖREN

Beim Geschlechtsverkehr unbemerkt zu bleiben ist ein kulturübergreifendes Phänomen. Findet man das auch im Tierreich?

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Für den Menschen scheint es typisch zu sein, den Geschlechtsverkehr vor der Wahrnehmung anderer zu schützen. Es werden Vorhänge zugezogen, Türen geschlossen oder die Partner suchen sich ein einsames Plätzchen. Diesem Thema widmet Yitzchak Ben Mocha von der Universität Zürich eine Studie, da der Sex im Verborgenen ein Phänomen ist, das bisher kaum wissenschaftlich untersucht wurde.

Ist dieses Verhalten überhaupt kulturübergreifend verbreitet? Um diese Frage zu beantworten, analysierte er Quellen, aus denen Informationen über die sexuellen Verhaltensweisen in 249 unterschiedlichen Kulturen der Welt hervorgehen. Wie Ben Mocha berichtet, zeichnet sich trotz der großen kulturellen Unterschiede im Umgang mit dem Thema Sexualität folgendes ab: Paare haben ein Bedürfnis danach, bei Intimitäten möglichst ungesehen und ungehört zu bleiben. Dies gilt auch für Kulturen, bei denen Menschen in sehr engem Kontakt miteinander leben. Es scheint somit eine grundlegende menschliche Verhaltensweise zu sein.

Und wie sieht es im Tierreich aus? Tiere, die in sozialen Gruppen leben, verbergen ihre sexuellen Verhaltensweisen in der Regel nur, wenn sie mit Sanktionen durch ranghöhere Artgenossen rechnen müssen, so Mocha. Dominante Individuen paaren sich hingegen offen im Blickfeld der Gruppenmitglieder. Das gelte auch im Fall unserer nächsten Verwandten im Tierreich – den Menschenaffen.

Bisher wurde Mocha zufolge nur bei einem Tier ein ähnliches Verhalten wie beim Menschen beobachtet: dem Graudrossling (Turdoides squamiceps), eine sozial lebende Vogelart. Diese Wüstenvögel leben in stabilen territorialen Gruppen von bis zu 22 Individuen und sind für ihr komplexes Kooperationsverhalten und die gemeinschaftliche Aufzucht der Jungtiere bekannt. In den Gruppen scheint es feste Pärchen zu geben, die sich zur Paarung Orte suchen, an denen sie für andere Gruppenmitglieder nicht sichtbar sind. Somit zeichnen sich interessante Parallelen zwischen dem Menschen und diesen ungewöhnlichen Vögeln ab.

Ein Grund für dieses Verhalten könnte laut dem Forscher die sogenannte Kooperationserhaltungshypothese sein. Sie besagt, dass Menschen sowie die Graudrosslinge ihr Paarungsverhalten verbergen, um eine sexuelle Erregung bei Zeugen zu vermeiden, die zu Konflikten in der Gruppe führen könnte. Die Studie besagt, dass Menschen in allen Kulturen Beziehungen ausbilden, bei denen beide versuchen, den Sex ihres Partners mit anderen auf die eine oder andere Weise einzuschränken. Dies unterscheidet uns von den sexuellen Verhaltensweisen bei den Menschenaffen, die auf andere Strategien im Rahmen der Fortpflanzung setzten.

Was die Menschen betrifft, so könnte eine öffentliche Paarung zwischen festen Partnern einer Gruppe zu folgenden Konsequenzen führen: Es kommt zu einer sexuellen Erregung bei Gruppenmitgliedern (männlich oder weiblich), die anschließend versuchen könnten, einen der Partner für sich zu gewinnen. Der „Betrogene“ könnte dann mit Aggression reagieren, wodurch das soziale Gefüge innerhalb der Gruppe leidet. Das Verbergen der Paarung könne somit als Methode verstanden werden, um Konflikte in der Gruppe zu vermeiden. Diese deeskalierend wirkende Verhaltenstendenz könne für den Menschen besonders wichtig gewesen sein, so Mocha, da sein evolutionärer Erfolg besonders auf dem komplexen Sozialverhalten und der Fähigkeit zur Kooperation beruht. So wie auch für den Graudrossling.

Sabrina Peeters,
Redaktionsvolontärin

Quellen: 
https://www.wissenschaft.de/gesellschaft-psychologie/warum-sex-im-verborgenen/?utm_source=newsletter&utm_medium=email&utm_campaign=wissenschaft.de_05-08-2020

royalsocietypublishing.org/doi/10.1098/rspb.2020.1330

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