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Gefahrstoffe

SCHUTZ DES MENSCHEN UND DER UMWELT

Das Anwendungsvorrecht europäischer Verordnungen vereinfacht maßgeblich die Arbeit deutscher Behörden. Doch welche Bereiche bleiben fest in der Hand der deutschen Gesetzgeber?

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Nachdem die europäischen Regelungen des Gefahrstoffrechts in den letzten Ausgaben besprochen wurden, soll nun die Gesetzeslage auf nationaler Ebene beleuchtet werden. Der wesentliche Unterschied zu europäischem Recht ist, dass nationale Regelungen auf Bedürfnisse eingehen, die für das Arbeiten speziell in deutschen Apotheken und Einrichtungen von Bedeutung sind. Im Wesentlichen fußt das deutsche Gefahrstoffrecht auf dem Chemikaliengesetz, kurz ChemG. Durch dieses Gesetz werden zum einen die Gefahrstoffverordnung und zum anderen die Chemikalienverbotsverordnung ermächtigt. Diese sind für den Umgang mit Gefahrstoffen in der Apotheke unverzichtbar.

Gesetz oder Verordnung?Um etwas mehr Verständnis für die juristischen Fachtermini zu bekommen, soll an dieser Stelle ein kurzer Exkurs zum Thema Recht eingefügt werden: Gesetze werden vom Parlament verabschiedet. Sie regeln grob das menschliche Miteinander. Um das Parlament nicht mit Details zu überlasten, werden in den Gesetzen sogenannte Verordnungen ermächtigt. Diese Verordnungen geben den zuständigen Ministerien die Möglichkeit bindende Vorschriften zu erlassen. In den meisten Fällen, die die Apotheke betreffen, werden die Verordnungen durch das Gesundheitsministerium erlassen. Im Fall der durch das ChemG ermächtigten Verordnungen steht das Bundesumweltministerium in der Verantwortung.

Nachdem das ChemG erstmals 1980 in Kraft trat, wurde es immer wieder an aktuelle Gegebenheiten angepasst. Der Zweck ist trotzdem im Laufe der Jahre gleich geblieben. Es soll den Menschen und die Umwelt vor schädlichen Einwirkungen gefährlicher Stoffe und Gemische schützen. Im Jahr 2013 kam es aufgrund des Inkrafttretens europäischer Verordnungen zur bisher einschneidendsten Neubekanntmachung. Viele Vorschriften wurden angepasst, um einen einheitlichen europäischen Standard erreichen zu können. Das ChemG macht sich die allgemeingültigen europäischen Verordnungen zu Nutze.

Zur Entlastung nationaler Behörden verweist es sowohl bei der Definition gefährlicher Stoffe, als auch bei der Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Gefahrstoffen auf die jeweilige europäische Verordnung. Eine der wichtigen verbleibenden Aufgaben des ChemG ist die Festlegung der nationalen Behörden, die für bestimmte Kompetenzbereiche zuständig sind. Falls gefahrstoffrelevante Probleme in der Apotheke auftreten, die mit Standardprozeduren nicht zu lösen sind, soll es dabei helfen die jeweils zuständige Behörde ausfindig zu machen. Als weitere wichtige Aufgabe schafft das ChemG die Grundlage für die erwähnten Verordnungen.

Gesetze und Verordnungen sind wichtige Informationsquellen, wenn es um die Abgabe von Chemikalien geht.

Gefahrstoffverordnung In Paragraph 19 ChemG wird die Gefahrstoffverordnung, kurz GefStoffV, ermächtigt. Unter dem offiziellen Namen „Verordnung zum Schutz vor Gefahrstoffen“ enthält diese vor allem detaillierte Vorschriften zum Arbeitsschutz. Ebenso wie das ChemG bezieht sich die GefStoffV in vielen Fällen auf europäische Verordnungen, die Gefahrstoffe schon ausführlich eingeteilt haben. Auch das Sicherheitsdatenblatt wird erneut erwähnt. Als nationale Eigenheiten finden hier bestimmte Dokumentations- und Informationsvorschriften ihre gesetzliche Grundlage.

Unter anderem werden Gefahrstoffverzeichnis, Gefährdungsbeurteilung und Betriebsanweisungen, die in jeder Apotheke im Pflichtprogramm stehen, definiert. Für Arbeitnehmer ist gut zu wissen, dass die Grundpflichten für Arbeitgeber in Bezug auf Informationsweitergabe und Unterweisungen bei gefährlichen Tätigkeiten festgelegt werden. Somit bildet die GefStoffV eine wichtige Quelle für Arbeitnehmer, die neu mit Aufgaben betraut werden. Sie können nachlesen, für welche Informationen der Vorgesetzte oder die verantwortliche Person zu sorgen hat, bevor Sie sich an eine mit Gefahren verbundene Aufgabe begeben. Als zweite wichtige Verordnung wird in Paragraph 17 ChemG die Chemikalienverbotsverordnung ermächtigt.

Chemikalienverbotsverordnung Abgekürzt mit ChemVerbotsV beinhaltet diese Verordnung insbesondere Abgabeverbote von Gefahrstoffen. Allerdings werden nicht nur Verbote definiert, sondern auch Abgabebeschränkungen. Eine namentliche Liste wird in Anlage 1 ChemVerbotsV der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Aufgrund dieser Informationen stellt sie eine wichtige Quelle dar, falls bei der Gefahrstoffabgabe an Privatpersonen Zweifel an der Rechtmäßigkeit bestehen. Weitere Informationen in der ChemVerbotsV bestehen in der Auflistung der Anforderungen, die an pharmazeutisches Personal als Sachkundige gestellt werden.

Eine wichtige aktuelle Änderung im Januar 2017 führte dazu, dass alle Sachkundigen von nun an alle sechs Jahre eine anerkannte Fortbildung vorweisen müssen, wenn sie ihre Sachkunde behalten möchten. Weiterhin können Dokumentationspflichten und auch Anforderungen, die den Kunden betreffen, nachgelesen werden, falls dieser einen Gefahrstoff erwerben möchte. Als Ergänzung zur ChemVerbotsV dient ein zweites Gesetz, das eigentlich im Bereich Betäubungsmittelrecht zu Hause ist. Trotzdem ist das Grundstoffüberwachungsgesetz für die Vollständigkeit des Gefahrstoffrechts von großer Bedeutung.

Grundstoffüberwachungsgesetz (GÜG) Als Gesetz mit dem amtlichen Namen „Gesetz zur Überwachung des Verkehrs mit Grundstoffen, die für unerlaubte Herstellung von Betäubungsmitteln missbraucht werden können“, wurde es ursprünglich im Jahr 1994 erlassen. Die Hauptaufgabe besteht darin Grundstoffe in Kategorien einzuteilen. So ist es möglich, das ausgehende Gefährdungspotential der Grundstoffe besser zu kontrollieren. Es definiert Sicherheitsvorkehrungen, die beim Handel mit bestimmten Gefahrstoffen eingehalten werden müssen. Die Sicherheitsvorkehrungen hängen mit der Kategorie zusammen, in der ein Stoff zu finden ist. Kategorie eins beinhaltet direkte Syntheseausgangsstoffe für Betäubungsmittel, die nur erworben werden dürfen, wenn eine offizielle Erlaubnis vom Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte vorliegt.

Stoffe der Kategorie zwei werden zur Derivatisierung bei der Betäubungsmittelherstellung benötigt. Die Abgabe ist bis zu einem bestimmten Schwellenwert möglich. Falls der Schwellenwert überschritten wird, muss eine Endverbleibserklärung erstellt werden. In Kategorie drei werden Lösungsmittel gelistet, die in vertretbaren Mengen ohne Dokumentation abgegeben werden dürfen. Trotzdem die Abgabe grundsätzlich erlaubt ist, sollte diese immer hinterfragt werden. Es besteht kein Kontrahierungszwang. Falls der angegebene Verwendungszweck nicht plausibel erscheint oder der Verdacht auf die Herstellung von Suchtstoffen nicht ausgeräumt werden kann, muss die Abgabe verweigert werden und nach Abwägung das Zollkriminalamt informiert werden. Die dort ansässige Grundstoffüberwachungsstelle wird dann über das weitere Vorgehen entscheiden. Eine Liste der betroffenen Grundstoffe ist in der Verordnung (EG) Nr. 273/2004 Anhang 1 für die Öffentlichkeit verfügbar.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 01/20 ab Seite 92.

Manuel Lüke, Apotheker und PTA-Lehrer für Gefahrstoffkunde

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