© CentralITAlliance / iStock / Getty Images
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Sinne

SCHMECKEN

Geschmacksstörungen zählen nicht gerade zu den häufigsten Themen im Apothekenalltag. Dennoch lohnt sich der „Blick hinter die Kulissen“, schließlich kann die Einnahme verschiedener Medikamente zu Beeinträchtigungen des Geschmackssinns führen.

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Der Geschmackssinn half den Menschen in der Entwicklungsgeschichte beim Überleben – so signalisierte ein süßer Geschmack energiereiche Lebensmittel, während ein bitterer Geschmack ein Warnzeichen für giftige Pflanzen darstellte. Mit Hilfe des Geschmacks war es möglich, Lebensmittel zu überprüfen, bevor sie geschluckt wurden. Zwar sind Geschmäcker verschieden, doch in einem Aspekt ticken zumindest Säuglinge gleich: Sie weisen eine Vorliebe für süß oder umami auf, Bitteres oder Saures lehnen sie hingegen ab.

Definition Wissenschaftlich gesehen handelt es sich beim Geschmack um einen komplexen Sinneseindruck, den man bei der Nahrungsaufnahme empfindet und der durch ein Zusammenspiel aus Tast-, Geruchs-, Geschmackssinn und Temperatur- und Schmerzempfinden entsteht. Man bezeichnet das Schmecken auch als gustatorische Wahrnehmung.

Kombi aus Geschmack und Geruch Der menschliche Geschmackssinn ist relativ einfach gestrickt, vergleicht man ihn mit den übrigen Sinnen. Ob eine Speise als schmackhaft empfunden wird, entscheidet nicht nur der Geschmackssinn, sondern zu einem großen Teil der Geruchssinn. Die Nahrungsbestandteile gelangen durch den Rachen von hinten in die Nase und reizen die Riechrezeptoren. Eine gestörte Geruchswahrnehmung wie etwa bei einem Schnupfen wirkt sich demnach auch auf das Empfinden der geschmeckten Speisen aus.

Wie empfindet man überhaupt Geschmack? Bei der Nahrungsaufnahme treffen Geschmacksreize im Mund auf Nervenzellen und aktivieren diese, sodass es zu einer Ausschüttung von Transmittern kommt, die wiederum eine Geschmackswahrnehmung an das Gehirn weiterleiten. Auf der Zungenschleimhaut befinden sich zahlreiche warzenähnliche Erhebungen, die sogenannten Geschmackspapillen. Sie vergrößern durch ihre Einkerbungen die Oberfläche der Zunge, sodass die Geschmacksqualitäten noch besser wahrgenommen werden können. Die Geschmackspapillen enthalten viele Geschmacksknospen mit Sinneszellen, in deren Vertiefungen sich eine Flüssigkeit befindet. Die Geschmacksstoffe der Nahrung gelangen dort hinein und werden vor dem Schluckvorgang identifiziert.

Papillen und Knospen Man unterscheidet verschiedene Typen von Papillen: Die Blätterpapillen erkennt man mit bloßem Auge am hinteren Seitenrand der Zunge, jeder Mensch verfügt etwa über 20 Stück. Die Pilzpapillen kommen am häufigsten vor, liegen über die gesamte Zungenoberfläche verteilt und enthalten Geschmacks-, Tast- und Temperatursinneszellen. In den Papillen sind jeweils drei bis fünf Geschmacksknospen enthalten. Die Wallpapillen sind sehr groß, befinden sich an der Grenze zum Rachen und umfassen mehrere Tausend Geschmacksknospen. Jeder Mensch besitzt sieben bis zwölf Wallpapillen, die ebenfalls mit bloßem Auge sichtbar sind. Die Bezeichnung Wallpapillen rührt daher, dass sie von einem Wallgraben mit vielen Drüsen umgeben sind, welche die Geschmacksreize zu den Sinneszellen befördern. Die Geschmacksknospen stellen das eigentliche Geschmacksorgan dar, denn sie enthalten die Sinneszellen, die wiederum mit den Geschmacksnerven verbunden sind.

Die Knospen verfügen über 10 bis 50 Sinneszellen, die sich zu einer Kapsel, ähnlich einer Blütenknospe, formen. Oben an der Kapsel ist der Porus lokalisiert, ein flüssigkeitsgefüllter Trichter mit den Fortsätzen der Sinneszellen, den Geschmacksstiftchen. Die dort befindlichen Eiweiße binden wiederum die Geschmacksstoffe. Die Zunge ist mit den meisten Geschmacksknospen ausgestattet, doch auch im Mundraum befinden sich Geschmackszellen. Sie sind beispielsweise im Nasenraum, Rachen, Kehldeckel sowie in der oberen Speiseröhre lokalisiert. In der Zungenmitte, der Lippen- und Wangenschleimhaut sowie auf dem harten Gaumen von Säuglingen und Kleinkindern befinden sich ebenfalls Sinneszellen. Haben die Geschmacksreize die Hirnnerven erreicht, gelangen sie über das Rückenmark zum Nervensystem. Schließlich werden sie in Berührung, Schmerz, Temperatur oder Geschmackseindrücke umgewandelt.

Süß, sauer, salzig, bitter, umami Man geht von mindestens fünf Geschmacksqualitäten aus, viele Gerichte setzen sich allerdings aus einer Kombination zusammen, wie etwa süß-saure Speisen. Der süße Geschmack kommt durch Zucker oder dessen Abkömmlinge zustande. Auch einige Aminosäuren sowie Alkohole in Fruchtsäften oder alkoholischen Getränken können die süßen Sinneszellen anregen. Als sauer werden saure Flüssigkeiten wie beispielsweise Zitronensaft bezeichnet, wobei die Wasserstoffionen (H+) für den Reiz verantwortlich sind. Verschiedene Pflanzen enthalten giftige Substanzen und sind mit einem bitteren Geschmack versehen – entwicklungsgeschichtlich eine lebenswichtige Einrichtung der Natur.

Salzig ist ebenfalls eine Geschmacksrichtung, die auf der chemischen Wirkung von Natrium und Chlorid, den Ionen des Speisesalzes, beruht. Auch Mineralsalze wie Kalium oder Magnesium können als salzig empfunden werden. Der Eindruck „umami“ erinnert an Fleischbrühe und wird durch Glutamin- oder Asparaginsäure hervorgerufen. Die Aminosäuren kommen in einigen Nahrungseiweißen sowie in verschiedenen Pflanzen vor. Glutamat, das Salz der Glutaminsäure, wird beim Kochen auch als Geschmacksverstärker eingesetzt und soll den herzhaft-würzigen Geschmack der Speise unterstreichen. Übrigens: Schärfe wird zwar häufig als Geschmack beschrieben, allerdings handelt es sich dabei nicht um eine Geschmacksrichtung. Das Empfinden ist stattdessen eine Schmerz- oder Heißwahrnehmung der Nerven, die zum Beispiel durch die Substanz Capsaicin hervorgerufen werden kann.

Aktuelles aus der Wissenschaft Derzeit suchen Forscher nach weiteren speziellen Sinneszellen für den Geschmack: Es scheint nach neusten Erkenntnissen Rezeptoren zu geben, die auf Fette reagieren. Beispielsweise wurde eine Andockstelle für die Linolsäure gefunden, sie ist Bestandteil verschiedener Triglyceride, die etwa in Soja-, Sonnenblumen- oder Maiskeimöl vorkommen. Erforscht werden momentan die möglichen Geschmacksqualitäten alkalisch, metallisch und wasserartig.

Störungen des Geschmacksinns Beeinträchtigungen im Bereich der Gustatorik werden als Dysgeusien bezeichnet. Sie beruhen auf Schädigungen oder Funktionsstörungen der Geschmacksknospen, der peripheren Nerven oder der Gehirnareale, die für die Gustatorik zuständig sind. Personen mit Psychosen, während einer Chemotherapie oder der Behandlung mit Salbutamol, bei Epilepsie, Lebererkrankungen, Schilddrüsenunterfunktionen oder Zinkmangel sind manchmal von einem beeinträchtigten Geschmacksempfinden betroffen.

Außerdem treten Dysgeusien begleitend zu Xerostomien, Malabsorptionssyndromen sowie zum Konsum von Drogen oder Betäubungsmitteln auf. Bei einer kompletten Ageusie ist das Wahrnehmen von Geschmacksreizen gar nicht mehr möglich. Dagegen können Menschen mit einer partiellen Ageusie bestimmte Geschmacksrichtungen wie beispielsweise „sauer“ nicht erkennen, während bei der funktionellen Aguesie die Gustatorik deutlich eingeschränkt ist. Geschmacksstörungen kommen selten vor, schränken allerdings die Lebensqualität enorm ein, schließlich ist ein Genießen von Speisen nicht möglich.

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 07/2020 ab Seite 106.

Martina Görz, PTA, M.Sc. Psychologie und Fachjournalistin

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