Ein schlafendes Baby mit Mütze auf blauer Decke.
Von einer guten Nachtruhe profitieren Baby und Eltern. © LeManna / iStock / Getty Images Plus

Hoffnung | Nachtruhe

SCHLAFCOACHING FÜR BABYS

Wenn der Nachwuchs nur im Kinderwagen schlummert oder nachts stundenlang wach ist, sorgt das bei Eltern für tiefe Augenringe. Schlafcoachings versprechen da Hilfe. Aber wie funktioniert das?

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Catharina Seifer (Name geändert) erinnert sich noch gut an die Runden um die Alster, die bis zu drei Stunden dauerten. Im Kinderwagen lag der schlafende Anton, damals wenige Monate alt. „Er war ein richtiger Bewegungsjunkie“, erinnert sich Seifer. „In den Schlaf hat er nur gefunden, wenn da ein Schaukeln war.“ Das Beistellbett: keine Option.

Um Entlastung zu finden, kaufte die Familie eine Federwiege, eine Art Hängematte mit Motor. Hier konnte Anton zwar schlafen, das Happy End für die Schlafsituation war die Anschaffung aber nicht. „Er hat weiterhin nie im Bett geschlafen“, sagt Catharina Seifer. Schlaf blieb bei den Seifers ein Stress-Thema. Das änderte sich, als Catharina Seifer in einer Facebook-Gruppe über Schlafcoaching las.

„Schlafcoaching bietet Hilfe zur Selbsthilfe und richtet sich an Familien, die unglücklich mit ihrer Schlafsituation sind“, erklärt Annika Gallinger. Die Sozialpädagogin arbeitet seit 2017 als Schlafcoach. Bei ihr melden sich Eltern, wenn beim Einschlafen Tränen kullern oder der Nachwuchs nachts kaum eine Stunde am Stück schläft. Auch die Seifers haben bei ihr Hilfe gesucht.

Coaching soll Eltern Wissen vermitteln
Schlafcoaching ist dabei alles andere als ein starres Programm, das die Eltern abarbeiten. „Stattdessen geht es darum, den Familien Wissen zu vermitteln, damit sie ihre Schlafsituation verstehen können“, erklärt Gallinger. Auf dieser Grundlage können Eltern behutsam an verschiedenen Schrauben drehen, um ihrem Nachwuchs und sich selbst erholsamere Nächte zu verschaffen. Geht es um die Nachtruhe, fühlen sich viele Eltern hilflos. Zwar fragen Kinder- und Jugendärzte bei U-Untersuchungen meist nach dem Schlaf, oft fehlt aber die Zeit, um bei Problemen individuell zu unterstützen. Der Kinder- und Jugendarzt Burkhard Lawrenz aus Arnsberg findet:

Deshalb kann Schlafcoaching sehr sinnvoll sein.

Bevor Familien diese Form der Unterstützung suchen, sollten sie klären, ob hinter den Schlafproblemen eine Krankheit steckt. „Dass Schlafstörungen Ausdruck einer körperlichen Erkrankung sind, kommt jedoch eher selten vor“, sagt Lawrenz. Wie läuft ein Schlafcoaching ab? Am Anfang steht ein Gespräch, in dem Eltern ihr Problem schildern und gemeinsam mit dem Schlafcoach ausloten, ob sie sich eine Zusammenarbeit vorstellen können.

Protokoll über den Tagesablauf führen Anschließend führen die Eltern Protokoll: Eine Woche lang halten sie den Tagesablauf ihres Kindes fest - Schläfchen, Essen, Spielphasen. „Um einen umfassenden Blick auf den Schlaf zu bekommen, muss man sich auch anschauen, was tagsüber passiert“, sagt Gallinger. Im nächsten Schritt legen Schlafcoach und Familie ein Ziel fest. Die Erwartungen sollten dabei realistisch ausfallen. „Dass ein vier Monate altes Kind zwölf Stunden durchschläft, ist zum Beispiel nicht altersangemessen“, sagt Gallinger.

Spieluhr und Apps lenken oft ab
Gallinger hat bereits einige Familien betreut, denen es ähnlich ging wie den Seifers. „Es ist ganz normal, dass Eltern ihren Kindern beim Einschlafen helfen wollen“, erklärt sie. Für diesen Zweck gibt es eine große Bandbreite an Produkten - Federwiegen, Spieluhren, Geräusch-Apps. Das Problem dabei laut Gallinger:

Die Kinder schlafen zwar ein, jedoch durch Ablenkung und Überreizung, nicht durch Entspannung.

Viel besser sei es, wenn Eltern lernten, ihre Kinder beim Einschlafen emotional zu begleiten. Dazu gehört, das Verhalten des Kindes - ob Weinen oder Unruhe - zu deuten und auf die Bedürfnisse dahinter einzugehen. So verspürt das Kind Sicherheit, der Weg in einen erholsamen Schlaf fällt leichter. Steht das Ziel, geht es darum, Lösungen zu entwickeln und auszuprobieren.

Für die Familie Seifer hieß das vor allem: Struktur schaffen und Reize reduzieren. Mit der Unterstützung von Annika Gallinger entwarfen sie eine Schlafroutine für Anton. Die letzte Stillmahlzeit? Immer auf dem Sessel. Das Einschlaflied? Immer dasselbe, leise gesummt. „Ein fester Tagesrhythmus, ein festes Schlafritual gibt den Kindern Sicherheit“, bestätigt auch der Kinderarzt Lawrenz. Vor der Premiere von Antons neuer Schlafroutine war Catharina Seifer nervös - zumal Schlafcoach Annika Gallinger zum Hausbesuch gekommen war. Doch Anton ließ sich von seiner Mutter für seinen Vormittagsschlaf im Beistellbett ablegen, auch am Nachmittag klappte es ohne größere Probleme. Seifer gesteht:

Da habe ich vor Erleichterung geweint.

Darauf sollte man bei Schlafocoaches achten
Eltern, die mit einem Schlafcoaching liebäugeln, sollten bei der Auswahl auf die Qualifikation des Schlafcoaches achten. Es gibt verschiedene Ausbildungen, wobei sich einige an Berufsgruppen richten, die mit Kindern arbeiten. Familien sollten außerdem prüfen, ob das Schlafcoaching auf ihre Situation eingeht. „Schlaf ist etwas sehr Individuelles und muss auch individuell betrachtet werden. Die Varianz im Schlafbedarf ist schließlich schon bei kleinen Kindern sehr groß“, sagt Lawrenz. Wird Erfolg durch eine Methode oder ein Programm versprochen, ist Misstrauen angebracht. Dennoch kann es passieren, dass Familien ein Schlafcoaching-Angebot buchen, das für sie nicht funktioniert. Lawrenz sagt: 

Wenn sich die Gesamtsituation nach vier Wochen Schlafcoaching nicht wenigstens ein bisschen gebessert hat und wenn nach drei Monaten das angestrebte Ziel nicht erreicht wurde, sollte das Coaching beendet oder ein anderer Coach gesucht werden.

In jedem Fall ist es sinnvoll, wenn Eltern auf ihr Bauchgefühl hören.

Die Kosten für ein Schlafcoaching sind an den Umfang der Betreuung geknüpft. Für ein Paket aus Vorgespräch, Protokollauswertung, (virtuellem) Hausbesuch und Nachsorge stellen die meisten Coaches zwischen 300 und 400 Euro in Rechnung.

Quelle: dpa

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