Rheumatische Erkrankungen
RHEUMATOIDE ARTHRITIS
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Etwa 0,5 bis 1 Prozent der Bevölkerung leidet an einer rheumatoiden Arthritis – sie ist damit die häufigste entzündliche Gelenkerkrankung. Frauen sind etwa zwei- bis dreimal so häufig betroffen wie Männer. Meist tritt die Erkrankung zwischen dem 40. und dem 60. Lebensjahr erstmals auf. Sie kann vergleichsweise langsam und mild voranschreiten, aber auch rasch einen aggressiven Verlauf nehmen. Typischerweise sind zu Beginn der Erkrankung zunächst die kleinen Gelenke von Fingern und Zehen betroffen: Sie schmerzen, schwellen an und sind vor allem morgens nur schlecht beweglich. Die Beschwerden treten meist symmetrisch auf.
Zunehmend können mehr und größere Gelenke beteiligt sein. Daneben können sich auch die Sehnenscheiden entzünden, und auch die Halswirbelsäule und die Schleimbeutel können betroffen sein. Mögliche Allgemeinsymptome sind Abgeschlagenheit, Fieber und Nachtschweiß. Etwa jeder fünfte Patient entwickelt Rheumaknoten vor allem an den Fingern und den Ellenbogen. Typisch ist ein schubförmiger Verlauf der Krankheit. In schweren Fällen können die Gelenke mit der Zeit vollständig zerstört werden.
Ursache Auch wenn man die Entstehung der Erkrankung bislang nicht vollständig verstanden hat, so steht doch außer Frage, dass eine Fehlregulation des Immunsystems die Ursache ist, und dass sowohl eine erbliche Veranlagung als auch Umweltfaktoren zusammenkommen müssen, damit die Krankheit ausbricht. Man vermutet, dass früh im Krankheitsgeschehen Autoantikörper gegen citrullinierte Proteine (ACPA) eine wichtige Rolle spielen. Die Folge dieser Fehlregulation des Immunsystems ist eine chronische Entzündungsreaktion: Weitere Immunzellen wandern in die Gelenke ein, greifen dort körpereigene Strukturen an und schädigen die Gelenke zunehmend.
Diagnose Zusätzlich zu den in der Anamnese und der klinischen Untersuchung erfassten Symptomen fließen auch Laborparameter in die Diagnose ein. Dazu gehören Entzündungswerte und der Nachweis von Rheumafaktoren im Blut. Der Nachweis von ACPA ist sehr spezifisch für die rheumatoide Arthritis, und zugleich stellt er einen Marker für ei- ne ungünstige Prognose dar. Schließlich ist die Bildgebung essenziell für die Darstellung von erosiven Gelenkveränderungen.
Therapie Die Behandlung der rheumatoiden Arthritis teilt sich auf in die nicht-medikamentöse und in die medikamentöse Therapie. Die nicht- medikamentöse Therapie umfasst Krankengymnastik, physikalische Therapie, Ergotherapie und orthopädische Maßnahmen. Dazu kommen psychologische Therapien und sozial- medizinische Beratung, etwa zum Erhalt des Arbeitsplatzes.
Disease Modifying Antirheumatic Drugs (DMARDs) Die medikamentöse Therapie der rheumatoiden Arthritis erfolgt mit DMARDs, also Medikamenten, die nicht nur die Symptome lindern, sondern auch den Verlauf der Erkrankung beeinflussen. Diese lassen sich in verschiedene Klassen aufteilen: konventionelle DMARDs (cDMARDs: vor allem Methotrexat, Leflunomid, Sulfasalazin), biologische DMARDs (bDMARD: TNF- alpha-Inhibitoren etc.) und – ganz neu – die Januskinase (JAK)-Inhibitoren. Diese hemmen wie die Biologika die Entzündungskaskade, allerdings mit einem anderen Wirkmechanismus: Während die meisten Biologika extrazellulär entweder ein Zytokin oder seinen Rezeptor blockieren, inhibieren JAK-Inhibitoren intrazellulär die Signalkaskade, die durch diese Zytokin-Rezeptor-Bindung ausgelöst wird.
Dabei haben Biologika immer nur ein Zielmolekül; ein und dieselbe Januskinase kann dagegen an der Signalübertragung mehrerer Zytokine beteiligt sein –daher können JAK-Inhibitoren auch die Signalübertragung mehrerer Zytokine hemmen. Und: JAK-Inhibitoren werden oral als Tablette eingenommen (Biologika werden subkutan oder intravenös verabreicht). Seit kurzem sind Baricitinib (Hemmung von JAK1 und JAK2) und Tofacitinib (Hemmung von JAK1 und JAK3) in Europa für die Therapie der mittelschweren bis schweren rheumatoiden Arthritis zugelassen.
Treat-to-target Während es früher üblich war, die Therapie der rheumatoiden Arthritis mit den schwächsten Medikamenten zu beginnen und den Einsatz der wirksameren Medikamente so lange wie möglich hinauszuzögern, hat man inzwischen gelernt, dass sich langfristig die besten Therapieerfolge erzielen lassen, wenn man die Krankheitsaktivität so früh wie möglich und so weit wie möglich unterdrückt. Das bedeutet, dass die Therapie mit einem DMARD möglichst innerhalb von drei Monaten nach Beginn der Erkrankung beginnen sollte. Allerdings ist dies in Deutschland – auch weil es nicht ausreichend ausgebildete Rheumatologen gibt – nicht immer der Fall.
Das übergeordnete Therapieprinzip lautet sodann „Treat-to-target“. Damit ist gemeint, dass Arzt und Pa- tient vor Therapiebeginn das gemeinsame Therapieziel fest- legen – in der Regel eine Remission oder zumindest eine sehr niedrige Krankheitsaktivität. Normalerweise beginnt die Therapie dann mit einem cDMARD (meist Methotrexat) in Kombination mit einem Glukokortikoid. Nach einem vorher vereinbarten Zeitraum von drei bis sechs Monaten wird überprüft, ob das Ziel erreicht wurde. Falls ja, wird die Therapie fortgesetzt. Falls nicht, wird sie auf die nächste Stufe eskaliert.
Diese ist die Kombination mit einem weiteren cDMARD oder – wenn ungünstige prognostische Marker wie ACPA vorliegen – direkt die Hinzunahme eines bDMARDs oder eines JAK-Inhibitors. Falls auch damit das Therapieziel nicht erreicht werden kann oder das Therapieansprechen sekundär wieder verloren geht, sollen zeitnah andere Präparate innerhalb der bDMARDs beziehungsweise JAK-Inhibitoren verwendet werden. Diese Prinzipien sind in den Empfehlungen der European League Against Rheumatism (EULAR) festgelegt, die gerade in aktualisierter Fassung erschienen sind.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 05/17 ab Seite 100.
Dr. rer. nat. Anne Benckendorff, Medizinjournalistin