Rezeptur - Mischen possible
GRÜNE BLÜTEN
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Frei nach My Fair Lady: “Es grünt so grün, wenn Spaniens Blüten blühen“, denn heute geht es um etwas Grünes auf gelbem Rezept. Es lässt der einen oder anderen PTA die Hände zittern und zaubert ihr hektische Flecken in das Gesicht. Ich kann es verstehen. Betäubungsmittel-Rezepte (BtM-Rezepte) machen mich auch noch immer ein wenig nervös: Stimmen alle Angaben wie das Ausstellungsdatum; ist das Rezept überhaupt noch gültig? Stehen Dosierung, Unterschrift und Telefonnummer inklusive vollständiger Adresse des verschreibenden Arztes auf dem Rezept? Ist die Höchstmenge eventuell überschritten? Und zu guter Letzt: Was sagen die Rabattverträge und was hatte der Kunde das letzte Mal?
Selbst bei Fertigarzneimitteln muss man mittlerweile genau hinschauen, da manche Rabattverträge zum Beispiel Pflaster untereinander austauschen, die nicht identisch sind, da sie den Wirkstoff anders freisetzen. Da gibt es Matrix- und Membranpflaster, die einen kann man zerschneiden, die anderen auf gar keinen Fall. Aber um die geht es gar nicht - sondern um etwas, das im wahrsten Sinne des Wortes eine Zeit lang in aller Munde war (und ist): Cannabis.
Vom Hype zur Routine
Seit März 2017 dürfen Apotheken Cannabisblüten ganz legal auf Btm-Rezepte abgeben. In den ersten Jahren genehmigten die Krankenkassen die Abgabe nur nach einem Kostenvoranschlag. Es gab einen wahren Hype um die getrockneten Pflanzenblüten, der sich mittlerweile normalisiert hat. Zumindest in „meiner“ Apotheke, wir haben eigentlich nur noch zwei Kunden, die regelmäßig ihre Rezepte bei uns einlösen, und dann und wann mal einen Laufkunden.
Mittlerweile ist der Prozess sehr gut eingespielt. Die PKA bestellen, PTA und Apotheker prüfen, PTA verarbeiten. Hier ist schon die erste Hürde zu nehmen. Denn der Deutsche Arzneimittel-Codex (DAC) und das Laborprogramm verlangen für alle Cannabisblüten-Sorten die gleichen Prüfungen:
- Aussehen
- Geruch
- mikroskopische Untersuchung.
Cannabisblüten bestellen
Die beiden Hauptlieferanten für Cannabisblüten sind im Moment die Niederlande und Kanada. Cannabisblüten tragen auch sehr klangvolle Namen wie Penelope®, Argyle® oder Pedanios®. Sie unterscheiden sich im THC/CBD Gehalt, von 22/1 bis 8/8. Der Wert gibt den Gehalt in Massenprozent an. Wir verarbeiten hauptsächlich Bedrocan®, selten Bedrobinol® und ein oder zweimal sind Bakerstreet® und Red No2® (früher Houndstooth®) vorgekommen.
Cannabisblüten prüfen
Natürlich kann man die Blüten mit einer Dünnschicht-Chromatographie (DC) untersuchen. Aber wenn wir ehrlich sind: Wer hat die Zeit im normalen Apothekenalltag eine DC laufen zu lassen? Und vor allem sind die Kontrollsubstanzen preisintensiv.
Es gibt eine Art Schnelltest, um den Tetrahydrocannabinol-Gehalt (THC) zu bestimmen. Bei den fünfzehn Sorten, die es mittlerweile gibt, ist die Spanne mit unter 1 Prozent bis 23,4 Prozent recht groß. Zusätzlich muss man den Cannabidiol-Gehalt (CBD) beachten. Je nach Sorte liegt der Wert bei unter 0,05 Prozent bis 9 Prozent. Man darf natürlich nie vergessen, Cannabis ist eine pflanzliche Droge. Damit ist ihr THC- und CBD-Gehalt von äußeren Einflüssen wie dem Wetter abhängig. Natürlich halten die Hersteller Schwankungen möglichst klein, aber selbst bei der gleichen Sorte Blüten kann man von Charge zu Charge unterschiedliche Gehalte vorfinden.
Aber je mehr Blüten mir durch die Hände gehen, umso leichter fällt es mir, sie zu unterscheiden. Denn sie riechen tatsächlich alle anders und sehen anders aus. Ein anderes grün, harziger, stärker oder weniger stark zusammengeballter Blütenstand. Unter dem Mikroskop hingegen erscheinen sie alle gleich.
Cannabisblüten verarbeiten: Umfüllen oder portionieren?
Schließlich folgt das Verarbeiten. Die einfachste Variante ist das Umfüllen der Blüten von ihrer Transportdose in eine braune 100 Milliliter Vierkant-Polyethylen-Flasche mit kindergesichertem Verschluss. Dann wird ordentlich etikettiert, der entsprechenden Gehalt an THC und CBD aufgetragen und natürlich die Anwendung. Das ist der Arbeitsablauf, wenn auf dem BtM-Rezept „unverarbeitete Abgabe“ vermerkt ist.
Einzeldosen
Dann gibt es aber auch die Möglichkeit, dass der Arzt abgeteilte Einzelportionen wünscht. Dies ist der Fall, wenn zum Beispiel verordnet wird:
Sechs Gramm Blüten der Sorte Bedrocan® zu 30 Einzelportionen zu je 200 Milligramm
Als erstes müssen die Blüten zerkleinert werden, dafür gibt es normierte Kräutermühlen. Das Neue Rezeptur Formularium (NRF)empfiehlt, die zerkleinerten Blüten anschließend zu sieben. Zum Portionieren verwenden wir Pulverkapseln aus Papier, die wir einzeln auf der Analysenwaage befüllen. Zur Abgabe kommen die verschlossenen Pulverkapseln dann wieder in eine braune Vierkant-PE-Flasche mit kindergesichertem Verschluss. Diese wird ordentlich etikettiert und zur Abgabe bereitgestellt.
Cannabisblüten taxieren
Man muss daran denken, dass die Rezepte nicht mit der klassischen Rezeptur-Pharmazentralnummer (PZN) bedruckt werden dürfen. Beide Varianten, „Abgabe unverarbeitet“ und „Abgabe verarbeiteter Blüten“, haben ihre eigene PZN. Zusätzlich muss natürlich auch noch die BtM-Gebühr mit auf das Rezept. Hier einige Beispiele:
Verordnet sind „Cannabisblüten Sorte Bedrocan, 5 Gramm (g) unzerkleinert und unverarbeitet abgeben; 1x 0,2g/die abends mittels Verdampfer inhalieren“
Taxiert wird mit der PZN 06460694 (Cannabisblüten in unverändertem Zustand).
Auf dem Rezept wurde ergänzt: „Abgabe unzerkleinert und unverarbeitet, 0,2 - 0,5 g/die mittels Verdampfer inhalieren“
Taxiert wird mit der PZN 06460694 (Cannabisblüten in unverändertem Zustand).
Bei diesem Rezept unterläuft dem Arzt regelmäßig der gleiche Fehler: 30 x 200 mg sind sechs Gramm Gesamtmenge und nicht drei Gramm. Nachdem dieser Fehler häufiger aufgetreten ist, hat die Apotheke die Erlaubnis der Praxis, dies ohne Rücksprache zu ändern. Taxiert wird mit der PZN 06460665 (Cannabisblüten in Zubereitung).
Das NRF bietet zwar standardisierte Rezepturen an, allerdings enthalten sie keinen Sortennamen - wie „NRF 22.13 Cannabisblüten in Einzeldosen zu 0,2 Gramm zur Inhalation nach Verdampfung“. Als Rezepturteam haben wir uns darauf geeinigt, dass wir bei der Dokumentation immer noch den Sortennamen mit in die Bezeichnung nehmen und so auch im Rezepturprogramm eintragen, im vorliegenden Fall also: „NRF 22.13 Cannabisblüten Bedrocan® in Einzeldosen zu 0,2g zur Inhalation nach Verdampfung“.
Außer der Inhalation nach Verdampfung gibt es noch eine zweite Anwendungsmöglichkeiten von Cannabisblüten: als Teezubereitung. Beide Varianten sind als NRF-Rezepturen standardisiert, Sie finden sie in den Monografien NRF 22.12 bis 22.15. Entsprechendes Zubehör für die unterschiedlichen Therapien bekommt der Kunde direkt vom Arzt oder von den Firmen, die auch die Cannabisblüten liefern. Wenn wir als Apotheke dann doch einmal Zubehör bestellen mussten, hatte der Kunde immer einen Bestellschein mit dabei, ähnlich dem Formular für Desensibilisierungs-Lösungen.
Abschließend ist zu sagen, Cannabisblüten-Rezepturen sind zu bewältigen., Vielleicht muss man sich am Anfang etwas mehr Gedanken machen, mehr nachlesen und nachforschen. Aber je häufiger man damit arbeitet, umso leichter geht es einem von der Hand.
Quellen:
Klaus Häußermann / Franjo Grotenhermen / Eva Milz: „Cannabis - Arbeitshilfe für die Apotheke“, Deutscher Apotheker Verlag
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2017/03/09/cannabis-auf-rezept-das-sollte-man-fuers-erste-wissen
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2017/06/13/apotheken-gaben-im-maerz-mehr-als-500-mal-cannabisblueten-ab