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Kolumne | Holger Schulze

POCD ODER DER NEBEL DANACH

Beeinträchtigungen kognitiver Funktionen wie etwa gestörte Gedächtnisleistungen werden häufig nach Operationen beobachtet. Die Ursachen sind weitgehend unklar.

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»Schädigen Operationen das Gehirn?«

Kennen Sie das auch? Ein ihnen nahestehender Mensch muss sich einer Operation unterziehen, und obwohl alles erfolgreich verläuft haben Sie den Eindruck, dass er oder sie danach irgendwie verändert ist? Scheinbar haben verschiedene kognitive Fähigkeiten nachgelassen, etwa Gedächtnisleistungen, die Kontrolle der Aufmerksamkeit, geistige Flexibilität oder auch Problemlösungskompetenz, und Betroffene wirken oft verwirrt. In so einem Fall spricht man von postoperativer kognitiver Dysfunktion (engl. postoperative cognitive dysfunction, POCD). Das Phänomen tritt bei 30 bis 50 Prozent der Patienten auf, am häufigsten nach Herzoperationen. Weitere Risikofaktoren sind hoher Alkoholkonsum, niedriges Bildungsniveau oder beginnende Demenz sowie ein zurückliegender Schlaganfall. POCD ist meist nur vorübergehend, kann aber insbesondere bei älteren Patienten auch anhalten, bei zehn bis 15 Prozent von ihnen Monate bis lebenslang.

In diesen Fällen verdoppelt sich dann sogar die Sterberate innerhalb des ersten Jahres nach der OP. Trotz dieser relativ hohen Inzidenz und teils dramatischen Konsequenzen von POCD sind dessen Ursachen noch weitgehend unverstanden. Das liegt unter anderem daran, dass klinische Studien in diesem Bereich schwierig sind, da es in der Regel keine sauberen Kontrollgruppen gibt: KOLUMNE HOLGER SCHULZE Beeinträchtigungen kognitiver Funktionen wie etwa gestörte Gedächtnisleistungen werden häufig nach Operationen beobachtet. Die Ursachen sind weitgehend unklar. »Schädigen Operationen das Gehirn?« Schließlich kann man einem Herzpatienten keine dringend benötigte Operation verweigern, nur um zu überprüfen, ob ohne den Eingriff POCD seltener auftritt.

Gleichzeitig ist aber eben nicht auszuschließen, dass die Vorerkrankung, welche den Eingriff erforderlich macht, bereits selbst ursächlich für POCD ist. Weitere diskutierte Ursachen von POCD sind neurotoxische Effekte der Narkotika, verringerte Blutversorgung des Gehirns während der OP, sowie als derzeit heißester Kandidat Entzündungsreaktionen im Gehirn. So fand sich bei POCD-Betroffenen etwa eine erhöhte Aktivität von Mikroglia, einem Zelltyp, der für die Koordination von Immunabwehr und Entzündungsreaktionen im Gehirn verantwortlich ist. Auch TNF-alpha, ein mit Entzündungsreaktionen im Zusammenhang stehendes Zytokin, ist im Plasma erhöht. Weitere Hinweise liefern Tierexperimente: So zeigten Mäuse, deren Mikroglia-Aktivität unterdrückt wurde, im Gegensatz zu unbehandelten Mäusen keine postoperativen Gedächtniseinbußen.

Auch konnte gezeigt werden, dass gängige Narkotika für Entzündungsreaktionen des Gehirns verantwortlich sein können: Isofluran etwa erhöht bei Ratten die Expression von Interleukin 1ß, einem Entzündungsmediator, und das insbesondere im für Gedächtnisfunktionen wichtigen Hippocampus. All diese Hinweise erlauben nun die Entwicklung möglicher Vorbeugemaßnahmen gegen die Entstehung von POCD. Im Tierversuch wirksam zeigten sich etwa neuroprotektive Substanzen wie Vitamin B12, Diaminodiphenylsulfon (Dapson, DDS) oder Hitzeschockprotein 72 (HSP72). Vielversprechende Aussichten, finden Sie nicht auch?

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 07/17 ab Seite 12.

Zur Person
Prof. Dr. Schulze Hirnforscher
Holger.Schulze@uk-erlangen.de 

Prof. Dr. Schulze ist Leiter des Forschungslabors der HNO-Klinik der Universität Erlangen-Nürnberg sowie auswärtiges wissenschaftliches Mitglied des Leibniz-Instituts für Neurobiologie in Magdeburg. Seine Untersuchungen zielen auf ein Verständnis der Neurobiologie des Lernens und Hörens. www.schulze-holger.de 

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