Der Plötzliche Kindstod tritt meistens zwischen dem zweiten und vierten Lebensmonat ein. © KatarzynaBialasiewicz / iStock / Thinkstock

Plötzlicher Kindstod | Untersuchung

PLÖTZLICHER KINDSTOD KANN AUF SELTENE GENMUTATION ZURÜCKZUFÜHREN SEIN

Es passiert fast immer während des Schlafs – die Babys sterben leise und unbemerkt ohne ersichtlichen Grund. Der plötzliche Kindstod, der Eltern das größte Glück im Leben nimmt, ist eventuell auf ein genetisch bedingtes Versagen der Atemmuskulatur zurückzuführen. Zu diesem Ergebnis kommen zumindest britische und US-amerikanische Forscher.

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Was genau versteht man eigentlich unter dem plötzlichen Kindstod? Die Wissenschaft beschreibt diesen schrecklichen Schicksalsschlag als ein unerwartetes Eintreten des Todes bei einem scheinbar gesunden Kind. Das Alter der Säuglinge liegt meist zwischen dem zweiten und vierten Lebensmonat, die genaue Todesursache kann letztlich nicht festgestellt werden. Es gibt Risikofaktoren, die den plötzlichen Säuglingstod beeinflussen können. Darunter zählen beispielsweise Zigarettenrauch-Exposition, das Schlafen in der Bauchlage oder unter bestimmten Begebenheiten im Bett der Eltern. Vor allem männliche Neu- und Frühgeborene zählen zur Risikogruppe.

Dr. Roope Männikkö vom University College London und sein Team haben für eine neue Untersuchung das SCN4A-Gen unter die Lupe genommen. Detailliert haben sie untersucht, wie häufig Mutationen dieses Gens, das ein Transmembranprotein in der Skelettmuskulatur kodiert, bei den betroffenen Säuglingen vorhanden waren. Dieses Membranprotein, bei dem es sich um einen spannungsgesteuerten Natriumkanal handelt, reguliert die Erregbarkeit der Muskelzellen. Ist seine Funktionalität nicht in vollem Umfang gegeben, verlieren die Muskeln an Kraft. Bei Erwachsenen äußert sich eine solche Mutation in Form von neuromuskulären Störungen, also Myopathien. Auch an der Atemmuskulatur kommt der Natriumkanal vor, sodass es bei Mutationsträgern des Öfteren zu respiratorischen Problemen wie beispielsweise lebensbedrohliche Apnoe-Attacken kommen kann.

Sind diese SCN4A-Genmutationen nun mitverantwortlich für den plötzlichen Kindstod? Um diesen Kernpunkt zu klären, haben die Forscher die DNA von 278 verstorbenen Kindern kaukasischer Abstammung untersucht. In allen Fällen war die genaue Todesursache trotz umfangreicher Nachforschungen nicht eindeutig nachzuweisen. Die zweite Probandengruppe bestand aus 729 gesunden Erwachsenen gleicher Ethnie, die an keinerlei Vorerkrankungen litten. Die Wissenschaftler untersuchten beide Gruppen und bei vier der verstorbenen Kinder konnte eine dysfunktionale SCN4A-Genvariante nachgewiesen werden. Bei der Kontrollgruppe fand man nichts.

Anhand dieser Ergebnisse schlussfolgern Männikkö und sein Team, dass der plötzliche Kindstod eventuell eine genetische Basis hat. Für die Wissenschaftler liegt die Vermutung nahe, dass die bei den verstorbenen Babys überproportional oft nachgewiesene Natriumkanal-Mutation dafür sorgt, dass die Vulnerabilität der Kinder für exogene respiratorische Stressoren in der kritischen Entwicklungsphase erhöht ist. In Risikosituationen sind sie aufgrund der Schwächung der Atemmuskulatur nicht in der Lage, auf eine Hypoxie entsprechend zu reagieren, also ihre Atmung zu beschleunigen, zu husten oder aber dem Atem kurzzeitig anzuhalten.

Aber es gibt noch offene Fragen und vor allem die klinische Bedeutung des Defekts ist den Wissenschaftlern noch nicht einhundertprozentig klar. Weitere Untersuchungen sollen folgen. Gehen weitere Studien in ihren Ergebnissen in die gleiche Richtung, muss auch über medikamentöse Behandlungsoptionen nachgedacht werden. Für Kinder und Erwachsene, die an neuromuskulären Erkrankungen in Folge einer SCN4A-Mutation leiden, stehen bereits pharmakologische Therapien zur Verfügung. Es besteht die Möglichkeit, dass weitere Geschwister von am plötzlichen Kindstod verstorbene Kinder von einer solchen prophylaktischen Medikation profitieren.

Eines bleibt aber zu beachten: Die Genmutation ist höchstwahrscheinlich nicht der einzige Grund für den plötzlichen Kindstod. Aus diesem Grund sollten Eltern immer darauf achten, dass sie ihrem Kind eine sichere Schlafumgebung bieten.

Nadine Hofmann,
Leitung Online-Redaktion

Quelle: Pharmazeutische Zeitung

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