Tatort Apotheke

PARACETAMOL – DIE PTA ERMITTELT

Die Lebertoxizität von Paracetamol in hohen Dosen oder bei Menschen mit vorgeschädigter Leber ist bekannt. Aber wissen Sie auch, dass andere Arzneistoffe dies noch fördern können?

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Frau Bangert ist eine junge Frau, die seit einer Enzephalitis, die sie sich vermutlich durch einen Zeckenbiss zugezogen hat, an Epilepsie leidet. Sie bekommt regelmäßig Carbamazepin als Antiepileptikum verordnet. Dank der guten Einstellung auf das Medikament ist sie schon seit über einem Jahr anfallsfrei.

Gerade kommt sie mit einer Carbamazepin-Verordnung in die Apotheke. Sie sagt, sie habe ziemliche Kopfschmerzen. Das ginge jetzt gar nicht, denn sie müsse heute Abend auf eine Geburtstagsfeier, wo es mit Sicherheit hoch herginge. Also möchte sie noch eine Packung Paracetamol oder etwas Ähnliches mitnehmen.

Die PTA fragt Frau Bangert zunächst, ob sie denn auch vorhabe, bei der Feier Alkohol zu trinken. Denn das könne sich ungünstig auf die Epilepsie auswirken. Außerdem wäre Paracetamol dann wegen der Lebertoxizität nicht das geeignete Schmerzmittel. Frau Bangert schüttelt den Kopf und sagt: „Ich weiß! Höchstens ein Glas Wein!“ Die PTA entscheidet sich dann aber doch gegen Paracetamol und gibt ihr Ibuprofen gegen die Kopfschmerzen. Als die Kundin gegangen ist, fragt sie sich, ob es denn auch Wechselwirkungen zwischen Carbamazepin und Paracetamol gibt. Der Apotheker kann dies auch nicht aus dem Stegreif beantworten und gemeinsam recherchieren sie.

Pharmakologischer Hintergrund Paracetamol wird hauptsächlich durch Glucuronidierung und Sulfatierung metabolisiert. Ein kleiner Anteil wird von Cytochrom P450 abgebaut und zwar zum lebertoxischen Benzochinonimin. Dieses wird schnell von Glutathion entgiftet, sodass Paracetamol beim Gesunden als gut verträglich gilt. Ab einer Paracetamol-Dosis von etwa sechs Gramm ist allerdings die Entgiftungskapazität von Glutathion überschritten und es entstehen Leberzellnekrosen.

Das Antiepileptikum Carbamazepin ist ein potenter Enzyminduktor des Cytochrom P450-Systems. Dies beschleunigt den Abbau zu Benzochinonimin, sodass mehr von der toxischen Substanz entsteht. Gleichzeitig kann der schnellere Abbau zu einer Wirkungsverminderung führen, was den Betroffenen dazu verleiten könnte, noch weitere Tabletten einzunehmen – und das bei einer empfohlenen Tagesdosis von bis zu viermal täglich 500 bis 1000 Milligramm über maximal drei bis vier Tage.

Bei der Recherche lesen die beiden, dass in den USA laut einer Studie Paracetamol in den Jahren 1998 bis 2003 mit 48 Prozent die häufigste Ursache für akutes Leberversagen war. Auch in Deutschland werden jedes Jahr mehrere Tausend Giftberatungsfälle durch Paracetamol gemeldet. Die meisten Patienten nehmen Paracetamol aus Unkenntnis in einer Überdosis ein, oft in Form mehrerer verschiedener Präparate. Ihnen ist nicht bewusst, dass manche, teilweise sogar verschreibungspflichtige, Kombinationsmittel Paracetamol enthalten können. Wird dann noch ein Erkältungsmittel, z. B. ein Heißgetränk mit Paracetamol, gekauft, kann dies schon zuviel sein.

In den USA sterben jährlich etwa 500 Personen an den Folgen der Überdosierung, für Deutschland liegen hierzu keine konkreten Zahlen vor. Weitere Risiken für Paracetamol, von denen die beiden lesen, müssen noch untersucht werden. Hierzu zählen zum Beispiel das vermehrte Risiko von Hodenhochstand bei neugeborenen Jungen nach Einnahme durch die Schwangere oder eine größere Zahl asthmakranker Kinder, die als Kleinkinder oder noch im Mutterleib Paracetamol ausgesetzt waren.

Zurück zum Fall Der Apotheker bestätigt der PTA, in diesem Fall richtig gehandelt zu haben. Die beiden beschließen, in Zukunft sehr genau hinzuschauen, wenn es um Paracetamol geht, denn obwohl größere Packungseinheiten inzwischen verschreibungspflichtig sind, gilt die Substanz in der Bevölkerung als gut verträglich und nebenwirkungsarm und noch dazu sind die Präparate preiswert. Auch schwangeren Frauen und Säuglingen oder Kleinkindern werden sie kein Paracetamol mehr empfehlen, bis das Risiko geklärt ist.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 03/11 auf Seite 82.

SB

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